Müller: Hier ist "eine Verantwortungsgemeinschaft gefordert"

Peter Müller im Gespräch mit Jörg Degenhardt |
Der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, sieht bei der Bewältigung der Finanzkrise auch die Länder in der Pflicht. Eine Beteiligung am Rettungspaket der Bundesregierung sei unumgänglich, sagte der CDU-Politiker. Da es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe handele, sei es schwer vorstellbar, dass einzelne Glieder sich pauschal verweigerten.
Jörg Degenhardt: "Wir machen da nicht mit!" So wie der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag denken auch andere seiner Kollegen. In einzelnen Bundesländern regt sich Widerstand gegen eine Beteiligung am Rettungspaket für die Banken. Die Bundesregierung will mögliche Ausfälle von Garantien zu 35 Prozent von den Ländern mittragen lassen. Sie sieht das Rettungspaket als gesamtstaatliche Aufgabe an, die nicht allein vom Bund geschultert werden kann.
Der Bundesfinanzminister will heute den Finanzministern der Länder den Rettungsplan erläutern. Die treibt ohnehin noch eine andere Sorge um, nämlich dass ihnen eine wichtige Einnahmequelle mit dem neuen Jahr verloren gehen könnte, denn die Erbschaftssteuer, besser gesagt eine Neuregelung derselben, steht weiter in den Sternen.
Über die möglichen oder tatsächlichen neuen Lasten, die da auf die Länder zukommen, wollen wir mit dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, mit dem CDU-Politiker Peter Müller reden. Guten Morgen, Herr Müller.

Peter Müller: Einen schönen guten Morgen, Herr Degenhardt.

Degenhardt: Das Saarland unterstützt das Rettungspaket für die Banken, während sich etwa die Bayern überfordert fühlen. Sie halten also die Forderungen aus Berlin nicht für überzogen?

Müller: Ich glaube, dass die Beruhigung der Finanzmärkte wirklich eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Deshalb kann ich mir schwer vorstellen, dass einzelne Glieder der staatlichen Gemeinschaft sich pauschal der Bewältigung dieser Aufgabe verweigern. Ob und inwieweit das Paket, das die Bundesregierung gestern auf den Weg gebracht hat, tatsächlich zu Einnahmeausfällen führt, tatsächlich dazu führt, dass Zahlungen geleistet werden müssen, ist nicht absehbar. Wir haben eine vergleichbare Operation vor einigen Jahren in Schweden gehabt. Am Ende dieser Operation hat der Staat sogar Gewinn gemacht. Jetzt steht im Vordergrund die Beruhigung der Märkte, die Sicherung der Kreditversorgung des Mittelstandes - daran haben die Länder genauso ein Interesse wie der Bund – und die Sicherung der Einlagen der Sparerinnen und Sparer – auch das trifft Bund und Länder gemeinsam. Deshalb ist eine Verantwortungsgemeinschaft gefordert und deshalb führt das Saarland diese Gespräche auch konstruktiv.

Degenhardt: Sind Sie eigentlich vorher gefragt worden, ob das Saarland sich an dieser Absicherung beteiligt, oder sind Sie, Herr Müller, gewissermaßen überrumpelt worden?

Müller: Die Pläne der Bundesregierung sind ja erst in der Nacht zum Montag konkretisiert worden. Wir sind am Montagmorgen informiert worden über die Elemente des Plans, der geschmiedet worden ist. Wir haben im Laufe dieser Woche Zeit, die Einzelheiten miteinander zu besprechen. Schon heute hat der Bundesfinanzminister die Länderfinanzminister eingeladen. Da ist es sicherlich möglich, auch spezifische Länderinteressen einzubringen. Eile ist geboten. Wir können uns nicht noch wochenlang mit Diskussionen in dieser Frage aufhalten. Das würden die Märkte uns nicht verzeihen. Deshalb glaube ich, dass auch vom Verfahren her die Sache so gelaufen ist, wie sie zwingend laufen musste.

Degenhardt: Eile ist auch in einem anderen Fall geboten. Ursprünglich sollte der Bundestag am kommenden Donnerstag über die Reform der Erbschaftssteuer entscheiden, der Bundesrat dann am 7. November. Dieser Zeitplan ist wohl nicht zu halten, weil die CSU noch Korrekturen wünscht. Das Bundesverfassungsgericht hatte ja bis zum Jahresende eine Neuregelung gefordert. Was ginge dem Saarland an Einnahmen verloren, wenn die Erbschaftssteuer wegfiele, weil eine Neuregelung nicht termingerecht gelingt?

Müller: Wir hätten etwa einen Einnahmeverlust von 50 Millionen im Jahr, aber ich glaube, das ist gar nicht mal der entscheidende Punkt. Das Gesamtaufkommen der Erbschaftssteuer sind vier Milliarden. Über diese vier Milliarden droht nicht der Staatsbankrott. Die entscheidende Frage aus meiner Sicht ist eine Frage der Gerechtigkeit. Kann es wirklich sein, dass bei dem Vererben von Millionen- und Milliardenvermögen keinerlei Erbschaftssteuer anfällt? – Ich denke nein, das kann nicht richtig sein. Deshalb würde ich es für fatal halten, wenn die Union am Ende die Verantwortung dafür trüge, dass die Erbschaftssteuer wegfällt. Ich verstehe die Position der CSU, dass einzelne Nachbesserungen eingefordert werden. Da gibt es auch Bewegungsbereitschaft. Aber eine generelle Verweigerung hielte ich für verantwortungslos. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der neue CSU-Vorsitzende das Ziel hat, zum Schutzpatron der Millionäre und Milliardäre in Deutschland zu werden.

Degenhardt: Nun geht es aber der CSU ja nicht um die ganz großen Vermögen, sondern um den Mittelstand. Man dürfe den Mittelstand angesichts der Finanzkrise jetzt nicht durch unzureichende Steuerregelungen verunsichern. Das hat Herr Seehofer gesagt. Das heißt, Sie haben dann kein Verständnis für den Mittelstand?

Müller: Das ist natürlich falsch. Was die Frage der betrieblichen Unternehmensnachfolge im Erbgang anbetrifft, sind ja bereits erhebliche Konzessionen gemacht. Da gibt es unverändert Nachbesserungsbedarf, etwa in der Frage der Haltefrist, etwa in der Frage des sogenannten Fallbeil-Effektes. An diesen Punkten gibt es aber auch Bewegungsbereitschaft in der Koalition. Von denjenigen Nachforderungen, die dort gestellt sind, ist der allergrößte Teil erfüllt, oder der Koalitionspartner hat gesagt, er ist bereit, sie zu erfüllen. Dieses Argument ist in der Sache befriedigend aufgearbeitet. Um diese Punkte geht es in Wahrheit nicht.

Degenhardt: Könnte es sein oder gehen Sie besser gesagt davon aus, dass bis zum Jahresende, also fristgerecht eine Neuregelung tatsächlich noch gefunden wird?

Müller: Ich gehe davon aus. Ich halte es auch für unverzichtbar. Ich glaube nicht, dass der ersatzlose Wegfall der Erbschaftssteuer für Milliardäre ein unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten vertretbares Ergebnis ist.

Degenhardt: Denken Sie dabei möglicherweise auch schon an die vielen Wahlen im nächsten Jahr? Sie selbst haben ja auch eine im eigenen Land, im Saarland. Das wären ja zusätzliche Punkte, wenn diese Erbschaftssteuerregelung wegfiele, für die Opposition, die ja bei Ihnen von Oskar Lafontaine höchst selbst angeführt wird.

Müller: Das Diffamierungspotenzial, das erreicht würde, wenn es zu einem Wegfall der Erbschaftssteuer käme, wäre erheblich, aber auch das ist nicht der entscheidende Punkt, sondern der entscheidende Punkt ist wirklich die Gerechtigkeitsfrage. Ich halte es mit Goethe, der gesagt hat, was du ererbst von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen. Der Satz ist unverändert richtig.

Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. – Das war Peter Müller. Der CDU-Politiker ist Ministerpräsident im Saarland.


Das Gespräch mit Peter Müller können Sie bis zum 14. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio