Moshe Zimmermann: Neue Regierung in Israel ist nicht offener
Wenn Obama bei seiner Israel-Reise erreichen könnte, dass Israelis und Palästinenser Gesprächsbereitschaft zumindest signalisierten, sei das schon sehr viel, sagt der Historiker Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem.
Jörg Degenhardt: Als Senator war er mal da, in seiner ersten Amtszeit als Präsident nicht. Jetzt hat er das gewissermaßen nachgeholt, was viele politische Beobachter schon viel früher erwartet hatten: Barack Obama in Israel. Überwiegend freundliche Töne dort - beim Abstecher nach Ramallah zu den Palästinensern ging es deutlich kühler zu.
Die Nahost-Reise des amerikanischen Präsidenten, des Friedensnobelpreisträgers – was war sie am Ende? Ein bisschen Wiedergutmachung für die Israelis? Ein bisschen Hoffnung für die, die noch an den Nahost-Friedensprozess glauben? Darüber möchte ich reden mit Moshe Zimmermann, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Guten Morgen, Herr Zimmermann!
Moshe Zimmermann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Obama will im Nahen Osten bald Bewegung in Richtung Frieden sehen, das hat er gestern auch noch mal vor jungen Leuten klar und deutlich und unter viel Beifall gesagt. Was oder wie viel hat er denn selbst auf seiner Reise zu dieser Bewegung beigetragen?
Zimmermann: Ich würde sagen, der Präsident in Israel zusammen mit seinem Außenminister hat schon seine Wirkung. Da muss sich etwas bewegen, und man dürfte erwarten, dass heute irgendwo er auch mal sagt: Ja, beide Seiten, sowohl Netanjahu als auch Abbas, signalisierten ihre Bereitschaft, die Gespräche miteinander wieder aufzunehmen. Das kann er bewirken, das ist das Maximum, was er hier erreichen kann. Mehr – einen richtigen Durchbruch und ein Friedensabkommen – kann er selbstverständlich nicht jetzt erzielen.
Degenhardt: Ich fand es auffällig, dass er den Siedlungsbau, besser, dessen Einstellung, nicht mehr als Bedingung gesetzt hat für weitere Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern. Hat er da möglicherweise einen Fehler wieder gutgemacht aus der Vergangenheit?
Zimmermann: Das kann man nicht als Fehler bezeichnen, aber das ist ein Hindernis auf dem Weg zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen. Die Palästinenser beharren – meines Erachtens zu Recht – darauf, dass Israel zuerst die Siedlungspolitik einstellt, um dann diese Gespräche führen zu können. Aber das benutzt Israel immer als Vorwand, um nicht diese Gespräche anzufangen. Und deswegen versucht Obama, das zu überwinden. Auf der anderen Seite, muss man sich merken, hat er die Siedlungen und die Siedlungspolitik sehr konkret und sehr direkt attackiert in dieser Rede in Jerusalem vor den Studenten. Also so etwas haben wir bisher von einem amerikanischen Präsidenten noch nicht gehört, eben, dass die Siedlungen die Sicherheit Israels nicht fördern, sondern umgekehrt die Sicherheit gefährden.
Degenhardt: Reden ist bekanntlich Silber, Handeln wäre in diesem Fall Gold. Sollte Israel beziehungsweise sollte Washington nicht vielleicht als Freund ein bisschen mehr Druck auch auf diese neue Regierung Netanjahu ausüben, dass sich vielleicht etwas mehr bewegt als in der Vergangenheit in Sachen Nahost-Friedensprozess? Denn diese Koalition, die neue, die ja gerade erst im Amt ist, die gerade erst vereidigt wurde in der letzten Woche, die bietet ja vielleicht mehr Möglichkeiten als ihre Vorgängerin.
Zimmermann: Also zuerst muss man sagen: Druck woher und auf welche Art? Es ist schwierig für Amerika, auf Israel Druck auszuüben. Das Problem ist, dass Israel hartnäckig ist und auch die amerikanische Öffentlichkeit nicht besonders bereit ist, Druck vonseiten der Regierung zu unterstützen. Das ist zum einen, und zum Zweiten: Es ist eine Illusion, dass diese neue Regierung in Israel offener ist als die frühere. Das ist eine radikal rechte, nationalistische Regierung.
In dieser Regierung sitzt nicht nur eine Likuds-Partei, die noch mehr nach rechts rückte als beim letzten Mal, sondern auch eine Partei – die Jüdische Heimat oder das Jüdische Heim, Habait Jehudi, mit zwölf Sitzen in der Knesset –, die eindeutig rechtsradikal ist.
Also mit dieser Regierung Bewegung zu schaffen, ist sehr schwierig. Zwar gibt es dort auch eine Partei, relativ große Partei, die Zukunftspartei, die wäre vielleicht etwas flexibler, aber sie reicht nicht aus, um eine neue Politik einzuleiten, und deswegen ist eher zu erwarten, dass es beim Alten bleibt oder, wenn es nicht beim Alten bleibt, dass es wieder zu einer Regierungskrise führt. Also so leicht ist es nicht. Und deswegen ist der Ruf nach mehr Druck auch nicht mehr als leere Worte.
Degenhardt: Ich habe das nur gefragt: Mit Herrn Clinton beispielsweise verbinden wir Camp David, mit Bush vielleicht noch die Konferenz in Annapolis – müsste Obama nicht dann auch mal einen großen Wurf wagen, um diese Zwei-Staaten-Lösung nicht sterben zu lassen?
Zimmermann: Das wird er wahrscheinlich auch versuchen, nur weiß er Bescheid, dass sowohl Clinton als auch Bush scheiterten, also nichts kam voran, die Friedensgespräche stocken seit mehr als zehn Jahren. Die Vereinbarung und das Abkommen von Oslo aus dem Jahre 93 – das sind schon 20 Jahre her – ist praktisch tot, obwohl man sich bemüht hat.
Also Obama ist wahrscheinlich realistisch genug, um zu wissen: Nur eine Konferenz in den USA zu organisieren, schafft noch nicht den Durchbruch. Und deswegen versucht er jetzt mithilfe eines sogenannten israelischen Frühlings etwas anzufangen. Seine Rede an die junge Generation war ein Versuch, die israelische Regierung praktisch umzugehen. Also er ruft die Jugend auf, Druck auszuüben. Nicht Amerika soll Druck ausüben, sondern die Jugend in Israel, die dann verstehen sollte, dass es nicht über die Siedlungspolitik zum Frieden geht, sondern eben gegen die Siedlungspolitik zum Frieden führen kann.
Degenhardt: Der Historiker Moshe Zimmermann zum Obama-Besuch in Israel. Herr Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch!
Zimmermann: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Nahost-Reise des amerikanischen Präsidenten, des Friedensnobelpreisträgers – was war sie am Ende? Ein bisschen Wiedergutmachung für die Israelis? Ein bisschen Hoffnung für die, die noch an den Nahost-Friedensprozess glauben? Darüber möchte ich reden mit Moshe Zimmermann, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Guten Morgen, Herr Zimmermann!
Moshe Zimmermann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Obama will im Nahen Osten bald Bewegung in Richtung Frieden sehen, das hat er gestern auch noch mal vor jungen Leuten klar und deutlich und unter viel Beifall gesagt. Was oder wie viel hat er denn selbst auf seiner Reise zu dieser Bewegung beigetragen?
Zimmermann: Ich würde sagen, der Präsident in Israel zusammen mit seinem Außenminister hat schon seine Wirkung. Da muss sich etwas bewegen, und man dürfte erwarten, dass heute irgendwo er auch mal sagt: Ja, beide Seiten, sowohl Netanjahu als auch Abbas, signalisierten ihre Bereitschaft, die Gespräche miteinander wieder aufzunehmen. Das kann er bewirken, das ist das Maximum, was er hier erreichen kann. Mehr – einen richtigen Durchbruch und ein Friedensabkommen – kann er selbstverständlich nicht jetzt erzielen.
Degenhardt: Ich fand es auffällig, dass er den Siedlungsbau, besser, dessen Einstellung, nicht mehr als Bedingung gesetzt hat für weitere Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern. Hat er da möglicherweise einen Fehler wieder gutgemacht aus der Vergangenheit?
Zimmermann: Das kann man nicht als Fehler bezeichnen, aber das ist ein Hindernis auf dem Weg zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen. Die Palästinenser beharren – meines Erachtens zu Recht – darauf, dass Israel zuerst die Siedlungspolitik einstellt, um dann diese Gespräche führen zu können. Aber das benutzt Israel immer als Vorwand, um nicht diese Gespräche anzufangen. Und deswegen versucht Obama, das zu überwinden. Auf der anderen Seite, muss man sich merken, hat er die Siedlungen und die Siedlungspolitik sehr konkret und sehr direkt attackiert in dieser Rede in Jerusalem vor den Studenten. Also so etwas haben wir bisher von einem amerikanischen Präsidenten noch nicht gehört, eben, dass die Siedlungen die Sicherheit Israels nicht fördern, sondern umgekehrt die Sicherheit gefährden.
Degenhardt: Reden ist bekanntlich Silber, Handeln wäre in diesem Fall Gold. Sollte Israel beziehungsweise sollte Washington nicht vielleicht als Freund ein bisschen mehr Druck auch auf diese neue Regierung Netanjahu ausüben, dass sich vielleicht etwas mehr bewegt als in der Vergangenheit in Sachen Nahost-Friedensprozess? Denn diese Koalition, die neue, die ja gerade erst im Amt ist, die gerade erst vereidigt wurde in der letzten Woche, die bietet ja vielleicht mehr Möglichkeiten als ihre Vorgängerin.
Zimmermann: Also zuerst muss man sagen: Druck woher und auf welche Art? Es ist schwierig für Amerika, auf Israel Druck auszuüben. Das Problem ist, dass Israel hartnäckig ist und auch die amerikanische Öffentlichkeit nicht besonders bereit ist, Druck vonseiten der Regierung zu unterstützen. Das ist zum einen, und zum Zweiten: Es ist eine Illusion, dass diese neue Regierung in Israel offener ist als die frühere. Das ist eine radikal rechte, nationalistische Regierung.
In dieser Regierung sitzt nicht nur eine Likuds-Partei, die noch mehr nach rechts rückte als beim letzten Mal, sondern auch eine Partei – die Jüdische Heimat oder das Jüdische Heim, Habait Jehudi, mit zwölf Sitzen in der Knesset –, die eindeutig rechtsradikal ist.
Also mit dieser Regierung Bewegung zu schaffen, ist sehr schwierig. Zwar gibt es dort auch eine Partei, relativ große Partei, die Zukunftspartei, die wäre vielleicht etwas flexibler, aber sie reicht nicht aus, um eine neue Politik einzuleiten, und deswegen ist eher zu erwarten, dass es beim Alten bleibt oder, wenn es nicht beim Alten bleibt, dass es wieder zu einer Regierungskrise führt. Also so leicht ist es nicht. Und deswegen ist der Ruf nach mehr Druck auch nicht mehr als leere Worte.
Degenhardt: Ich habe das nur gefragt: Mit Herrn Clinton beispielsweise verbinden wir Camp David, mit Bush vielleicht noch die Konferenz in Annapolis – müsste Obama nicht dann auch mal einen großen Wurf wagen, um diese Zwei-Staaten-Lösung nicht sterben zu lassen?
Zimmermann: Das wird er wahrscheinlich auch versuchen, nur weiß er Bescheid, dass sowohl Clinton als auch Bush scheiterten, also nichts kam voran, die Friedensgespräche stocken seit mehr als zehn Jahren. Die Vereinbarung und das Abkommen von Oslo aus dem Jahre 93 – das sind schon 20 Jahre her – ist praktisch tot, obwohl man sich bemüht hat.
Also Obama ist wahrscheinlich realistisch genug, um zu wissen: Nur eine Konferenz in den USA zu organisieren, schafft noch nicht den Durchbruch. Und deswegen versucht er jetzt mithilfe eines sogenannten israelischen Frühlings etwas anzufangen. Seine Rede an die junge Generation war ein Versuch, die israelische Regierung praktisch umzugehen. Also er ruft die Jugend auf, Druck auszuüben. Nicht Amerika soll Druck ausüben, sondern die Jugend in Israel, die dann verstehen sollte, dass es nicht über die Siedlungspolitik zum Frieden geht, sondern eben gegen die Siedlungspolitik zum Frieden führen kann.
Degenhardt: Der Historiker Moshe Zimmermann zum Obama-Besuch in Israel. Herr Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch!
Zimmermann: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.