München feiert Olympiajubiläum

Kunst war mehr als ein Beiprogramm

06:33 Minuten
Das Olympiagelände in München, aufgenommen aus einem Sportflugzeug
Das Olympiagelände von 1972 in München. NOK-Präsident Willi Daume und Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel wollten mit dem Kulturprogramm hervorheben, dass Deutschland ein anderes Land als 1936 war. © dpa / picture alliance / Peter Kneffel
Von Julian Kämper |
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Die Olympischen Spiele von 1972 haben München wie kaum ein anderes Ereignis geprägt. Nun erinnert die bayerische Landeshauptstadt an das Sportereignis vor 50 Jahren, bei dem Kunst und Kultur eine ganz besondere Rolle spielen sollten.
Am 26. August 1972 erklärten Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, und Bundespräsident Gustav Heinemann die Olympischen Spiele in München zur Feier der XX. Olympiade der Neuzeit für eröffnet.
Und 50 Jahre später? Da lässt die Stadt München sich ein ausgedehntes Jubiläumsfest nicht nehmen, um auf die olympischen Ereignisse zurückzublicken – nicht nur auf die sportlichen.
"Man weiß: Das ist ein tolles Stadion, der Olympiapark ist einzigartig, man spricht von Weltkulturerbe", erklärt Kuratorin Elisabeth Hartung: "Aber die Idee, dass es damals wirklich auch um so ein Gesamtkunstwerk gehen sollte, wo Architektur und Design und Landschaftsgestaltung, aber auch Kunst – sowohl als feststehende Kunst als auch als Aktionskunst – Teil des Ganzen sein wollte, das war lange vergessen." 

Sport und Kunst 

Elisabeth Hartung gehört zu dem großen Planungsteam rund um das Münchner Kulturreferat, das das Neue und Besondere der damaligen Sommerspiele wieder aufleben lassen möchte.
Die Spiele seien „von Willi Daume und dem Oberbürgermeister Vogel damals ganz explizit als Spiele der Verbindung von Sport und Kunst geplant" worden. "Und so wollen wir zum 50. Jubiläum diesen vergessenen Part der Kunst ins Zentrum rücken.“
Eine Spirale, von Otl Aicher mit Hilfe eines Computers entwickelt, ist Kernstück des Logos für die XX. Olympischen Spiele, die vom 26. August bis zum 11. September 1972 in München ausgetragen werden.
Das Logo der Olympischen Spielen in München.© dpa / picture alliance
Vor und auch nach München '72 gab es keine Spiele mit einem so großen, internationalen und visionären Kunst- und Kulturprogramm rund um die sportlichen Wettkämpfe.
Kunst und Kultur sollten gezielt dazu beitragen, der Welt ein neues, humanes, freundliches und demokratisches Deutschland zu zeigen, anders als bei den Berliner Propaganda-Spielen 1936.  
Dass die progressive Kunstszene die olympische Idee aber nicht nur verherrlichen, sondern auch für ein problematisches Politikum halten würde, war einkalkuliert.

Die Idee der „Spielstraße“

Elisabeth Hartung zufolge gab es viel Kritik am Konzept von Olympia. "Da wurde kritisiert im Hinblick auf diese Leistungsschau, auch auf nationale Wettkämpfe, auch Kapitalismuskritik war ziemlich stark.“
So hat der Aktionskünstler Thomas Niggl, damals in einer Lache aus Ochsenblut stehend, bis zur Erschöpfung Kniebeugen gemacht, um bildstark auf den „blinden Masochismus“ des Leistungssports hinzuweisen.
Diese umstrittene Aktion fand in der sogenannten „Spielstraße“ statt, gedacht als heiterer Begegnungsort, an dem sich Menschen jeglicher Herkunft im gemeinschaftlichen Akt des freien Spielens austauschen konnten.
"In dieser olympischen Landschaft mit den Sportwettkämpfen haben ja täglich internationale Sportler um die Goldmedaillen gekämpft", erläutert Hartung. "Parallel dazu waren rund um den Olympiasee Musiker, Bildende Künstler, Akrobaten, Performer, Tänzer, die da verschiedene Aktionen gemacht haben und auch die Leute zum Mitmachen aufgerufen haben. Da kann man schon sagen: Das war ein ganz bewusster Gegenpol." 

Ausstellung in der Münchner Rathausgalerie

In der jüngst eröffneten Ausstellung in der Münchner Rathausgalerie zeigt Kuratorin Elisabeth Hartung die Bandbreite der für und rund um Olympia entstandenen Kunst.
Darunter ist auch eine audiovisuelle Installation, die mit bislang unveröffentlichten Filmdokumenten die legendäre "Spielstraße“ virtuell noch einmal begehbar macht: „Das ist was sehr Besonderes, was man hier erleben kann. Das ist schon unglaublich, nicht nur die Aktionen, sondern auch zu sehen, wie die Leute staunen, wie voll das war, wie diese Kinder spielen mit den Sachen.“ 

Nach dem tödlichen Attentat auf die israelische Olympiamannschaft am 5. September wurden die Aktivitäten auf der "Spielstraße" vorzeitig beendet.

Jubiläumsprogramm im Sommer

Im Rahmen des bereits laufenden Programms zum Olympiajubiläum ist noch bis zum 9. Juli ein Reenactment dieser „Spielstraße“ zu erleben, mit internationalen Künstlerkollektiven, digitalen Projekten und Kunstaktionen.

Vom 11. bis 21. August geht es in München dann schließlich doch noch um Spitzenzeiten und pure Muskelkraft – wenn bei den European Championships die Europameisterinnen und Europameister in insgesamt neun Sportarten unter einem Dach ausgespielt und gekürt werden.
Es ist nicht unter irgendeinem Dach, sondern unter der ikonischen und denkmalgeschützten Zeltdach-Architektur des Münchner Olympiastadions – einem zentralen Bestandteil des Münchener „Gesamtkunstwerks“.

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