Klimawandel in Mosambik
Alltag von Dorfbewohnern in Mosambik: fast 30 Kilometer in die Stadt fahren, um einen Sack Holzkohle zu verkaufen. © Roger Jardine
Wenn Abholzung die Existenz sichert
24:01 Minuten
Mosambik wurde 2019 vom Zyklon Idai verwüstet. Besonders die bitterarme Region Beira war davon betroffen. Ein Grund dafür ist die massive Abholzung der Wälder, von der die Menschen leben und unter deren Konsequenzen sie gleichzeitig leiden.
Der alte Mann hat den ganzen Vormittag lang geschuftet. Er hat einen Baum gefällt und mit einer Axt zerteilt. Die größeren Stücke hat er säuberlich aufgeschichtet und die kleineren zu Holzkohle gebrannt. Etwa ein Dutzend Säcke Holzkohle kann er Domingo Andrada nun verkaufen, der Erlös reicht, um ein paar Wochen zu überleben. Der alte Mann lebt in einem kleinen Dorf im Distrikt Nhampwepwe, etwa anderthalb Stunden landeinwärts von der mosambikanischen Hafenstadt Beira entfernt. Seit 30 Jahren produziert er Holzkohle.
„Als ich 1992 hierherzog, war die ganze Landschaft noch mit Wäldern bedeckt. Sie waren teilweise so dicht, dass man kaum durchkam. Aber jetzt ist der Wald verschwunden. Deshalb läuft das Geschäft mit der Holzkohle nicht mehr so gut wie früher, als viele davon gelebt haben. Damals konnte ich es mir auch noch leisten, ein Motorrad zu kaufen! Damit fahre ich heute nach Beira und kaufe dort Trockenfisch, den ich hier wiederverkaufe. Denn von Holzkohle allein kann ich nicht mehr leben, und andere Jobs gibt es hier nicht.“
Bedarf an Feuerholz und Holzkohle ist groß
Etwa zweihundert Familien leben in der Nachbarschaft, verstreut in kleinen Häusern. Strom gibt es hier nicht, so wie in den meisten ländlichen Regionen. Gekocht wird auf offenem Feuer. Entsprechend groß sei der Bedarf an Feuerholz und Holzkohle, sagt Allan Schwarz. Er ist einer der angesehensten Experten für nachhaltige Waldwirtschaft in Mosambik.
„Etwa 90 Prozent der Mosambikaner haben keine alternative Energiequelle zum Kochen. Studien zufolge verbraucht jeder durchschnittlich zwei Tonnen Holz im Jahr. Bei einer Bevölkerung von über 30 Millionen sind das also insgesamt rund 60 Millionen Tonnen. Das ist eine enorme Zahl an Bäumen, die sich jedes Jahr in Rauch auflöst und nicht ersetzt wird.“
Schwarz und sein Team haben seit Mitte der 90er-Jahre nach eigenen Angaben rund zwei Millionen Bäume gepflanzt – und so ein brachliegendes Grundstück in einen Wald verwandelt. Das „Mezimbite Forest Centre“ liegt nur etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Andrades Dorf entfernt. Mit den Jahren hat das Projekt Nachahmer gefunden, wer Interesse hat, selbst Bäume zu pflanzen, bekommt hier Samen und Setzlinge. So wie Lúcia Mércia Chande. Rund um das Büro der Nichtregierungsorganisation, für die sie arbeitet, hat sie einen kleinen Wald angelegt.
Zyklon Idai hat viele alte Bäume entwurzelt
„Heute bricht es mir das Herz, hierher zu kommen“, sagt Chande, während sie einem kleinen Weg in den lichten Wald folgt. 2019 hatte der verheerende Zyklon Idai hier viele der ältesten, größten Bäume entwurzelt. Doch dieser Verlust wäre noch zu verschmerzen gewesen.
“Nach Idai sind viele Leute hierhergekommen, um sich an den umgestürzten Bäumen zu bedienen. Nachdem sie alles vom Boden aufgesammelt hatten, fingen sie an, andere größere Bäume zu fällen. Das waren keine Frauen, die Feuerholz brauchten. Das waren Männer mit Motorsägen und Autos, die hier ein Geschäft witterten. Sie transportierten erst die Holzstämme ab und brannten den Rest zu Holzkohle. Wir haben versucht, unseren Wald so gut wie möglich zu schützen, aber wir hatten damals angesichts der humanitären Krise natürlich größere Sorgen. Wenn unser Büro heute von hier wegziehen würde, könnte ich nicht dafür garantieren, dass ein Jahr später nicht auch der Rest des Wäldchens verschwunden wäre.“
Denn Holz ist Geld. Nicht nur für die arme Bevölkerung, auch für kommerzielle Händler. Ganz in der Nähe befinden sich Holzlager und Sägewerke, gut abgeschirmt hinter hohen Mauern, mit Wachschutz und Videoüberwachung. Von hier aus wird mosambikanisches Tropenholz in erster Linie nach China exportiert. Angesichts des jahrzehntelangen, massiven Raubbaus sind die goldenen Zeiten des nicht immer legalen Geschäfts mittlerweile jedoch vorbei.
Mondlandschaften mit verkohlten Baumstümpfen
Die Fahrt zurück in das Dorf des alten Mannes führt durch regelrechte Mondlandschaften. Überall ragen teils verkohlte Baumstümpfe aus dem Boden. Junge Männer schieben mit dicken Holzplanken beladene Fahrräder durch den tiefen Sand. Oft sind sie tagelang von noch vorhandenen Wäldern in die Stadt unterwegs. Nur Obstbäume stehen noch vereinzelt in der Nähe der Siedlungen, so wie der Mangobaum, unter dem Domingos Andrade sitzt.
Andrade unterhält sich mit einem wesentlich jüngeren Nachbarn, der gerade in die Stadt aufbricht. Knapp 30 Kilometer muss er mit seinem Fahrrad zurücklegen, auf den Gepäckträger hat er einen Sack Holzkohle geschnallt. Auf die Frage, um welches Holz es sich handelt, antwortet er: Msasa. Ein einheimischer Baum.
„Um ihn zu finden, musste ich weit fahren, denn hier gibt es diese Bäume ja nicht mehr. Aber das lohnt sich, denn die Qualität ist besser, und ich verdiene etwas mehr.“
Und was passiert, wenn auch dort alle Bäume gefällt worden sind? Er habe keine Ahnung, was er dann machen werde, sagt er, und wovon er dann leben soll. Das sei schon jetzt schwierig. Deshalb würden Männer wie er für einen minimal höheren Gewinn auch lange Fahrtstrecken in Kauf nehmen, sagt Lúcia Mércia Chande. Ihre Nichtregierungsorganisation unterstützt in diesem Dorf eine Klinik, denn regelmäßig werden hier Menschen krank, weil sie Rauch und Emissionen ausgesetzt sind.
Augen- und Atemwegserkrankungen nehmen zu
„Kochen auf offenem Feuer ist nicht gesund. Die Leute leiden unter Augen- und Atemwegserkrankungen. Ebenso ungesund ist natürlich die Holzkohleproduktion. Aber sie ist ihr einziges Einkommen. Dieser junge Mann fährt jetzt 27 Kilometer weit, um 750 Metical zu verdienen, vielleicht auch weniger. Zum Vergleich: Eine Tüte Reis kostet das doppelte. Fünf Liter Speiseöl etwa dasselbe. Und er muss eine sieben- bis achtköpfige Familie ernähren. Klar kann man sagen, dass es falsch ist, was er tut. Man kann ihm und allen anderen auch erklären, warum. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es hier keine andere Arbeit gibt.“
Mosambik zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. In einer ländlichen Gegend wie dieser leben die meisten Menschen von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Und auch das wird schwieriger, klagt Domingos Andrade. Auf seinem Grundstück hat er ein kleines Feld angelegt, so wie alle hier. Aus dem sandigen Boden ragen Blätter der Kassava-Knolle. Viel mehr gedeihe hier nicht mehr, sagt Andrade.
“Der Reisanbau funktioniert noch ganz gut, aber Mais wächst nur noch an wenigen Stellen. Der Ertrag ist winzig, er reicht vielleicht für zwei bis drei Mahlzeiten. Das liegt wohl auch daran, dass sich das Wetter hier verändert hat. Zur Zeit meiner Großeltern gab es hier keine Zyklone wie Idai. Und seit Idai hat es weitere Zyklone gegeben. Der Wind zerstört die Pflanzen und auch der Mangobaum trägt seitdem weniger Früchte. Nichts, was wir anbauen, wächst so gut wie früher.“
Traditioneller Anbau laugt den Boden aus
Entsprechend prekär ist die Ernährungslage nicht nur hier, sondern im gesamten Land. Laut dem Welternährungsprogramm sind etwa die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren mangelernährt. Und die Bevölkerung wächst weiter, um fast drei Prozent im Jahr.
Die traditionellen Anbaumethoden können die wachsende Nachfrage nicht decken – und sie tragen erheblich dazu bei, dass die Produktivität der Böden abnimmt. Wie in vielen Ländern im Süden Afrikas ist die sogenannte Slash-and-Burn-Methode verbreitet: Felder werden auf gerodeten Waldflächen angelegt und jedes Jahr vor der Aussaat abgebrannt, unter anderem, um sie von Unkraut zu befreien und Schlangen zu vertreiben. Es sei ein fataler Kreislauf, erklärt Umweltschützer Allan Schwarz.
„Die Kleinbauern roden ein Waldstück, um anzubauen, was sie zum Überleben brauchen. In Mosambik sind etwa 90 Prozent der Bevölkerung darauf angewiesen. Der Boden ist zunächst noch fruchtbar, aber der natürliche Kreislauf wird durch das Fällen der Bäume und die Feuer massiv gestört. In vier bis sechs Jahren sind die Böden ausgelaugt und die Leute roden ein neues Stück Wald. Es ist also eine sehr zerstörerische Art der Landwirtschaft. Etwa 40 Prozent des Waldverlusts gehen darauf zurück.“
Studien zufolge ist diese Art der Landwirtschaft in Mosambik sogar der Hauptgrund für die Abholzung. Dafür werden mehr Bäume gefällt als für die Herstellung von Holzkohle oder den Export.
Schrumpfender Wald verursacht extremes Wetter
Wie viel Wald Mosambik in den letzten Jahren insgesamt verloren hat, ist schwer zu beziffern – auch weil es keine aktuellen Erhebungen gibt. Laut Weltbank ist der Wald von 2003 bis 2013 jedes Jahr um eine Fläche geschrumpft, die der des Saarlandes entspricht. Und Wälder spielen eine wichtige Rolle beim Klimawandel. Mosambik gehört zu den Ländern der Welt, die am stärksten unter den Auswirkungen leiden; extreme Wetterphänomene werden häufiger. Es sei kein Zufall, dass das Hinterland der mosambikanischen Hafenstadt Beira nun immer öfter von Zyklonen zerstört wird, sagt Allan Schwarz.
„Riesige Waldflächen sind hier verschwunden, um Lebensmittel anzubauen und Energie zum Kochen zu gewinnen. Entsprechend verändern sich der Luftdruck und das regionale Klima. Der schwarze Boden der abgebrannten Flächen trägt außerdem dazu bei, dass die Temperaturen noch höher steigen. Die Richtung der Zyklone wird von den Luftdruckunterschieden zwischen dem Meer und dem Land bestimmt. Das heißt: Sie werden direkt in die Zonen gelenkt, in der die Umweltzerstörung am größten ist. Es ist also kein Wunder, dass Zyklone hier immer häufiger und stärker werden. Und zwar nicht wegen steigender CO2-Werte in der Atmosphäre, sondern wegen der massiven Abholzung in dieser Region.“
Bei der letzten Klimakonferenz in Glasgow stand die Abholzung der Wälder ganz oben auf der Tagesordnung. Auch die mosambikanische Regierung hat das Abkommen unterzeichnet, wonach die Zerstörung der Wälder bis 2030 gestoppt, rückgängig gemacht und eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume gefördert werden soll. Aber Allan Schwarz rechnet nicht damit, dass Mosambik dieses Ziel erreichen kann.
„Sie werden 2030 nur mit der Abholzung aufhören, weil es dann keine Bäume mehr gibt. Jedenfalls, wenn es weiterhin in dem Tempo vorangeht. Und auf eine Veränderung weist nichts hin. Diese Absichtserklärung hat nichts mit der Realität zu tun.“
Aufgeben ist keine Option
Aufgeben sei trotz dieser verheerenden Aussichten jedoch keine Option, sagt Schwarz, während er auf einem schmalen Weg durch seinen Wald geht. Hier, im „Mezimbite Forest Centre“, zeigt er Alternativen auf, die angesichts der komplexen Problemlage auch praktikabel sind. Im Mittelpunkt steht die Überzeugung, dass Wälder nur geschützt werden können, wenn sie für die Menschen vor Ort auch einen Wert haben. Sein Team stellt hier Baumöle, Seifen, Honig und Möbel her, die mehr Geld bringen als der Verkauf von Holzkohle. Um die jahrelange Durststrecke zu überbrücken, die der Wald braucht, um zu wachsen, und in der die Menschen sowohl ein Einkommen als auch Nahrung benötigen, verbindet Schwarz die Wiederaufforstung mit Landwirtschaft.
Am Ende des Pfades lichtet sich der Wald, die Landschaft weitet sich. Frauen arbeiten auf einem Feld, das sich schon auf den ersten Blick vom traditionellen Anbau unterscheidet. Der Boden ist nicht schwarz verbrannt, sondern von einer dicken Mulch-Schicht bedeckt. Zwischen Reihen von Hügelbeeten wachsen kleine Bäume. Der Umweltschützer stellt Frauen, die sich für diese als Agroforestry bekannte Methode interessieren, für ein Jahr ein.
„Im Lauf dieses Jahres lernen sie Schritt für Schritt, wie dieses nachhaltige landwirtschaftliche System funktioniert. Die Böden verlieren nicht an Fruchtbarkeit, die Erträge verbessern sich. Biomasse reichert sich an, Bodenmikroben siedeln sich an, die Feuchtigkeit in den Böden wird erhalten, die Biodiversität wird geschützt. Darüber halte ich keine Vorträge, das sehen die Frauen selbst. Am Ende des Jahres haben sie diese Techniken gelernt und außerdem etwas Geld verdient. Etwa ein Drittel von ihnen setzt dieses System dann auch zuhause auf ihren Felder um.“
In den letzten drei Jahren, seit Zyklon Idai, habe das Interesse an seiner Methode deutlich zugenommen, erzählt Schwarz. Denn während auf traditionell bewirtschafteten Feldern auch die letzte dünne Humusschicht weggeschwemmt wurde, wuchs zwischen den Bäumen in Mezimbite schon bald neues Gemüse. Und zwar so viel, dass man nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch tausende Schulkinder in der Umgebung monatelang ernährt hat. In der Nachbarschaft hat das einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Angesichts der massiven Zerstörung drumherum sind diese Fortschritte zwar klein, aber sie sind ein Hoffnungsschimmer.