Der Mythos des abgebrochenen Hillary Step
Es war wohl das Erdbeben in Nepal 2015 das den Mount Everest eine berühmte Felsstufe kostete. Extrembergsteiger Hans Kammerlander spricht über den Mythos rund um den legendären Hillary Step und verweist darauf, dass Berge sich ständig verändern.
Den Hillary Step, die berühmte Felsstufe am Mount Everst umgab ein Bergsteiger-Mythos. Das er nun abgebrochen ist, sieht der Extrembergsteiger Hans Kammerland sehr gelassen. "Der Berg ist gleich geblieben", sagte Kammerlander im Deutschlandfunk Kultur. " Der Everest steht noch. Nur diese markante Stelle ist ein bisschen anders geworden." Es gebe in den Bergen immer wieder Veränderungen.
Der Südtiroler zählt zu den bekanntesten Extrembergsteigern der Welt und hat zusammen mit Reinhold Messner sieben Achttausender bezwungen. Den Mount Everest hat Kammerlander über die Nordseite bestiegen und nicht über den Hillary Step, der auf der Südseite lag.
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es war wohl das Erdbeben in Nepal von 2015, das dazu geführt hat, dass der Hillary Step, die berühmte Felsstufe am Mount Everest abgebrochen ist. Sie prangte kurz unter dem Gipfel und galt als besonders herausfordernd, weil steil und schwer zu überwinden. Ein britischer Bergsteiger hat nun festgestellt, dass diese Felsstufe verschwunden ist. Was das bedeutet, das will ich jetzt von Hans Kammerlander wissen. Er ist Südtiroler, zählt zu den bekanntesten Extrembergsteigern der Welt, hat zusammen mit Reinhold Messner sieben Achttausender bezwungen, auch den Mount Everest, wenn auch nicht über den Hillary Step, der liegt nämlich auf der Südseite, und er ist von der Spitze des Berges mit Skiern runtergefahren. Schönen guten Morgen, Herr Kammerlander!
Hans Kammerlander: Guten Morgen!
Billerbeck: Beschreiben Sie uns doch mal bitte diese Spitze, diese Zacke, den Hillary Step. Wie sah sie aus?
Kammerlander: Ja, das war eigentlich – weil der Everest selber technisch nicht schwer ist –, das war eine besonders steile Stufe, eigentlich die Schlüsselstelle, wie man sagen kann, obwohl eigentlich für einen guten Kletterer war sie nicht ein großes Problem. Da muss man rüber, das ist eigentlich diese Stelle, die zu überwinden ist. Der Rest bis zum Gipfel ist kein Problem.
Billerbeck: Klingt, als ob das geradezu nix ist, auf so einen Achttausender zu kommen. Woher hat sie denn eigentlich ihren Namen, Hillary Step?
Kammerlander: Natürlich, die Stelle ist benannt nach dem Erstbesteiger, Edmund Hillary, eine ganz große Persönlichkeit. Aber das ist oft so, auch bei normalen Klettertouren, wenn eine besonders schwere Stelle irgendwo ist, egal, ob es der Quergang an der Eiger-Nordwand ist, die werden benannt nach dem, der sie erstmals überwunden hat.
Der Berg ist gleich geblieben
Billerbeck: Warum ist diese Felsstufe, der Hillary Step, so zum Mythos geworden?
Kammerlander: Ich glaube schon, das sagen zu können: am Everest bewegen sich, vor allem in den letzten Jahren, sehr, sehr viele Alpinisten, zum Teil müssen die gar nicht so technisch gut drauf sein. Der Berg ist ja jedes Jahr sehr präpariert mit Fixzeilen, und für die Leute ist natürlich diese Steilstufe eine große Herausforderung. Aber es hat sich nicht allzu viel verändert. Es hat sich ein bisschen geändert, aber in wenigen Jahren wird es wieder ganz normal sein, weil es werden ja sowieso jedes Jahr Fixseile verankert. Also der Berg hat sich … Der Berg ist gleich geblieben. Der Everest steht noch. Nur diese markante Stelle ist ein bisschen anders geworden.
Billerbeck: In einer Meldung, die ich gelesen habe, da steht, es werde schwierig werden, da Seile anzubringen. Glauben Sie das auch?
Kammerlander: Nein. Nein, nein. Wenn ein guter Kletterer hingeht, der geht links oder rechts vorbei an diesem Abbruch, an diesem Ausbruch, und wenn das Seil einmal fixiert ist, das bleibt dann drin, und wenn es wirklich ein paar Meter, zehn Meter, richtig steil geworden ist, was ich nicht ganz glaube, dann hängt man halt eine Strickleiter rein und das passt. Also der Ansturm auf den Everest wird sich durch diesen Ausbruch nicht allzu viel verändern.
Billerbeck: Sie haben ja – das habe ich am Anfang schon gesagt – den Mount Everest selbst bestiegen, haben aber den Weg über die raue Nordwand gewählt und sind nicht über die Südseite hoch. Also jetzt können Sie auch nicht mehr über den Hillary Step klettern. Bedauern Sie das?
Kammerlander: Eigentlich nicht so, weil ich kenne so viele Berge, und ich habe jetzt auch in meinen Kletterjahren viele Felsrouten erlebt, die sich verändert haben. Ich habe zum Beispiel in den Dolomiten ganz schwere Erstbegehungen gemacht vor 20 Jahren. Wenige Jahre danach ist die schönste Seillänge, was die Schlüsselstelle dieser Route war, rausgebrochen, runtergeflogen. Also der Berg bewegt sich, ein bisschen durch den Frost. Natürlich das Erdbeben in Nepal hat die ganzen Berge ein bisschen durchgerüttelt, aber an sich verändern sich die Berge ja ständig.
Billerbeck: Trotzdem ist das ja offenbar so eine mythische Stelle gewesen, –
Kammerlander: Ja.
Veränderungen im Eisbruch
Billerbeck: – dieser Hillary Step. Sie sagen, der Berg verändert sich immer, und eigentlich ist er gar nicht anders, weil er immer in Bewegung ist. Trotzdem, da fehlt ja nun ein markantes Stück.
Kammerlander: Das schon. Das kleine markante Stück fehlt, obwohl der erste Teil am Everest, der ganz weltbekannte Khumbu-Eisbruch auf der Normalroute vom Süden hoch, das ist eine riesige, fließende Gletschermasse, und dieser Eisbruch, der verändert sich brutal markant jedes Jahr. Das sind so Veränderungen, und oben haben sich jetzt diese zehn, zwölf Meter verändert, aber an sich ist das …
Das haben vielleicht jetzt die Kletterer, die dort waren, ein bisschen so rübergebracht, aber ich glaube, der Berg hat sich so minimal verändert, dass man da eigentlich wenig davon sieht. Also der Berg wird gleich bleiben. Ich möchte nur nicht den Teufel an die Wand malen, aber es ist eigentlich normal, dass immer wieder ein Stück Stein runterfliegt in den Bergen.
Restrisiko am Berg
Billerbeck: Kann man sich als Bergsteiger eigentlich auf sowas vorbereiten und Warnzeichen erkennen?
Kammerlander: Glaube ich nicht, nein. Glaube ich nicht.
Billerbeck: Selbst als erfahrener Bergsteiger, wie Sie einer sind.
Kammerlander: Nein, das glaube ich nicht, weil man kann in den Bergen nicht hineinsehen. Das ist immer so. Das ist, glaube ich, so das Restrisiko am Berg. Auch wenn jemand noch so vorsichtig unterwegs ist, ist er nie sicher, ob er nicht von oben plötzlich einen Steinschlag zu erwarten hat. Das Restrisiko wird bleiben. Das macht auch die Berge so interessant.
Billerbeck: Der Extrembergsteiger Hans Kammerlander war das, über den Hillary Step, die abgebrochene Zacke, die dem Mount Everest jetzt fehlt. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kammerlander: Ganz gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.