Verweigerung als Bürgerrecht
Mitten im Vietnamkrieg traf der damalige Boxweltmeister Muhammad Ali eine Entscheidung, die ihm die Bewunderung und den großen Respekt vieler, vor allem junger Afroamerikaner einbrachte: Er verweigerte den Wehrdienst. Dafür nahm er sogar eine Gefängnisstrafe in Kauf. Heute vor 50 Jahren erschien Ali im Rekrutierungsbüro der US-Armee.
Im April 1967, zwei Jahre nachdem die ersten amerikanischen Soldaten in Da Nang gelandet waren, hat Präsident Lyndon B. Johnson die US-Kampftruppen in Vietnam auf über 400.000 Mann aufgestockt. Obwohl Washington jetzt pro Monat über eine Milliarde Dollar für den Waffengang in Südostasien ausgibt, ist kein Ende in Sicht. Der Widerstand in der amerikanischen Bevölkerung, die sich anfangs kaum für den Krieg interessierte, wächst.
"I got a letter from L.B.J., that said, this is your lucky day. It's time to put your khaki trousers on. Though it may seem very queer, we've got no jobs to give you here, so we are sending you to Vietnam."
"Am Morgen des 28. April 1967 erschien Ali im Rekrutierungsbüro der US-Army in der San Jacinto Street in Houston, wohin er bestellt worden war, um eingezogen zu werden", schreibt David Remnick in seinem Buch "King of The World". "Auf dem Gehweg stand eine Gruppe Demonstranten, hauptsächlich Studenten, aber auch ältere Leute, die schon skandierten: 'Don't go! Don't go! Draft beer – not Ali.'"
Alis Verweigerung hatte mehrere Gründe
Der 25-jährige Schwergewichtsweltmeister ist in blendender körperlicher Verfassung. Seit einem Jahr ist er mit dem Fotomodell Sonji Roi verheiratet und nach der Armee liegt eine verheißungsvolle Profikarriere vor ihm. Doch Ali, der drei Jahre zuvor zum Islam übergetreten war und seinen Geburtsnamen Cassius Clay abgelegt hatte, übergibt dem Einberufungsoffizier ein Schriftstück, in dem er erklärt, dass er als Prediger der islamischen Religion beanspruche, vom Wehrdienst befreit zu werden. Aber Muhammad Alis Weigerung hat noch andere Gründe.
"My conscience don't let me go shoot my brother … Mein Gewissen erlaubt es mir nicht, einen Bruder zu erschießen. Wofür sollte ich sie erschießen? Sie haben mich nie einen 'Nigger' genannt. Sie haben meine Mutter nicht vergewaltigt. Und sie haben auch meinen Vater nicht umgebracht. Warum also sollte ich auf sie schießen?"
Die Mehrheit des "weißen", konservativen Amerikas sieht damals in dem schwarzen Kriegsdienstverweigerer einen Drückeberger und Landesverräter. Muhammad Ali wird zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von 10.000 Dollar verurteilt, bleibt aber gegen Kaution auf freiem Fuß.
"Er war doch der große Ritter, der Drachentöter"
An Universitäten und in liberalen, intellektuellen Kreisen lässt die unbeugsame Haltung des prominenten Sportlers, nicht nach Vietnam zu gehen, jedoch aufhorchen.
"Als er verweigerte, empfand ich etwas Größeres als Stolz."
Besonders junge, schwarze Amerikaner sind zutiefst berührt. Der Literaturprofessor Gerald Early erinnert sich in seinem Essay "Tales of the Wonderboy":
"Mir war, als sei meine Ehre als schwarzer Junge, meine Ehre als Mensch verteidigt worden. Er war doch der große Ritter, der Drachentöter. An dem Tag, als Ali den Kriegsdienst verweigerte, weinte ich in meinem Zimmer. Ich weinte um ihn und auch um mich, um meine Zukunft und auch seine, um alle unsere schwarzen Möglichkeiten."
Während Washington immer mehr GI's nach Vietnam schickt, sinkt die Akzeptanz der Bevölkerung für den Krieg im Sommer 1967 erstmals unter 50 Prozent. Als Präsident Johnson eine zehnprozentige Steuererhöhung zur Finanzierung der Kriegskosten ankündigt, werden die Proteste lauter. Am 21. Oktober fordern 50.000 Demonstranten vor dem Pentagon ein Ende des Kriegs.
Erneuter Sieg nach dreieinhalb Jahren ohne Boxen
Doch erst nach der verhängnisvollen Tet-Offensive ein Jahr später, bei der über 15.000 amerikanische Soldaten fallen, entschließt sich die US-Regierung den schrittweisen Abzug der Bodentruppen einzuleiten. Muhammad Ali wird 1971 in einer einstimmigen Entscheidung vom Obersten Gerichtshof der USA rehabilitiert.
"He is a hero, you know. And he is the type of hero, that anybody can be. It is reached down within to themselves and find the confidence to be, you know, who they are."
Seine Tochter Leila sah in ihrem Vater, der zu einer Symbolfigur der amerikanischen Gegenkultur geworden war, einen Helden. Einen Helden, der jeder sein kann, der in sich eine Überzeugung findet, für die er einsteht.
Dreieinhalb Jahre lang hatte Muhammad Ali nicht boxen dürfen. Erst 1974 konnte er sich den Weltmeistertitel im "Rumble in the Jungle", jenem legendären Kampf in Zaire, gegen George Foreman zurückholen.