Moskau! Moskau! - Russland ist kein freies Land!!

Es sollte eigentlich ein nettes Fest werden. Der Eurovision Song Contest in Moskau.
Es sollte eigentlich ein nettes Fest werden. Der Eurovision Song Contest in Moskau. Doch Bereitschaftspolizisten der berühmt-berüchtigten Sondereinheit Omon lösten am Sonnabend kurz vor dem Schlagerwettbewerb eine Schwulen-Demonstration in der russischen Hauptstat auf und verhafteten viele Aktivisten. "Es gibt keine Freiheit für Schwule in Russland", rief der britische Homosexuellenrechtler Peter Tatchell, als er abgeführt wurde. Er forderte den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zu einem Treffen auf. Tatchell wurdeein paar Stunden später wieder freigelassen. Unterschiedliche Angaben gab es über die Zahl der Festgenommenen. Während ein Polizeisprecher von etwa 40 Festnahmen sprach, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Polizeikreise von der doppelten Anzahl.
Der diesjährige Umzug der Homosexuellen fiel mit dem Europäischen Schlagerwettbewerb zusammen. "Ich bin von der brutalen Art und Weise, mit der diese Demonstration aufgelöst wurde, schockiert", sagte die 30-jährige PR-Managerin Irina Fjet. Sie hatte vergangene Woche versucht, ihre Partnerin zu heiraten. Ihr Heiratswunsch wurde abgelehnt. "Wir können nicht länger schweigen", fügte sie hinzu.
Homosexualität ist in Russland seit 1993 nicht mehr strafbar, sie wird gesellschaftlich aber kaum geduldet. Russische Homosexuelle beklagen, dass die Vorurteile in der russischen Gesellschaft tief verankert sind und vergleichen ihre Lage mit der von Schwulen Anfang des 20. Jahrhunderts im Westen. "Was wir heute erlebt haben, zeigt, wie wenig sich Russland bewegt hat, wenn es um die Wahrung der Menschenrechte geht", sagte Anführer der russischen Schwulenbewegung Nikolai Alexejew. Er rief die Teilnehmer des Songcontest auf, die Polizeiaktion von der Bühne aus zu verurteilen.
Der Gewinner des Wettbewerbs, der Norweger Alexander Rybak, sagte bei der Pressekonferenz: "Warum verschwenden sie (die Polizei) ihre Energie darauf, Schwule in Moskau aufzuhalten, wenn die größte Schwulenparade heute Abend hier stattfand?"
Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, nannte "das Verbot des Gay Pride durch die Stadt Moskau und die Verhaftung friedlicher Demonstranten, die ihre Menschenrechte wahrnehmen", einen "Skandal". Beck selbst war 2006 und 2007 gemeinsam mit anderen internationalen Schwulen-Aktivisten in Moskau vorübergehend festgenommen worden. Vor drei Jahren wurde er dabei von Neonazis angegriffen und verletzt.
Stefan Niggemeier schreibt in seinem blog: Das meiste, was gestern beim Grand Prix zu sehen war, wird natürlich schnell wieder vergessen sein. Ich fänd's schön, wenn der Auftritt von Wladimir Kaminer in der Countdown-Sendung der ARD nicht dazu gehört und ihn noch eine Weile verfolgt:
Angesichts solcher Berichte aus Moskau zu formulieren: "Die Russen sind nicht schwulenfeindlich, sie sind schwulenfreundlich, sie zeigen es nur nicht", ist schon von ausgesuchter Ekelhaftigkeit.
Dass die Funktionäre der veranstaltenden European Broadcasting Union keine Veranlassung sahen, ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Menschenrechte zu setzen — und sei es nur aus Solidarität mit ihrer treuesten Zuschauerschaft — kann niemanden überraschen. Dass niemand während der Show auch nur einen winzigen, ansteckergroßen, regenbogenfarbenen Protest wagte, muss man womöglich auch hinnehmen. Aber dass ein Wladimir Kaminer von Hamburg aus nachtritt und die Opfer verhöhnt — das ist das Letzte.
Foto: tellmewhat2/flickr/cc