Mozart-Glück in Bremen

Von Jörn Florian Fuchs |
Neben einer Bar und einem Pelzladen kommen zwei eifrig benutzte Schlafzimmer und eine Partygarage zum Einsatz. Eine Fülle szenischer Gags sowie eine sanfte Prise Ironie durchziehen die brillante Inszenierung von Mozarts Oper "Don Giovanni" von Andrea Moses.
Am Anfang sehen wir eine blank geputzte Bar, darin ein paar gestylte Männer: weißer oder schwarzer Anzug, zurückgekämmtes Haar, Typ Goldkettchenträger. Während Giovanni einen Drink nach dem anderen herunterkippt, telefoniert Leporello eifrig, er ist auf der Suche nach einem neuen Dienstherrn. Denn Giovannis ewige Lebens- und Liebesprobleme gehen dem selber recht Frauen affinen gewaltig auf die Nerven.

Szenenwechsel. Als die hübsch bestrapste Donna Anna sich wenig später aus Giovannis Umarmungen befreit, weil ihr Vater hereinplatzt, geschieht ein Unglück. Der Vater, alias Komtur, erleidet ob des heftigen Trubels eine Herzattacke, merkwürdigerweise blutet er aber auch. Genau bei dieser Figur liegt das Problem von Andrea Moses' ansonsten brillanter Mozart-Inszenierung. Der Komtur spielte seinen Tod nur und taucht am Ende als Rächer im schmuddeligen Bademantel auf, der Giovanni solange ablenkt, bis Leporello seinen Herrn erschießt. Worauf sich alle lachend um den vermeintlich Toten scharen, während dieser wiederum ins Publikum grinst. Das ist der einzige banale Wermutstropfen in einer ansonsten bis ins kleinste Detail stimmigen und stimmungsvollen Regiearbeit. Mit viel Tempo, gelungenen Tanzeinlagen und einem exquisiten Ensemble gelingen Moses dreieinviertel ebenso vergnügliche wie anregende Mozart-Stunden.

Nadine Lehner singt die nicht ganz so unschuldige Zerlina mit schönster, nicht nur vokaler Erotik, Sara Hershkowitz gibt Donna Anna als traurige Traumfrau und Nadja Stefanoff gelingt als Elvira die perfekte Mischung: ein Rest Jungmädchencharme trifft auf das Wüten einer Rachegöttin. Demgegenüber haben die singenden Herren keinen ganz leichten Stand, aber besonders der dunkel-kräftig intonierende Juan Orozco überzeugt als fallender Titelheld. Der Held trägt übrigens gern Pelz, ja er ist offenbar ein Pelzhändler und verkauft die guten Stücke in einer Art Outlet-Store.

Weitgehend librettogetreu schnurrt das übrige Geschehen ab, neben der Bar und dem Pelzladen kommen auch zwei eifrig benutzte Schlafzimmer und eine Partygarage zum Einsatz. Eine Fülle szenischer Gags sowie eine sanfte Prise Ironie durchziehen das Ganze, sodass man sich bisweilen wie in einer modernisierten Typenkomödie von Goldoni fühlt.

Eine Sternstunde ist Leporellos Registerarie, hier läuft parallel zu George Stevens' prächtigen, mächtigen Statistikkoloraturen eine Art Powerpointpräsentation, die Giovannis globale Eroberungen bebildert. Zu sehen sind auch junge Mädchen, Adipöse und eine sehr alte Frau, hier ging ein Raunen durchs Publikum. Vermutlich wurde manchem erst jetzt klar, welchen Frauengeschmack Giovanni eigentlich hat: Er nimmt buchstäblich alles und jede.

Sieht man vom eher trivialen Sch(l)uss ab, so ist das Mozart-Glück in Bremen perfekt. Markus Poschner hat das Opernorchester gut im Griff und lässt es immer wieder auch recht rau und grob aufjaulen, dazu huschen als Kontrast bei den Rezitativen die irrlichternden Klangkaskaden eines Hammerklaviers vorüber.

"Don Giovanni" am Theater Bremen
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