Dominik H. Enste ist Professor für Wirtschaftsethik und Institutionenökonomik an der TH Köln, Geschäftsführer der IW Akademie GmbH und Kompetenzfeldleiter im Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Er hat über 30 Bücher (u.a. „‘Glück für alle?‘ – Eine interdisziplinäre Bilanz der Lebenszufriedenheit“) und mehr als 100 Artikel zu wirtschaftsethischen und -psychologischen Themen wie Wirtschaftsethik, Vertrauen, Führung und Freiheit verfasst.
Mitarbeitermotivation
Der Mitarbeiter muss als Mensch und nicht Kostenfaktor wahrgenommen und dementsprechend behandelt werden, sagt Dominik Enste. © imago / Ikon Images / Nick Shepherd
Wertschätzung wirkt besser als Geld
Viele Unternehmen leiden unter Personalmangel. Und der Schock ist groß, wenn gute Kräfte plötzlich kündigen. Anreize für Mitarbeitende zu schaffen, wird immer wichtiger, weiß der Wirtschaftsethiker Dominik Enste. Mehr Geld reicht da nicht.
Wie motiviere ich meine Mitarbeiter? Die häufigste Antwort ist: mit Geld. Denn wer sich unfair entlohnt oder gar ausgebeutet fühlt, ist unmotiviert, kündigt zumindest innerlich oder verlässt das Unternehmen.
Gerade Großunternehmen verwenden viel Mühe darauf, ihre Vergütungssysteme zu optimieren: Zusätzliche Anreize in Form von individuellen Bonifikationen sollen zu Höchstleistungen motivieren. Vernachlässigt wird dabei aber, wie solche Gratifikationen auf diejenigen wirken, die sie nicht erhalten.
Außerdem gewöhnen sich Menschen schnell an solche Belohnungen. Wenn die Zahlung im nächsten Jahr dann wegfällt, demotiviert dies mehr als doppelt so stark, wie es zuvor motiviert hat – wie verhaltensökonomische Studien zeigen. Und Menschen gehen höhere Risiken ein, um den drohenden Verlust einer Prämie zu vermeiden. Dies kann – wie in der Finanzindustrie – zu Reputations- und Vertrauensverlusten sowie Milliardenschäden für die Unternehmen führen.
Mehr Geld kann Motivation verringern
Statt individueller Prämien setzen fortschrittliche Unternehmen vermehrt auf Teamprämien, um zumindest die Kooperation zwischen den Mitarbeitenden durch Einzelkämpfer nicht zu gefährden. Allerdings sorgen Trittbrettfahrer für Probleme, wenn sie sich nicht am Erreichen der Teamziele beteiligen, aber von der Prämie profitieren.
Aber Geld kann die individuelle Motivation sogar verringern. Dieser Effekt wird als „Crowding-Out-“ oder Verdrängungseffekt beschrieben. Ich selbst habe dies bei meinem eigenen Sohn erlebt. Für ihn war es das Schönste, mir beim Rasenmähen zu helfen. Als er die Rasenkanten einmal besonders sorgfältig geschnitten hatte, habe ich ihm als Belohnung 5 Euro gegeben. Seitdem hat er immer wieder auf Bezahlung bestanden. Seine intrinsische Motivation wurde durch die extrinsische Motivation verdrängt - ein häufiges Phänomen.
Die gut gemeinten steuerfreien Corona-Prämien in Höhe von 1500 Euro sind bei besonderes Betroffenen im Gesundheitswesen nicht als Wertschätzung angekommen, weil sie im Vergleich zum persönlichen Engagement als zu gering empfunden wurden. Mehr Motivation durch mehr Geld: Diese Formel ist offensichtlich zu einfach.
Wertschöpfung durch Wertschätzung
Wichtiger als mehr Geld ist in einem Arbeitsumfeld zu arbeiten, das nicht durch Dysfunktionalitäten, Verantwortungsdiffusion, schlechte Arbeitsorganisation, Doppelarbeiten, überflüssige Bürokratie oder strenge Kontrollen geprägt ist. Tatsächlich lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ein hohes Maß an Autonomie, eine gelebte Vertrauenskultur, das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun und vor allem die Wertschätzung durch ihre Führungskräfte dauerhaft motivieren, mehr zu leisten.
Die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden können Führungskräfte – wie unsere Studien der IW Akademie zeigen – bereits durch gelegentliche Unterstützung um ein Drittel erhöhen. Die kann sich durch ein persönliches Lob, Zuhören können oder schon die zeitnahe Reaktion auf einen Vorschlag zeigen.
Mitarbeiter wollen vor allem Respekt
Der Mitarbeiter muss als Mensch und nicht Kostenfaktor wahrgenommen und dementsprechend behandelt werden. Dies kann sogar mit Kontrolle einhergehen, aber mit wertschätzender Kontrolle.
In der Schule hat mein Vater immer die Hausaufgaben am Morgen kontrolliert und gegebenenfalls Fehler korrigiert. Dadurch hat er gezeigt, dass ihm die Aufgabe und der jeder einzelne Schüler wichtig sind.
In Teambesprechungen, beim Kaffee oder im Feedbackgespräch können auch Führungskräfte diesen Respekt signalisieren – wenn sie sich genug Zeit für Führung nehmen. So sind Mitarbeitende auch in Krisenzeiten gut zu motivieren: Rund 90 Prozent der Beschäftigten sind unter solchen Bedingungen mit ihrer Arbeit zufrieden bzw. sogar sehr zufrieden.