Weder Wein noch Saft
Als Viez bezeichnet man im Moselfränkischen einen leicht säuerlichen Apfelwein. Der schmeckt aber nur, wenn er in einem Viezporz serviert wird - dem dazu passenden Trinkgefäß, das beinahe einer EU-Richtlinie zum Opfer gefallen wäre.
Alexander Bohr ist Schweinehalter, Ackerbauer und im Nebenerwerb Viez-Produzent. Üblicherweise keltert und verkauft er seinen Apfelwein in Welschbillig ab Hof, zehn Kilometer nördlich von Trier. An diesem regnerischen Vormittag hat er die Felder guten Gewissens sich selbst überlassen und seinen Viez-Probierstand im ehemaligen Karthäuserkloster von Konz zehn Kilometer südlich von Trier auf einem Regionalmarkt aufgebaut.
"Bedienen Sie sich ruhig!"
Im Publikum unter anderem Hoteliers und Gastwirte, die Alexander Bohr als Viez-Kunden gewinnen könnte. Er geht gleich auf einen Interessenten zu:
"Von wo sind Sie denn?"
"Traben-Trarbach. Ich überlege, ob ich's aufs Frühstücksbuffet stelle, damit die Leute schon glücklich sind, morgens bei 6,5."
Sechseinhalb Promille Alkohol. Alexander Bohr runzelt die Stirn.
"Also, zum Frühstück würde ich ihn noch nit hinstellen, den Viez."
"Birnensaft."
Die Viez-Tester sind durchaus kritisch
Birnen- oder Apfelsaft, vielleicht dann doch die bessere Frühstücksalternative, erwägt der Hotelier mit Blick auf Bohrs Sortiment. Die Viez-Tester auf dem Konzer Regionalmarkt sind durchaus kritisch. Konkurrierende Erzeuger sind darunter und Winzer, denen vor allem eines am Herzen liegt, die Mosel-Saar-Ruwer-Region als Weinland zu profilieren. Viez und Wein passen aber gut nebeneinander, beschwichtigt Mechthild Weis vom Hotel und Weingut Weis:
"Wir befassen uns mehr mit dem Wein, wir haben Riesling, wir sind im Ruwertal ansässig, Viez kennt man natürlich im Trierer Land, keine Frage. Ich weiß nicht, ob sie in Konkurrenz stehen sollten, das, denke ich, tun sie auch nicht. Die haben einen unterschiedlichen Anspruch."
Und wer den höheren hat, steht für die ehemalige Deutsche Weinkönigin wohl außer Frage. Das pralle Selbstbewusstsein einer edlen Winzerin, kein Problem für Viez-Erzeuger Alexander Bohr. Der lacht und übt sich in Demut:
"Ja, der Viez heißt ja nicht umsonst Viez, das ist der Vize Vinum, den haben die Römer ja mit an die Mosel gebracht."
Der Stellvertreterwein aus eher säuerlichem Streuobst wie dem Trierer Holzapfel.
"Der 'zweite Wein', der kann ja dann nit so teuer sein wie der erste Wein. Und früher die großen Weingüter, die haben ihren Wein nach Berlin verkauft und haben dann selber Viez getrunken, weil sie zu sparsam waren, ihren eigenen Wein zu trinken. In Trier selber, in der Stadt Trier ist Viez schon seit fuffzich Jahren ein Getränk, wat einfach mit dazu gehört. Et gab früher Kniepen, in denen wurde Viez angeboten zu sehr günstigen Preisen, und die Einheimischen haben sich ihr Brot mitgebracht, den Viez bestellt und haben ihr eigenes Brot zu der Porz Viez gegessen, und ne Porz Viez hat früher gekostet zwischen ner Mark und ner Mark zwanzisch, also war sehr günstig. Ist auch heute noch günstig, in Trier gibtt noch Kneipen, die verkaufen zurzeit ne Porz Viez für ein Euro sechzig, und ne Porz Viez sind 0,4 Liter."
Wenn man dem außen liegenden Eichstrich trauen darf. Für Brüsseler Eurokraten allerdings eine Zumutung. Dass eine EU-Richtlinie drohte, das weiße Porzellangefäß als moselländisches Kulturgut zu eliminieren, hat Porz und Viez erst überregional bekannt gemacht. Viez ohne Porz – geht gar nicht, meint Alexander Bohr.
"Der Vorteil von der Porz ist die Keramik, da bleibt er schön kühl drin."
Moselfränkisch:
"Puaz."
"Noch mal, bitte!"
Angesprochen ist Stephan Reuter, Leiter des Weinbauamts Wittlich. Der Mann von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz nimmt soeben einen Schluck aus der Porz.
"Puaz. Porz ist ja eigentlich die Verdeutschung eines moselfränkischen Begriffs."
Bohr: "Bei uns haben wir immer Porz gesagt ..."
... widerspricht der Viezmacher aus der Südeifel. Puaz also mehr an der Obermosel, Richtung Dreiländereck Deutschland-Luxemburg-Frankreich, Porz eher nördlich von Trier in der Südeifel. Daher kommen die Porzen übrigens auch.
"Gebrannt werden die Porzen in Speicher, das ist n kleiner Handwerkerbetrieb, mit drei Mann, der Meister seine Frau und nur ein Geselle. Die werden jede noch von Hand gefertigt."
Porzen - nur original mit Stempel
In der Kunstkeramischen Werkstatt Gebrüder Plein, die früher mal Spezialwerkstatt für Christuskörper aus feinem Porzellan war. Heute also keine Christuskörper, sondern weiße Henkelbecher in Einzelanfertigung.
"Von daher sind sie auch relativ teuer. Und da gab es dann den findigen Trierer Unternehmer, der hat dann welche in China fertigen lassen und gemeint, er könnte die dann sehr günstig auf den Markt werfen. Aber da haben die Kunden die Porz immer umgedreht und geguckt, ob der original Gebrüder-Plein-Stempel drauf ist, und da hat der arme Unternehmer seine ganzen Porzen nicht verkauft gekriegt."
Neben dem 0,4 Liter Becher gibt es inzwischen auch die 0,2 Damen-Porz und die Mini-Porz – nicht um den Nachwuchs mit sechsprozentigem Apfelwein abzufüllen, sondern als Schnaps-Porz für den Viez-Brand. Und was ist nun das Geschmacksgeheimnis des fein säuerlichen Apfelweins aus der Trierer Region? Stephan Reuter, promovierter Weinbaumtsleiter, nippt an der Porz und zeigt sich als Kenner.
"Aus leckerem Tafelobst macht man nicht unbedingt den besten Viez, aus Tafeltrauben wird auch kein gescheiter Wein. Aber Äpfel, die oft zum Verzehr viel zu herb sind – bitter – geben einen hervorragenden Viez. Viez ist sehr erfrischend, der hat so eine schöne herbe Note im Abgang. Das sagt nicht jedem zu, aber diese leichte Bitternis von den Tanninen, also ich find's fantastisch. Je nach Apfelsorte oder auch Birnensorte enthalten gerade die Früchte, die man für die Viez-Produktion nimmt, Tannine, ähnlich wie bei Trauben, wie beim Wein, und die geben dem Getränk Körper, aber auch den erfrischenden Charakter."