Terrorhelfern auf der Spur
Überall in Deutschland wird gegen IS-Unterstützer oder Taliban-Anhänger ermittelt. Um die Verfahren weiter zu verbessern, haben einige Bundesländer Zentralstellen geschaffen, mit Staatsanwälten, die sich speziell um mutmaßliche Terrorhelfer kümmern.
Ein Bild vor einem Gebäude der Firma Audi: Ein Mann ungefähr Mitte 30 hält einen Zettel in die Fotokamera. Es ist ganz offensichtlich Werbung im Namen der Terrormiliz IS. Auf Arabisch steht dort geschrieben:
"Der Islamische Staat im Irak und Syrien bleibt und dehnt sich aus."
Der Mann mit dem Zettel kommt aus Ingolstadt. Dort lebt der Familienvater bis zu seiner Verhaftung im März 2017. In beruflichen Netzwerken im Internet gibt er den seriösen Geschäftsmann, präsentiert sich mit smartem Lächeln und im Anzug. Zuletzt arbeitet der Maschinenbauingenieur für Zulieferbetriebe von Audi und BMW. Aber dann entdeckt die Polizei sein Doppelleben. Im Internet verbreitet der Deutsch-Tunesier nach Erkenntnissen der Ermittler Propaganda der Terrormiliz IS. Zum Beispiel ein vom ihm erstelltes Dokument. In diesem ruft er Landsleute dazu auf, sich dem IS anzuschließen. Das hört sich zum Beispiel so an:
"Einige Männer, die zur Auslese der Soldaten des Islamischen Staates gehören, darunter Selbstmordattentäter und Fachkräfte, werden entsandt – für die islamische Eroberung Tunesiens."
Im März hat das Oberlandesgericht München den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt – unter anderem wegen Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung im Ausland. Das Urteil ist das Ergebnis kleinteiliger monatelanger Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft:
"Angesichts der Verschwiegenheit des Milieus und der komplizierten Ermittlungen müssen Sie davon ausgehen, dass sie für solche Verfahren tatsächlich Monate ermitteln. Sie gehören ähnlich wie die Kapitaldelikte oder die Wirtschaftsdelikte zu den wirklich zeitaufwendigen und personalintensiven Verfahren."
"Der Islamische Staat im Irak und Syrien bleibt und dehnt sich aus."
Der Mann mit dem Zettel kommt aus Ingolstadt. Dort lebt der Familienvater bis zu seiner Verhaftung im März 2017. In beruflichen Netzwerken im Internet gibt er den seriösen Geschäftsmann, präsentiert sich mit smartem Lächeln und im Anzug. Zuletzt arbeitet der Maschinenbauingenieur für Zulieferbetriebe von Audi und BMW. Aber dann entdeckt die Polizei sein Doppelleben. Im Internet verbreitet der Deutsch-Tunesier nach Erkenntnissen der Ermittler Propaganda der Terrormiliz IS. Zum Beispiel ein vom ihm erstelltes Dokument. In diesem ruft er Landsleute dazu auf, sich dem IS anzuschließen. Das hört sich zum Beispiel so an:
"Einige Männer, die zur Auslese der Soldaten des Islamischen Staates gehören, darunter Selbstmordattentäter und Fachkräfte, werden entsandt – für die islamische Eroberung Tunesiens."
Im März hat das Oberlandesgericht München den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt – unter anderem wegen Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung im Ausland. Das Urteil ist das Ergebnis kleinteiliger monatelanger Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft:
"Angesichts der Verschwiegenheit des Milieus und der komplizierten Ermittlungen müssen Sie davon ausgehen, dass sie für solche Verfahren tatsächlich Monate ermitteln. Sie gehören ähnlich wie die Kapitaldelikte oder die Wirtschaftsdelikte zu den wirklich zeitaufwendigen und personalintensiven Verfahren."
Allein 100 Fälle in München
Sagt Oberstaatsanwalt Andreas Franck. Sein Arbeitsplatz ist die Eliteeinheit in der Generalstaatsanwaltschaft München. In der sogenannten Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus laufen seit Anfang 2017 Terrorverfahren aus ganz Bayern zusammen. Dazu zählen auch Ermittlungen gegen Unterstützer der verbotenen Arbeiterpartei PKK oder einer als terroristisch eingestuften Organisation aus Sri Lanka. Der große Teil aber, die Generalstaatsanwaltschaft schätzt bis zu 95 Prozent, hat einen Bezug zum islamistischen Milieu - zum Beispiel IS-Unterstützer wie der Maschinenbauingenieur aus Ingolstadt. Oder nach Bayern zurückgekehrte Kämpfer von radikal-islamischen Gruppen in Syrien, zudem Personen, die für Terrorgruppen Geld gesammelt haben. Andreas Franck von der Münchner Generalstaatsanwaltschaft:
"Wir sind von Anbeginn der Ermittlungen, das heißt beim ersten Auftreffen eines Anfangsverdachtes sind wir dabei und sprechen mit der Polizei, wie wir da vorgehen wollen, welche Maßnahmen wir ergreifen. Wann gehen wir in die offene Phase über, wie lange bleiben wir noch im verdeckten Bereich. Das ist eine viel stärkere Einbindung in die Ermittlungen der Polizei, was die Aufgabe sehr reizvoll und interessant macht."
Fünf Staatsanwälte plus Leitung ermitteln derzeit in der Zentralstelle. Laut bayerischem Justizministerium war die Einrichtung ein notwendiger Schritt. Auch um die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zu entlasten. Diese hat in letzter Zeit immer wieder mehr Personal gefordert angesichts hunderter Terrorverfahren. In den letzten Monaten sind Zentralstellen zur Terrorismusbekämpfung auch in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg entstanden. Wie der Generalbundesanwalt Deutschlandfunk Kultur mitteilt, wurden im vergangenen Jahr mehr als 450 Fälle mit Islamismus-Bezug an Generalstaatsanwaltschaften übergeben. Seit Anfang 2017 landeten rund 100 Fälle bei den Kollegen in München.
"Wir sind von Anbeginn der Ermittlungen, das heißt beim ersten Auftreffen eines Anfangsverdachtes sind wir dabei und sprechen mit der Polizei, wie wir da vorgehen wollen, welche Maßnahmen wir ergreifen. Wann gehen wir in die offene Phase über, wie lange bleiben wir noch im verdeckten Bereich. Das ist eine viel stärkere Einbindung in die Ermittlungen der Polizei, was die Aufgabe sehr reizvoll und interessant macht."
Fünf Staatsanwälte plus Leitung ermitteln derzeit in der Zentralstelle. Laut bayerischem Justizministerium war die Einrichtung ein notwendiger Schritt. Auch um die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zu entlasten. Diese hat in letzter Zeit immer wieder mehr Personal gefordert angesichts hunderter Terrorverfahren. In den letzten Monaten sind Zentralstellen zur Terrorismusbekämpfung auch in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg entstanden. Wie der Generalbundesanwalt Deutschlandfunk Kultur mitteilt, wurden im vergangenen Jahr mehr als 450 Fälle mit Islamismus-Bezug an Generalstaatsanwaltschaften übergeben. Seit Anfang 2017 landeten rund 100 Fälle bei den Kollegen in München.
Die Zahl der Prozesse könnte noch weiter steigen
Ein Bürogebäude in der Münchner Innenstadt – Sitz der dortigen Generalstaatsanwaltschaft. Mit dem Aufzug geht es in den vierten Stock. Treffen mit Georg Freutsmiedl, Leiter der Zentralstelle Extremismus und Terrorismus – ein Ermittler in Anzug und Krawatte. In einem großen Konferenzraum spricht er darüber, welch wichtige Entlastung für die Bundesanwaltschaft seine Zentralstelle doch sei:
"Die Taten, die wir anklagen, sind ja meistens 2014, 15, 16 begangen worden. Die Anzahl, die dann als Verfahren beim Generalbundesanwalt gelandet sind, hat sich in dieser Zeit erhöht. Er hatte ja gar keine Chance die früher anzuklagen. Aber er kann natürlich jetzt durch die Einrichtung unserer Zentralstelle das an zusätzliche Mitarbeiter sozusagen weitergeben. Und natürlich haben wir dann in relativ kurzer Zeit jetzt einige Anklagen gemacht."
Rund zehn sogenannte Staatsschutzverfahren vor bayerischen Gerichten inklusive Urteile, die noch nicht rechtskräftig sind, zählt die Generalstaatsanwaltschaft derzeit.
Vor allem das Oberlandesgericht München ist betroffen. Fanden dort in den vergangenen Jahren vereinzelt Prozesse gegen mutmaßliche Islamisten statt, vergeht inzwischen kein Monat ohne derartige Verfahren. Auch ein Ergebnis der derzeitigen weltpolitischen Lage: Männer, die von Terrorgruppen aus Syrien nach Deutschland zurückkehren. Und auch Flüchtlinge, die als mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz IS oder der Taliban in Afghanistan in Bayern vor Gericht landen. All das gab es in dieser Form und Häufigkeit früher nicht, sagt der Sprecher des Münchner Oberlandesgerichts Florian Gliwitzky. Von einer Überlastung möchte er aber auf keinen Fall sprechen:
"Die Verwaltung des Oberlandesgerichts, das Präsidium des Oberlandesgerichts beobachtet das. Man wird dann natürlich sehen, wenn sich die Belastung weiter steigern sollte, ob man die Kapazitäten in diesem Bereich erweitern muss. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommen die Staatsschutzsenate mit den eigegangenen Verfahren zurecht."
Die Zahl der Prozesse könnte tatsächlich weiter zunehmen. In rund 180 Fällen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft momentan, sagt der Leiter der Zentrastelle Georg Freutsmiedl. Auch wenn wahrscheinlich längst nicht alle zur Anklage kommen:
"Jedes Mal müssen wir eine Durchsuchung machen. Wir müssen Internetauswertungen machen. Wir müssen elektronische Datenträger auswerten. Das Problem in diesen Fällen ist immer die notwendige Übersetzung von Chatprotokollen. Das kostet viel Zeit. Es kommt drauf an – zwischen drei Monate, sechs Monate oder auch bis zu eineinhalb Jahren."
"Die Taten, die wir anklagen, sind ja meistens 2014, 15, 16 begangen worden. Die Anzahl, die dann als Verfahren beim Generalbundesanwalt gelandet sind, hat sich in dieser Zeit erhöht. Er hatte ja gar keine Chance die früher anzuklagen. Aber er kann natürlich jetzt durch die Einrichtung unserer Zentralstelle das an zusätzliche Mitarbeiter sozusagen weitergeben. Und natürlich haben wir dann in relativ kurzer Zeit jetzt einige Anklagen gemacht."
Rund zehn sogenannte Staatsschutzverfahren vor bayerischen Gerichten inklusive Urteile, die noch nicht rechtskräftig sind, zählt die Generalstaatsanwaltschaft derzeit.
Vor allem das Oberlandesgericht München ist betroffen. Fanden dort in den vergangenen Jahren vereinzelt Prozesse gegen mutmaßliche Islamisten statt, vergeht inzwischen kein Monat ohne derartige Verfahren. Auch ein Ergebnis der derzeitigen weltpolitischen Lage: Männer, die von Terrorgruppen aus Syrien nach Deutschland zurückkehren. Und auch Flüchtlinge, die als mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz IS oder der Taliban in Afghanistan in Bayern vor Gericht landen. All das gab es in dieser Form und Häufigkeit früher nicht, sagt der Sprecher des Münchner Oberlandesgerichts Florian Gliwitzky. Von einer Überlastung möchte er aber auf keinen Fall sprechen:
"Die Verwaltung des Oberlandesgerichts, das Präsidium des Oberlandesgerichts beobachtet das. Man wird dann natürlich sehen, wenn sich die Belastung weiter steigern sollte, ob man die Kapazitäten in diesem Bereich erweitern muss. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommen die Staatsschutzsenate mit den eigegangenen Verfahren zurecht."
Die Zahl der Prozesse könnte tatsächlich weiter zunehmen. In rund 180 Fällen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft momentan, sagt der Leiter der Zentrastelle Georg Freutsmiedl. Auch wenn wahrscheinlich längst nicht alle zur Anklage kommen:
"Jedes Mal müssen wir eine Durchsuchung machen. Wir müssen Internetauswertungen machen. Wir müssen elektronische Datenträger auswerten. Das Problem in diesen Fällen ist immer die notwendige Übersetzung von Chatprotokollen. Das kostet viel Zeit. Es kommt drauf an – zwischen drei Monate, sechs Monate oder auch bis zu eineinhalb Jahren."
Nicht jeder Assad-Gegner ist ein Terrorist
Intensive Ermittlungen – zum Beispiel gegen einen aus Bayern bekannten Salafisten-Prediger, der nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2013 und 2014 mit zwei anderen Männern den Transport mehrerer Pickups zu einer Terrorgruppe nach Syrien organisierte. Gemeinsam hielten sie sich auch selbst kurzzeitig im Kriegsgebiet auf. Der Salafisten-Prediger galt als Kopf der drei Männer. Wegen Unterstützung einer Terrorgruppe im Ausland verurteilte ihn das Oberlandesgericht München Anfang April zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Seine beiden Helfer bekamen Bewährungsstrafen.
Unter diesen Helfern ein 31-jähriger Bosnier. Dessen Anwalt Michael Hakner beobachtet die derzeitige Vielzahl von Terrorprozessen im Freistaat und rät den bayerischen Behörden zu Augenmaß:
"Es gibt eine ganze Reihe von Rückkehrern aus Syrien, die in Anführungszeichen für die gute Sache gegen das Assad-Regime kämpfen wollten und keinerlei Ambitionen haben, sich auf dem Marienplatz als Terrorrist in die Luft zu sprengen."
Aus der Sicht des Anwalts ein wichtiger Grund, warum nicht jeder mutmaßliche Terrorhelfer hart bestraft werden sollte, wenn er aus diesen Motiven Islamisten-Gruppen unterstützt. Hakner und Strafverteidiger können nachvollziehen, dass immer mehr solcher Fälle angeklagt werden. Nach den islamistisch motivierten Anschlägen in England, Frankreich und in Deutschland sind die Ermittlungsbehörden eben wachsamer geworden. Diese Wachsamkeit endet aber nicht nach Festnahme. Denn auch Gefängnisse sind Orte der Radikalisierung. Mehr Islamisten hinter Gittern bedeutet also nicht automatisch mehr Sicherheit.
Unter diesen Helfern ein 31-jähriger Bosnier. Dessen Anwalt Michael Hakner beobachtet die derzeitige Vielzahl von Terrorprozessen im Freistaat und rät den bayerischen Behörden zu Augenmaß:
"Es gibt eine ganze Reihe von Rückkehrern aus Syrien, die in Anführungszeichen für die gute Sache gegen das Assad-Regime kämpfen wollten und keinerlei Ambitionen haben, sich auf dem Marienplatz als Terrorrist in die Luft zu sprengen."
Aus der Sicht des Anwalts ein wichtiger Grund, warum nicht jeder mutmaßliche Terrorhelfer hart bestraft werden sollte, wenn er aus diesen Motiven Islamisten-Gruppen unterstützt. Hakner und Strafverteidiger können nachvollziehen, dass immer mehr solcher Fälle angeklagt werden. Nach den islamistisch motivierten Anschlägen in England, Frankreich und in Deutschland sind die Ermittlungsbehörden eben wachsamer geworden. Diese Wachsamkeit endet aber nicht nach Festnahme. Denn auch Gefängnisse sind Orte der Radikalisierung. Mehr Islamisten hinter Gittern bedeutet also nicht automatisch mehr Sicherheit.