Ansturm auf den Mount Everest
Vor allem in der Frühjahrssaison gibt es am Mount Everest Schlangen von Bergsteigern. © dpa / picture alliance / AP / Adrian Ballinger
Der Berg der Berge
06:50 Minuten
Bergsteigen hat sich zu einer Mischung aus Hochleistungssport und Massentourismus entwickelt. Da sind einerseits sportliche Herausforderungen, andererseits aber auch verstörende Bilder langer Schlangen von Bergsteigern – so auch am Mount Everest.
Billi Bierling ist Höhenbergsteigerin und lebt seit 18 Jahren in Nepal. Außerdem interviewt sie als Leiterin der Himalayan Database, also der offiziellen Bergsteigerchronik, die Achttausender-Besteiger, die nach Nepal kommen. Die Gründe, den Mount Everest zu besteigen, sind so vielfältig wie die Alpinisten.
"Der eine will sich profilieren, der andere macht’s für seine verstorbene Frau oder erfüllt sich einen Kindheitstraum – die Faszination ist einfach der höchste Berg der Welt", sagt Bierling.
Der Superlativ wirkt. Aus aller Herren Länder reisen die Aspiranten für den Everest-Gipfel an. Das Basislager in 5300 Meter Höhe wirkt wie eine trubelige bunte Stadt aus gelben und orangefarbenen Zelten.
Rekordjahr bei Gipfelgenehmigungen
Das vergangene Jahr galt mit mehr als 400 ausgestellten Gipfelgenehmigungen als Rekordjahr. Rund 10.000 Dollar verlangt die nepalesische Regierung pro Person für die Erlaubnis. Das sind wichtige Einnahmen für eines der ärmsten Länder der Erde. Die jetzige Saison hat im April eben erst begonnen.
Am Everest geht es nur um das eine: den Gipfel. Den verehrten viele Einheimische einst als Sitz der Götter. Aber der höchste Berg lässt sich einfach zu gut vermarkten. Als Expeditionsveranstalter sind nicht nur Amerikaner, Neuseeländer oder Europäer tätig, sondern mittlerweile auch professionell arbeitende Sherpa. Für eine Everest-Expedition muss man so viel wie für ein Auto rechnen, manchmal auch mehr.
"Da kann man den Everest für 35.000 bis 40.000 besteigen. Wenn man ihn innerhalb von zwei bis drei Wochen besteigen möchte, gibt es Anbieter von Flash-Expeditionen. Da kann so eine Expedition auch 100.000 kosten", sagt die Höhenbergsteigerin Bierling.
Dollar wohlgemerkt. Die gebürtige Garmischerin Billi Bierling, die 2007 auf dem Dach der Welt stand, könnte es sich heute nicht mehr leisten, sagt sie.
Kommerzielle Expeditionen verkaufen nicht nur Luxus am Berg, sondern auch Sicherheit. Vom Basislager bis zum 8848 Meter hohen Gipfel gibt es eine durchgehende Seilversicherung.
„Das ist im Prinzip wie ein Treppengeländer, nur dass das am Berg angebracht wird - und es gibt alle paar Meter einen Fixpunkt, wo man das Seil einhängt“, erklärt Höhenbergsteiger Günther Härter.
Tragische Unglücksfälle
Für Günther Härter ist das kommerzialisierte Erlebnis heutzutage am Mount Everest nur ein reduziertes, ein halbes Abenteuer. Es entfallen die Wochen der Annäherung an den Berg und die Kultur im Himalaya sowie das selbstverantwortliche Spuren und Sichern. Die hohe Zahl der Gipfel-Aspiranten bringt zwar Devisen, aber auch negative Seiten mit sich.
„Selbstverständlich eine hohe Belastung der Natur um das Basislager des Mount Everest und entlang der Route“, sagt Härter.
Seiner Meinung nach sollte man die Frühjahrssaison mit ihren Menschenschlangen und Staus an kritischen Stellen entzerren und dafür mehrere Expeditionen auf den Herbst schieben.
Billi Bierling, die zurzeit am Achttausender Dhaulagiri unterwegs ist, stellt fest, dass der Everest im Laufe der Jahrzehnte nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat.
Der Mythos macht’s – und der ist nicht zu zerstören. Auch nicht durch tragische Unglücksfälle: 300 Menschen sollen bisher ums Leben gekommen sein. Und Schlagzeilen wie „Der Weg auf das Dach der Welt führt über Leichen und Müll“ haben der Strahlkraft des Gipfels nicht geschadet. Der Everest bleibt der Berg der Berge.