Wenn Studenten bei den Eltern leben
Jeder dritte Münchner Studierende wohnt noch daheim, weil die Mietpreise einfach unerschwinglich sind. Und das ist nicht für jeden praktisch und billig - sondern kann auch echte Nachteile haben.
"Mein Name ist Luis, ich studiere an der TU München und ich lebe aktuell bei meiner Mutter. Der Hauptgrund ist wie bei vielen einfach das Geld. München ist nicht nur von den Mieten her wahnsinnig teuer, sondern auch beim Lebensunterhalt. Egal ob Verpflegung oder feiern gehen. Wenn sich die Möglichkeit bieten würde, würde ich gern ausziehen. Weil es natürlich nicht einfach ist, mit über 20 noch bei den Eltern wohnen zu müssen."
Informatik-Student Luis ist einer von rund 43.000 Gästen im "Hotel Mama". Er wohnt zuhause, wie jeder dritte Münchner Student. Und es werden jedes Jahr mehr, sagt Studentenwerk-Sprecher Ingo Wachendorfer.
"Man kann schon beobachten, dass Studierende gern zuhause wohnen. Das ist ja auch verständlich. Weil sie da wenig Miete zahlen. Auf der anderen Seite: Leute, die von anderswo zuziehen oder internationale Studenten haben diesen Luxus natürlich nicht."
Jeden Tag pendeln
Als Luxus würde Luis seinen Aufenthalt im "Hotel Mama" nicht bezeichnen. Sein Zimmer ist klein, essen geht er in der Mensa und um seine Wäsche kümmert er sich selbst.
"Hat aber eher damit zu tun, dass es mir auf die Nerven ging, meine Wäsche immer raussuchen zu müssen. Dann hab' ich wieder eine Hose vermisst und wusste nicht, wo sie ist. Darum habe ich freiwillig entschieden, dass ich meine Wäsche selber mache."
Luis würde gern nach München ziehen. Dann könnte er sich das Pendeln aus dem Vorort Germering in die Innenstadt sparen. Aber 600 Euro für ein kleines Zimmer in einer Vierer-WG kann er sich nicht leisten. Und auf eines der 11.000 Wohnheims-Zimmer des Studentenwerks München hat er keinen Anspruch - weil seine Eltern in der Nähe von München wohnen. Und selbst wenn er sich bewerben könnte – er wäre Nr. 5473 auf der Warteliste. Das ist kein reines München-Problem, sagt Studentenwerk-Sprecher Wachendorfer.
"Berlin wird auch immer teurer. Das ist, glaube ich, ein generelles Metropolen-Problem. Alle wollen dorthin, dadurch steigen die Preise. Und wer dort schon wohnt, der überlegt sich gut, ob er nicht bei den Eltern unterkommt."
Zumindest sind die Bewohner des "Hotel Mama" größtenteils glücklich mit ihrer Situation. Die letzte Sozialerhebung des Studentenwerks sagt, dass 58 Prozent der noch zuhause lebenden Studierenden zufrieden bis sehr zufrieden sind. Noch zufriedener sind allerdings Studierende in WGs und Einzelwohnungen. Auch Photodesign-Student Marc ist froh, dass er vor kurzem endlich in eine eigene Wohnung umziehen konnte - nach vier Jahren im "Hotel Mama" vor den Toren der Stadt.
"Gerade die Studenten-Partys... Da hatte ich die Wahl, entweder um halb zwölf zu gehen oder bei einem Freund zu übernachten. Dadurch hab' ich viel vom Studentenleben verpasst. Man hat viel Anschluss verloren, weil sich schon Gruppen gebildet hatten. Das kann man später nicht mehr nachholen."
Seine Wohnung hat er über Beziehungen gefunden – der Arbeitgeber seines Nebenjobs hat sie organisiert. Über das Studentenwerk hatte er es lange Zeit vergeblich versucht.
"Die Wohnungen werden immer knapper. Es suchen einfach zu viele. Es läuft eher unter der Hand: viele Studenten suchen kurzfristig einen Nachmieter. Damit sie sich die Kündigungsfrist sparen. Beziehungsweise dem Vermieter anbieten: Ich suche selber einen Nachmieter. Die Vermieter sind meist sehr offen, weil sie sagen: Das ist auch wieder ein Student, mit dem hab' ich wenig Ärger."
Nur Mondpreise auf dem Wohnungsmarkt
Deshalb lautet Marcs Ratschlag an Studierende in München:
"Man braucht ein gutes Netzwerk. Ich würde jedem empfehlen, auf die Hochschulseiten zu schauen. Da läuft sehr viel."
Das Studentenwerk München bietet beispielsweise eine Onlinebörse für Studentenwohnungen unter 400 Euro. Auch Luis hofft, dort irgendwann fündig zu werden. Denn auf dem freien Markt kostet eine typische Studentenbleibe in München durchschnittlich 634 Euro pro Monat inklusive Nebenkosten. Das ist Rekord – noch vor Frankfurt, Stuttgart und Heidelberg. In Berlin kostet die studentische Musterwohnung vergleichsweise moderate 416 Euro. Allerdings ist auch das ein Anstieg von satten 57Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Für Luis sind all das Mondpreise. Da wohnt er lieber weiter zuhause und spart das Geld. Momentan droht ihm keine Kündigung.
"Die Einstellung meiner Mutter ist: Solange ich noch studiere, kann ich zuhause wohnen. Sie möchte nur nicht, dass ich auf der faulen Haut rumliege. Natürlich möchte sie, dass ich irgendwann mal das Haus verlasse. Aber derzeit ist es kein Problem, sie hat mich gerne da."