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Autos orten Fußgänger

Dichter Verkehr herrscht am Freitag (02.09.2011) in Berlin auf der Friedrichstraße in der Nähe des S-Bahnhofs.
Dichter Verkehr auf der Friedrichstraße in Berlin - bald warnt das Smartphone vor Fußgängern © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Achim Killer |
Smartphones sind Multitalente: Jede App verleiht ihnen neue Funktionen. Es gibt zwar viele Spielereien, aber auch nützliche Apps. An der TU München wird an einer App gearbeitet, die den Nutzer vor Unfällen schützen soll.
Es ist eine Art Versteckspiel, das zwei Wissenschaftler auf dem Parkplatz der Technischen Universität München spielen. Dran ist Gerrit Kalverkamp. Er hat ein Gestell dabei, das einem Garderobenständer ähnelt, ein überdimensioniertes, etwas unförmiges Funkgerät.
"Ja, also das ist diese mobile Transpondereinheit, die geortet wird von der Autoeinheit. Und ich werde mich jetzt gleich mit dieser Transpondereinheit hinter einem Auto verstecken."
Ziel des Versteckspiels, bei dem es sich natürlich um einen technischen Test handelt, ist es, Gerrit Kalverkamp zu entdecken, obwohl die geparkten Autos die Sicht auf ihn verstellen. Eine Situation, wie sie täglich im Straßenverkehr vorkommt: Verdeckt von Fahrzeugen am Straßenrand, tritt ein Fußgänger auf die Fahrbahn. Bremst ein Autofahrer, der dort unterwegs ist, erst jetzt, kann es zu spät sein. Zwar verfügen vor allem Limousinen des gehobenen Preissegments mittlerweile über so genannte Fahrerassistenzsysteme, die über eine Kamera die jeweilige Verkehrssituation erfassen.
Aber die nützen in solchen Fällen nichts. Denn auch sie sind auf gute Sicht angewiesen. Nur dann können sie Fußgänger entdecken und als solche identifizieren. Deshalb hat Gerrit Kalverkamp das Funkgerät dabei. Das weist ihn als Fußgänger aus. Und ein Auto mit Empfangseinheit kann das erkennen.
"Dieser, wie man dann sagt Klassifikationsprozess, also: Um welche Art von Objekt handelt es sich? Das fällt bei uns praktisch komplett weg, weil der Transponder sagt: Ich bin ein Fußgänger. Und damit ist der Fall erledigt."
Sagt Professor Erwin Biebl, Gerrit Kalverkamps Chef. Und noch weitere Informationen werden per Funk an die Autos auf der Straße übermittelt.
Fahrerassistent leitet Vollbremsung ein
"Auf der anderen Seite hat der Transponder aber auch gewisse Sensorfunktionalitäten, zum Beispiel Initialsensorik, also Bewegungs- und Beschleunigungssensorik, die uns erlaubt, ziemlich sicher zwischen verschiedenen Bewegungszuständen der gefährdeten Verkehrsteilnehmer zu unterscheiden."
So lässt sich der Weg des Fußgängers vorausberechnen. Und der Autofahrer kann sich darauf einstellen. Beziehungsweise, wenn es knapp wird, kann das Fahrerassistenz-System automatisch eine Vollbremsung einleiten.
"Die Vorwarnzeit ist bei typischen Unfällen, bei denen der Fußgänger aus der Verdeckung kommt, ist extrem kurz. Also wir sprechen da von einer halben Sekunde. Also das ist deutlich unter der Reaktionszeit eines Menschen. Das heißt, man wird zu einem früheren Zeitpunkt den Fahrer warnen müssen. Man wird aber letztlich dann auf einen wirklich autonomen Fahrzeugeingriff nicht verzichten können, weil selbst ein vorbereiteter, trainierter Fahrer es nicht schafft, in diesen Situationen die Kollision zu vermeiden, während es unser System mit einer autonomen Notbremsung eben doch schafft."
In Serie gefertigt, ließen sich Transponder und Sensoren leicht auf die Größe eines Silizium-Chips schrumpfen. Und der könnte Handys zu einer nützlichen Zusatzfunktion verhelfen.
"Wir haben inzwischen Studien angefertigt, dass man einem Mehraufwand von weniger als zehn Euro diese Funktionalität in ein Smartphone bekommt."
Und noch aus einem anderen Grund bietet sich die Integration in Mobiltelefone an, findet Erwin Biebl.
"Ein weiterer großer Vorteil ist natürlich, dass ich da eine gesicherte Stromversorgung hab. Und auch der Benutzer regelmäßig die Stromversorgung prüft."
Zwar ist Ortungstechnik in Navis und in Smartphones schon jetzt allgegenwärtig. Aber die aktuellen GPS-Geräte können Fußgänger, Radfahrer und andere schwache Verkehrteilnehmer nicht vor Unfällen schützen. Dafür sind sie zu ungenau. Die Position der Personen wird über Satelliten ermittelt. Das kostet Zeit. Und die Daten müssen lange Strecken zurücklegen. Wenn ein Unfall droht, kommt es aber auf Zentimeter und Bruchteile von Sekunden an.
Handy-Chips warnen vor Fußgängern
"Man muss sich vorstellen: Bei einem Fußgänger-Unfall entscheiden so typischer Weise zehn Zentimeter zwischen: gar kein Unfall und schweren Verletzungen. Das heißt, man braucht eine sehr, sehr hohe Lokalisierungsgenauigkeit. Die erreichen GPS-Systeme in so einem dynamischen Umfeld wie im Verkehr üblicher Weise nicht, insbesondere nicht im Stadtverkehr."
Derzeit wird der Datenaustausch zwischen Fahrzeugen untereinander und zwischen Autos und Fußgängern gerade standardisiert. Bis Ende des Jahrjahrzehnts dürfte das noch dauern. Dann aber können Handy-Chips, die Fahrzeuge vor Fußgängern warnen, in Großserie gefertigt werden. Denn das Sicherheitssystem funktioniert, wie ein Blick auf den Uniparkplatz in München zeigt. Bernhard Schaffer spielt den Autofahrer. Sein Fahrzeug: ein Laborwägelchen, auf dem ein Laptop mit Funkanbindung steht.
"Gut, dann rollen wir mal los. Wir bewegen uns jetzt mit konstanter Geschwindigkeit, so mit Schrittgeschwindigkeit, momentan mit unserem Wägelchen nach vorne."
Bernhard Schaffers versteckter Kollege Gerrit Kalverkamp ist nicht zu entdecken. Aber auf dem Bildschirm des Laptop taucht schon bald ein Hinweis auf. Er zeigt an, dass ein Fußgänger in 100 Meter Entfernung sich langsam von rechts auf den Fahrweg zubewegt. Mit dem Auge zu erkennen, ist er erst sehr viel später - zu spät, wenn es sich um einen Fußgänger handeln würde, der auf die Fahrbahn läuft.
"Jetzt sind wir noch sieben Meter entfernt. Und man sieht den Fußgänger oder den Transponder jetzt zwischen den Fahrzeugen. Und wir haben eigentlich die ganze Zeit über schon den Abstand messen können und gesehen, wie weit der Fußgänger noch weg ist."
Ein zusätzlicher Funkchip im Handy, der zugehörige Empfänger im Bordcomputer des Autos. So lassen sich Unfälle vermeiden. In ein paar Jahren könnte es soweit sein.
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