Multimediale Live-Malerei
Der Sprayer El Seed hat es von der Graffitiszene hinein in die Kunstwelt geschafft. Der tunesischstämmige Franzose malt inzwischen vor Publikum und verbindet dabei Fotografie, Video und das so genannte Kalligraffiti. Das ist eine Mischung aus den traditionellen Kalligraphien des Islam und dem modernen Graffiti.
Auf dem Tisch liegen kleine Leinenbeutel, Pinsel und dicke Edding-Malstifte. Über allem hängt eine Kamera, die aus der Vogelperspektive alles auf eine Leinwand projiziert.
El Seed tritt an den Tisch - weite Hosen, schwarze Brille, gestutzter Vollbart - nimmt sich einen Beutel und breitet sorgfältig einen kleinen Berg Safran aus. Mit dem Pinsel fährt der 30 Jahre alte Franzose in schnellen Strichen durch das goldene Pulver. Er nutzt das Gewürz wie eine Farbe. Für Laien sieht das Ergebnis nach verschnörkelten Linien aus. Für El Seed ist es ein Kalligraffiti: Eine Mischung aus den traditionellen Kalligraphien des Islam, Bildern aus verzierten arabischen Buchstaben. Und aus dem modernen Graffiti.
"Beide spielen mit Buchstaben, nutzen sie, verschönern sie. Sie haben dieselbe Quelle. Wir nehmen diese Jahrhunderte alte Kunst und geben ihr für die heutige Zeit eine neue Relevanz."
Dabei sind arabische Buchstaben auch für El Seed lange ein einziges Durcheinander. Noch vor seiner Geburt ziehen die Eltern von Tunesien nach Frankreich, in die Banlieues von Paris. Obwohl sie Muslime sind, spielt der Islam keine Rolle. Wie viele arabischstämmige Jugendliche sieht El Seed in den 90er-Jahren eine Chance sich durch Hip Hop auszudrücken. In seinem Fall durch Graffitis auf Wänden und Zügen. Über die Liebe zu Buchstaben kommt auch der Wunsch Arabisch zu können, die Eltern hatten es ihm nie beigebracht.
"Ich musste meine Wurzeln finden, etwas über meine Kultur und meine Geschichte lernen. Also habe ich angefangen Arabisch zu lernen. So ist alles für mich zusammengekommen. Der Islam, Hip Hop und Graffiti. Dadurch habe ich meinen eigenen Kodex aufgestellt. Du kannst gleichzeitig Hip Hop und Muslim sein."
Auch bei seiner Live-Malerei sind beide Elemente untrennbar miteinander verbunden. Zu arabischem Rap malt El Seed mit den Eddings in ruckartigen Bewegungen. So schnell wie jemand, der früher jederzeit bereit war von der Polizei erwischt zu werden und wegzurennen. Von links nach rechts, von oben nach unten; in rot, hellblau oder schwarz entstehen Kreise, Kurven und Halbkreise – die arabischen Wörter für Liebe, Einheit oder Frieden. Dazu werden Fotos und Videos auf die Leinwand projiziert. Bilder aus Syrien oder Tunesien. Bilder der arabischen Revolutionen, die laut El Seed für die islamische Kunstwelt ein einschneidendes Ereignis waren.
"Vorher hattest du nicht das Recht deine Meinung frei zu äußern. Jetzt darfst du dich ausdrücken. Ich denke also dank der Revolutionen, wie in Tunesien, gibt es jetzt mehr Künstler. Und das sieht man auch. Du machst es, weil die Menschen dann deine Botschaften lesen können."
El Seed war schon vor den Aufständen ein erfolgreicher Künstler mit Solo-Ausstellungen - vor allem in Frankreich und in Kanada, wo er momentan in Montreal lebt. Heute bezeichnet er sich auch als politisch motiviert. "Arabs agree to disagree", heißt es in einem seiner Bilder, selbst für seine Kalligraffitis ein extrem buntes und dichtes Wirrwarr. "Die Araber sind sich einig, dass sie sich nicht einig sind." Das bekundet Stolz. Aber auch, dass es nach dem Ende der autoritären Regierungen neue und alte Konflikte zwischen den Religionen und Volksgruppen gibt.
In Gabès, der tunesischen Heimatstadt seiner Eltern, die auch El Seed als Heimat bezeichnet, wollte er ein Zeichen gegen diese Konflikte setzen. In der Küstenstadt hat er in wochenlanger Arbeit ein fast 60 Meter hohes Minarett bemalt. Das Bild erscheint wie ein Labyrinth aus überlagerten Wellen. Weiße Linien im Hintergrund. In der Mitte, etwa 20 Meter hoch und fünf Meter breit, ein Block aus schwarzen Geraden, Wellen und Kurven – ein Zitat aus dem Koran: "Oh ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget."
"Man kann unterschiedlich sein und trotzdem zusammen leben. Das will ich den Menschen in Tunesien sagen. Und es geht auch eine Botschaft an die Welt. Die Stadt und auch der Imam der Moschee haben das Projekt unterstützt. Kalligraffiti zeigt, dass der Islam eine weltoffene Religion ist. Es ist ein großer Schritt hin zur Demokratisierung von Kunst. Und der Islam kann auch in der heutigen Zeit relevant für Kunst sein."
Für El Seed soll es nicht das letzte Projekt in Tunesien gewesen sein. Er will Jugendlichen das Malen beibringen - seinen Teil dazu beitragen, dass die Revolution nicht umsonst war.
El Seed tritt an den Tisch - weite Hosen, schwarze Brille, gestutzter Vollbart - nimmt sich einen Beutel und breitet sorgfältig einen kleinen Berg Safran aus. Mit dem Pinsel fährt der 30 Jahre alte Franzose in schnellen Strichen durch das goldene Pulver. Er nutzt das Gewürz wie eine Farbe. Für Laien sieht das Ergebnis nach verschnörkelten Linien aus. Für El Seed ist es ein Kalligraffiti: Eine Mischung aus den traditionellen Kalligraphien des Islam, Bildern aus verzierten arabischen Buchstaben. Und aus dem modernen Graffiti.
"Beide spielen mit Buchstaben, nutzen sie, verschönern sie. Sie haben dieselbe Quelle. Wir nehmen diese Jahrhunderte alte Kunst und geben ihr für die heutige Zeit eine neue Relevanz."
Dabei sind arabische Buchstaben auch für El Seed lange ein einziges Durcheinander. Noch vor seiner Geburt ziehen die Eltern von Tunesien nach Frankreich, in die Banlieues von Paris. Obwohl sie Muslime sind, spielt der Islam keine Rolle. Wie viele arabischstämmige Jugendliche sieht El Seed in den 90er-Jahren eine Chance sich durch Hip Hop auszudrücken. In seinem Fall durch Graffitis auf Wänden und Zügen. Über die Liebe zu Buchstaben kommt auch der Wunsch Arabisch zu können, die Eltern hatten es ihm nie beigebracht.
"Ich musste meine Wurzeln finden, etwas über meine Kultur und meine Geschichte lernen. Also habe ich angefangen Arabisch zu lernen. So ist alles für mich zusammengekommen. Der Islam, Hip Hop und Graffiti. Dadurch habe ich meinen eigenen Kodex aufgestellt. Du kannst gleichzeitig Hip Hop und Muslim sein."
Auch bei seiner Live-Malerei sind beide Elemente untrennbar miteinander verbunden. Zu arabischem Rap malt El Seed mit den Eddings in ruckartigen Bewegungen. So schnell wie jemand, der früher jederzeit bereit war von der Polizei erwischt zu werden und wegzurennen. Von links nach rechts, von oben nach unten; in rot, hellblau oder schwarz entstehen Kreise, Kurven und Halbkreise – die arabischen Wörter für Liebe, Einheit oder Frieden. Dazu werden Fotos und Videos auf die Leinwand projiziert. Bilder aus Syrien oder Tunesien. Bilder der arabischen Revolutionen, die laut El Seed für die islamische Kunstwelt ein einschneidendes Ereignis waren.
"Vorher hattest du nicht das Recht deine Meinung frei zu äußern. Jetzt darfst du dich ausdrücken. Ich denke also dank der Revolutionen, wie in Tunesien, gibt es jetzt mehr Künstler. Und das sieht man auch. Du machst es, weil die Menschen dann deine Botschaften lesen können."
El Seed war schon vor den Aufständen ein erfolgreicher Künstler mit Solo-Ausstellungen - vor allem in Frankreich und in Kanada, wo er momentan in Montreal lebt. Heute bezeichnet er sich auch als politisch motiviert. "Arabs agree to disagree", heißt es in einem seiner Bilder, selbst für seine Kalligraffitis ein extrem buntes und dichtes Wirrwarr. "Die Araber sind sich einig, dass sie sich nicht einig sind." Das bekundet Stolz. Aber auch, dass es nach dem Ende der autoritären Regierungen neue und alte Konflikte zwischen den Religionen und Volksgruppen gibt.
In Gabès, der tunesischen Heimatstadt seiner Eltern, die auch El Seed als Heimat bezeichnet, wollte er ein Zeichen gegen diese Konflikte setzen. In der Küstenstadt hat er in wochenlanger Arbeit ein fast 60 Meter hohes Minarett bemalt. Das Bild erscheint wie ein Labyrinth aus überlagerten Wellen. Weiße Linien im Hintergrund. In der Mitte, etwa 20 Meter hoch und fünf Meter breit, ein Block aus schwarzen Geraden, Wellen und Kurven – ein Zitat aus dem Koran: "Oh ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget."
"Man kann unterschiedlich sein und trotzdem zusammen leben. Das will ich den Menschen in Tunesien sagen. Und es geht auch eine Botschaft an die Welt. Die Stadt und auch der Imam der Moschee haben das Projekt unterstützt. Kalligraffiti zeigt, dass der Islam eine weltoffene Religion ist. Es ist ein großer Schritt hin zur Demokratisierung von Kunst. Und der Islam kann auch in der heutigen Zeit relevant für Kunst sein."
Für El Seed soll es nicht das letzte Projekt in Tunesien gewesen sein. Er will Jugendlichen das Malen beibringen - seinen Teil dazu beitragen, dass die Revolution nicht umsonst war.