Müllentsorger im Corona-Alltag

Die Wertschätzung überdauert die Krise hoffentlich

04:18 Minuten
Der Kieler Müllentsorger Marcel Beier
Der Kieler Müllentsorger Marcel Beier ist jeden Tag im Einsatz. © Johannes Kulms
Von Johannes Kulms |
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Abfallentsorgung gilt als systemrelevant. In der Coronakrise ist Marcel Beier auf seinen Berufsstand noch ein bisschen stolzer als sonst. Wenn der Mann in Orange morgens durch die Straßen fährt, wirkt Kiel auf ihn manchmal wie eine Geisterstadt.
Es ist Mittagszeit und am Kieler Stadtrand fährt ein Müllfahrzeug nach dem anderen vor. Hier hat das Entsorgungsunternehmen Remondis seinen Standort für die Region. Für Marcel Beier ist nun Feierabend. Der 52-Jährige ist allerdings etwas verspätet, denn eben ist ihm unterwegs ein Reifen geplatzt: "Keiner weiß, warum! Der ist auf einmal quer durchgerissen, der Reifen. Also nicht längs, wie normal, sondern quer, einfach quer!"
So ein geplatzter Reifen ist eher ungewöhnlich für einen Müllmann. Aber natürlich ist auch für Beier gerade vieles ungewöhnlich. Seit 28 Jahren arbeitet er in der Müllentsorgung, doch so wie jetzt in Zeiten der Coronapandemie hat er sein Arbeitsumfeld noch nicht erlebt.
Manchmal komme ihm Kiel wie eine Geisterstadt vor. "Manche Ecken, wenn du da morgens am Rausstellen bist, du siehst niemanden, du hörst kein Auto, nichts", sagt er.

Die Müllsäcke sind mehr geworden

Doch noch aus anderen Gründen spürt er, dass viele Menschen jetzt zu Hause bleiben. Das Vorankommen sei für die Müllfahrzeuge an viele Ecken schwieriger, weil die Straßen noch stärker zugeparkt seien. Auch die Zahl der gelben Säcke, die er und seine Kollegen einsammeln, habe zugenommen. Dazu Beier: "Das sind dann wahrscheinlich die, die alle zu Hause sind. Hamsterkäufe und so."
Er beobachtet: "Da liegt bis zu einem Drittel mehr Säcke, das merkt man doch schon. Und wenn die Leute dann zum Wagen kommen, normalerweise geht man ja ganz normal mit denen um, also auf Tuchfühlung. Und wenn die dann irgendwie noch Säcke bringen, dann muss man doch schon sagen, bitte den Abstand einhalten!"
Seine Arbeitsmontur ist knallorange. Er ist ein waschechter Kieler. Beier hat ein freundliches Gesicht. Seinen Humor hat er trotz Corona nicht verloren, aber auch er macht sich zunehmend Sorgen.
Zum Beispiel um seine Eltern: "Das ist schon irgendwie eine ganz verkehrte Welt für alle, denke ich mal. Weil, man wacht morgens mit einem ganz anderen Denken auf. Wenn man die Zahlen abends im Fernsehen sieht, wie viele Leute schon wieder tot umgefallen sind. Da kriegt man dann doch so langsam schon immer mehr Gedanken, wann das denn hier oben mal bei uns hier in Schleswig-Holstein so heftig auftritt."

Weniger Ärger als sonst

Die Müllentsorgung gilt als systemrelevant. Wenn sie zusammenbricht, könnte es schnell zu einer Rattenplage kommt, warnt Beier. Immer wieder ärgerten sich seine Kollegen und er darüber, wenn ein gelber Sack nicht zugebunden wird und der Müll auf dem Bürgersteig landet. Oder wenn dort Dinge reingeworfen werden, die gar nicht in den gelben Sack gehören.
Aber solcher Ärger scheint gerade ziemlich weit weg zu sein. Genauso wie die Pöbeleien, die er von den Autofahrern gewohnt ist, wenn das Müllfahrzeug gerade wieder mal den Straßenverkehr behindert.
"Das hast du im Moment eigentlich gar nicht, das ist ja das Schöne", sagt der Müllwerker. "Gerade solche Berufe, die jetzt so richtig wertgeschätzt werden: wie Kassiererinnen, Ärzte, Pflegekräfte, unsereins und so. Über die eigentlich immer nur geflucht wird. LKW-Fahrer… die halten doch den Laden echt am Laufen, find ich. Und ich hoffe, da bleibt einiges nach der Krise hängen. Dass die Leute dann ein bisschen anders denken."

"Mein Job ist draußen"

Fühlt er sich dadurch gerade auch ein bisschen stolzer? "Ein bisschen schon", sagt Marcel Beier. "Wenn jemand auf der Straße an einem vorbeigeht und einfach winkt und sagt: Danke, dass es euch gibt, na klar, wen würde das nicht stolz machen?"
Einen Müllmann ins Homeoffice zu schicken ist schwer. Baier sagt dazu: "Wir versuchen, unterwegs Abstand zu halten, machen einfach einen Schritt mehr um den Kollegen herum und dann geht das."
Aber selbst wenn er könnte: In diesen Tagen an den Schreibtisch zu wechseln, käme für ihn nicht infrage. "Mein Job ist draußen. Auf Büroarbeit habe ich keine Lust. Ich habe auch nie dran gedacht, jetzt irgendwie zu sagen, ich will nicht, ich mache mal einen Tag frei oder so. Ich mache meinen Job gerne und ich habe ihn mir ausgesucht. Und dabei bleibt das. Und dass wir jetzt da alle heil und gesund durch diese Krise kommen!"
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