Mosaikartiges Präsidentenporträt
Die Schriftstellerin Yasmina Reza ist vor allem als Theaterautorin bekannt und erfolgreich. Mit "Frühmorgens, abends oder nachts" liefert sie nun ein Porträt des Wahlkampfes des heutigen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Sie begleitete ihn ein Jahr lang zu allen möglichen Veranstaltungen. Das Ergebnis ist vielschichtig und differenziert.
Es ist erstaunlich, wie schnell ein Buch mit politischem Hintergrund altert und dennoch interessant sein kann. Yasmina Reza, bekannt vor allem als Theaterautorin der Erfolgsstücke "Kunst" und "Drei Mal Leben", hat sich eine ganz andere Art von Aufführung angeschaut: Ein Jahr lang hat sie den Wahlkampf von Nicolas Sarkozy begleitet, bis zu seiner Ernennung als Präsident Frankreichs im Mai vergangenen Jahres. Erwartungsgemäß war das Buch ein großer Erfolg in Frankreich, und der Medienwirbel, den Sarkozys Scheidung, vor allem aber seine nach kürzester Zeit in eine Ehe mündende Liaison mit Sängerin und Ex-Modell Carla Bruni dürften ein gewisses Interesse beim deutschen Publikum geweckt haben, zumal die Autorin hierzulande auch für ihre beiden Romane "Eine Verzweiflung" und "Adam Haberberg" geschätzt wird und sogar den "Welt"-Literaturpreis erhalten hat.
Persönlich schätze ich ihre Stücke sehr, die Prosa allerdings weniger, und war nun gespannt auf dieses Buch. Es ist letztlich aus Fragmenten zusammengesetzt, aus kurzen Absätzen. Dabei liefert Reza alles andere als eine Reportage. Sie wechselt in bunter Reihenfolge eigene Überlegungen, kurze Beschreibungen, literarische Zitate und kleine Szenen ab, die beinahe aus einem ihrer Stücke stammen könnten. Faszinierend ist dabei ihre Fähigkeit, auszuwählen und zu kondensieren:
"Er hat verstanden. Er fühlt sich 'geehrt', dass ich ihn porträtieren will. Er sagt: 'Mit einem Wort, Sie wollen dabei sein.' Ich sage ja."
Mit diesen knappen Worten gibt sie den zentralen Augenblick wieder, in dem sie den Innenminister und nominierten Kandidaten darum bittet, ihn begleiten zu dürfen.
Selbstverständlich war Reza für dieses Projekt auch angefeindet worden. Sie habe sich für den Wahlkampf von Sarkozy einspannen lassen, so der Vorwurf. Doch so distanziert, wie sie sich bereits in dieser ersten Begegnung schildert, in der kein Wort des Dankes über ihre Lippen gekommen zu sein scheint, so differenziert ist das Porträt, dass sie aus winzigen, aber signifikanten Mosaiksteinchen zusammensetzt.
Sie beschreibt seinen Stolz, seinen Opportunismus, die Langeweile, die Sarkozy mitunter bei Wahlveranstaltungen empfindet. Sie erkennt, dass die Journalisten ihm gewissermaßen helfen, sich selbst zu erfinden, doch gleichzeitig unterstellt sie, dass persönliche Angriffe, wie in der Satire-Zeitschrift "Le Canard enchaîné", ihn weniger im Hinblick auf die Reaktionen der Wähler stören denn als Infragestellung seiner Rechtschaffenheit.
Geradezu prophetisch erscheint es im Nachhinein, wenn der Wahlkämpfer sich selbst lobt, den Frauen zu gefallen und entzückt auf das Geständnis eines weiblichen Fans reagiert, sie träume jede Nacht von ihm. Auch bleibt kein Zweifel an seiner Rastlosigkeit, denn bereits bei einem ersten Treffen im Elysée-Palast nach der Wahl stellt Reza fest, dass er geradezu "abhaut", als er sein Präsidenten-Büro verlässt, wie unter einem Zwang, dringend wieder nach draußen zu kommen. Da scheint sie ihn damals schon durchschaut zu haben.
Rezensiert von Carolin Fischer
Yasmina Reza: Frühmorgens, abends oder nachts
Aus dem Französischen von Frank Heibert / und Hinrich Schmidt-Henkel
Hanser Verlag, München 2008
208 Seiten. 19 Euro 90
Persönlich schätze ich ihre Stücke sehr, die Prosa allerdings weniger, und war nun gespannt auf dieses Buch. Es ist letztlich aus Fragmenten zusammengesetzt, aus kurzen Absätzen. Dabei liefert Reza alles andere als eine Reportage. Sie wechselt in bunter Reihenfolge eigene Überlegungen, kurze Beschreibungen, literarische Zitate und kleine Szenen ab, die beinahe aus einem ihrer Stücke stammen könnten. Faszinierend ist dabei ihre Fähigkeit, auszuwählen und zu kondensieren:
"Er hat verstanden. Er fühlt sich 'geehrt', dass ich ihn porträtieren will. Er sagt: 'Mit einem Wort, Sie wollen dabei sein.' Ich sage ja."
Mit diesen knappen Worten gibt sie den zentralen Augenblick wieder, in dem sie den Innenminister und nominierten Kandidaten darum bittet, ihn begleiten zu dürfen.
Selbstverständlich war Reza für dieses Projekt auch angefeindet worden. Sie habe sich für den Wahlkampf von Sarkozy einspannen lassen, so der Vorwurf. Doch so distanziert, wie sie sich bereits in dieser ersten Begegnung schildert, in der kein Wort des Dankes über ihre Lippen gekommen zu sein scheint, so differenziert ist das Porträt, dass sie aus winzigen, aber signifikanten Mosaiksteinchen zusammensetzt.
Sie beschreibt seinen Stolz, seinen Opportunismus, die Langeweile, die Sarkozy mitunter bei Wahlveranstaltungen empfindet. Sie erkennt, dass die Journalisten ihm gewissermaßen helfen, sich selbst zu erfinden, doch gleichzeitig unterstellt sie, dass persönliche Angriffe, wie in der Satire-Zeitschrift "Le Canard enchaîné", ihn weniger im Hinblick auf die Reaktionen der Wähler stören denn als Infragestellung seiner Rechtschaffenheit.
Geradezu prophetisch erscheint es im Nachhinein, wenn der Wahlkämpfer sich selbst lobt, den Frauen zu gefallen und entzückt auf das Geständnis eines weiblichen Fans reagiert, sie träume jede Nacht von ihm. Auch bleibt kein Zweifel an seiner Rastlosigkeit, denn bereits bei einem ersten Treffen im Elysée-Palast nach der Wahl stellt Reza fest, dass er geradezu "abhaut", als er sein Präsidenten-Büro verlässt, wie unter einem Zwang, dringend wieder nach draußen zu kommen. Da scheint sie ihn damals schon durchschaut zu haben.
Rezensiert von Carolin Fischer
Yasmina Reza: Frühmorgens, abends oder nachts
Aus dem Französischen von Frank Heibert / und Hinrich Schmidt-Henkel
Hanser Verlag, München 2008
208 Seiten. 19 Euro 90