"Multiplizieren ist menschlich"
Mit seiner ersten Berliner "Kampfgalerie" wollte René Block in den 60er-Jahren einer bestimmten Generation von jungen deutschen Künstlern Anerkennung erstreiten: Gerhard Richter, Sigmar Polke, Wolf Vostell und auch Beuys seien damals kaum beachtet worden.
Susanne Führer: Seit 45 Jahren gibt es die Edition Block, also erschwingliche Kunstwerke in Serie. Damit wollte René Block – einer der Wegbereiter der Fluxus-Bewegung –, damit wollte er in den 60er-Jahren den Kunstmarkt demokratisieren. Edition Block, das sind Werke von Joseph Beuys, von Sigmar Polke, Gerhard Richter, Nam June Paik, und, und, und so weiter. Seit den 60er-Jahren hat René Block Kunst produziert, verlegt, kuratiert, gesammelt, gefördert und zugänglich gemacht. Er feiert das Jubiläum jetzt in den Räumen der Edition in der Berliner Heidestraße mit einer großen Ausstellung, und aus diesem Anlass hat Alexandra Mangel mit ihm gesprochen, aber zuerst hören wir mal hinein in die Ausstellung.
(Musikeinspielung)
Alexandra Mangel: Was hören wir hier gerade?
René Block: Wir hören hier gerade in eine Arbeit hinein, die heißt "Mozart Mix" und wurde von John Cage 1991, ein Jahr vor seinem Tode, gemacht. Cage mischt hier fünf verschiedene Genres von Mozartmusik: Sinfonie, Kammermusik, Klaviermusik, Oper – da diese Beispiele auf Endloskassetten unterschiedlicher Länge damals gespielt wurden, wird es niemals die gleiche Klangkombination aufweisen. Es wird sich immer verändern.
Mangel: Also, es ist ein hölzerner Koffer, in dem fünf Kassettenrekorder und die Endloskassetten ...
Block: ... 25 Endloskassetten liegen, und die Auflage ist 36. Also, es gibt kein Unikat davon, es gibt kein sogenanntes Original. Alle sind Originale.
Mangel: Wie ging das los mit der Edition Block vor 45 Jahren, 1966? Sie waren 24, hatten Ihre erste eigene Galerie im Keller in der Frobenstraße 18 in Berlin für 50 Mark Miete damals eröffnet.
Block: Richtig.
Mangel: Wie kam die Idee zu dieser Edition auf, zu Kunstwerken in Serie?
Block: Das Stichwort wäre Fluxus, und der George Maciunas, der Gründer von Fluxus, hat in New York zu der Zeit kleine Objekte herausgegeben, diese Fluxus-Boxen konzipiert in unlimitierten Auflagen. Und Maciunas war ja sehr politisch engagiert, kommt eher aus einer kommunistischen Tradition, war also sehr anti Kunstmarkt, hat alles fürchterlich bekämpft, was mit Kunstmarkt zu tun hat.
Und diese Endlosproduktion von diesen kleinen Objekten bedeutete auch, dass die sehr preiswert sein sollten, so wie ein Taschenbuch – nicht teurer als ein Taschenbuch vielleicht. Ich habe von dieser Idee gehört, gleichzeitig, Mitte der 60er-Jahre, waren ja die Vorboten der sogenannten Studentenunruhen. Das heißt, man diskutierte ja schon, auch unter Künstlern, Demokratisierungsprozesse: Wie kann auch der Kunstmarkt demokratisiert werden? Und da spielt natürlich eine große Rolle der Aspekt der Erwerbbarkeit von Kunstwerken. Das heißt, der Preis. Multiplizieren ist menschlich, Erfinden ist göttlich, so sagte einmal Man Ray. Wir wollten eigentlich menschlich sein.
Mangel: Von einzelnen Beuys-Multiples sind ja Tausende Exemplare verkauft worden. Beuys hat ja nicht dann in Serie produziert. Oder hat der dann am Fließband signiert, oder wie kann man sich das vorstellen dann in der Produktion?
Block: Das war eigentlich sehr interessant, dass Beuys erst ein wenig zögerlich war, weil er sich unter multiplizierten, immer mehr noch so Druckgrafik und so etwas vorstellte, und damit hatte er gar kein Verhältnis und damit wollte er auch nichts zu tun haben. Was Sie ansprechen, ist ein Multiple, das später entstanden ist, diese berühmte Kiste "Intuition", von der, glaube ich, 20.000 Stück hergestellt worden sind.
Da war auch die Idee eben, einen Preis zu haben wie ein Taschenbuch, das man mitnehmen kann als Geschenkchen. Aber es ist tatsächlich so, Beuys hat diese Kistchen nicht selbst gezimmert, aber er hat in jede Kiste doch Intuition hineingeschrieben, ...
Mangel: 20.000-mal.
Block: ... und auf der Rückseite signiert, so im Laufe der Jahre.
Mangel: Wer hat denn die Objekte damals gekauft? Waren das nur die Eingeweihten aus dem Kunstzirkel, oder konnte man da auch wirklich noch andere Leute ansprechen und erreichen?
Block: Also, wir haben schon ein junges Publikum erreicht mit diesen Multiples. Insofern ist die Strategie schon aufgegangen. Auf dem Kölner Kunstmarkt 69 hatten wir ja eine große Arbeit von Beuys, diesen Volkswagenbus, aus dem 24 Schlitten springen, die einen damals sensationell hohen Preis haben musste. Ich habe mich da an Bildern von Rauschenberg und Warhol orientiert und den gleichen Preis verlangt, den diese Bilder kosten sollten.
Mangel: 100.000 damals?
Block: Und das waren 115.000 Mark, ein für einen deutschen Künstler absurd hoher Preis, damals. Aber gleichzeitig ...
Mangel: Den sie aber bekommen haben?
Block: Am Ende, ja, am Ende, ja. Es waren spannende Tage. Aber gleichzeitig haben wir eben diesen Schlitten noch mal in etwas anderer Form als Multiple herausgegeben ...
Mangel: Mit Filz umwickelt und so einer Taschenlampe an der Seite.
Block: ... und einer Fettecke darauf montiert, die Beuys-Markenzeichen, der als Multiple dann 300 Mark gekostet hat, Auflage 50 Stück. Und der ist auf diesem Kunstmarkt verkauft worden, vorwiegend an junge Leute.
Mangel: Die sich heute freuen werden, denn der Schlitten steht heute ja zum Beispiel im MoMA in New York, also im Museum of Modern Art.
Block: Ja, das ist so eine merkwürdige Entwicklung der Zeit. Also, es sind ja damals auch fast sämtliche Museumsdirektoren über den Kölner Kunstmarkt gelaufen – für 300 Mark hat niemand den Schlitten gekauft. Museen kauften, als er 120.000 gekostet hat.
Mangel: Sie haben Ihre Galerie in der Frobenstraße 1964 Kampfgalerie genannt. Wem hatten Sie damals den Kampf angesagt?
Block: Wir haben nicht gegen jemanden gekämpft, sondern wir haben für etwas gekämpft. Wir haben eigentlich gekämpft für die Anerkennung einer bestimmten Generation von jungen deutschen Künstlern – damals jungen deutschen Künstlern wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Wolf Vostell, auch Beuys zählte noch dazu, Hödicke, Bremer, das waren Künstler, die damals sehr im Abseits waren, um die sich eigentlich ...
Mangel: Außenseiter.
Block: ... 64 niemand gekümmert hat. Und es ging darum, diesen Künstlern den Stellenwert, den ich damals schon vermutete, irgendwie mit zu erstreiten. Parallel dazu gab es international die Künstler der Fluxus-Bewegung, vor allen Dingen Nam June Paik mit dem wir sehr früh und sehr viel gearbeitet haben.
Mangel: Sie haben in Berlin ja selbst als Tellerwäscher, als Kellner angefangen. Was hat Sie damals zu dieser Kunst hingezogen, hingetrieben? Was hat Sie da angetrieben?
Block: Ich kann da nur sagen, meine Unerfahrenheit. Und Neugierde, und etwas zu tun, was andere nicht getan haben. Ich fand die Berliner Kunstszene 64 sehr, sehr akademisch. In dieses so ein bisschen hineinzustechen – und das traut man sich eben, wenn man jung ist, und wenn man, sagen wir mal keine Verantwortung hat.
Mangel: Wenn Sie das jetzt auf heute beziehen, da sind natürlich die jungen Leute, die in den 60ern angefangen haben, sich dafür zu begeistern, sind heute etabliert, haben vielleicht den Beuys-Schlitten noch zu Hause, stehen aber ...
Block: Wenn sie Glück haben, ja.
Mangel: Genau. Was ist heute mit jungen Leuten? Die Idee, hat die weitergetragen, oder haben wir heute eigentlich noch einen viel elitäreren und viel abgeschlosseneren Kunstzirkel, als es damals der Fall war?
Block: Ja, der Markt hat sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte schon sehr stark verändert. Es ist ein viel größeres Interesse heute an Kultur und speziell auch an bildender Kunst, auch bei jungen Leuten, als es damals war, also quantitativ. Es sind viel mehr junge Leute unterwegs zu Biennalen, zur documenta, zu Kunstmessen und so weiter. Und man spürt das wirklich. Es gibt dann auch auf Kunstmärkten heute wirklich so eine Art Fieber in den ersten Tagen. Die Menschen suchen regelrecht nach Dingen, die sie vielleicht erwerben können. Viel scheitert natürlich am Preis, man kann etablierte Künstler nicht so ganz einfach kaufen. Und dann ist ...
Mangel: Was kosten Objekte aus Ihrer Edition heute?
Block: Nun, wir versuchen, mit Neuproduktionen nach wie vor sehr preiswert zu sein. Der Preis, den man vielleicht für ein großes Objekt – ich nenne jetzt einmal die Summe 60.000 –, dass man, wenn man ein Multiple macht in einer Zwölfer-Auflage, dass man auch diese Summe in gewisser Weise teilt, dass man dann vielleicht auf einen Preis von 5000 bis 6000 Euro käme. Und wir ringen da oft mit den Künstlern, die dann sagen, ihr bietet uns unter unserem Marktwert an. Aber wir sagen: Das ist es ja gerade, darum machen wir das ja.
Mangel: Trotzdem sind ja selbst das noch Preise, die viele Leute auch natürlich nicht erreichen können. Sie hatten ja damals zum Beispiel auch die Idee, in die Schulen zu gehen, dass man da Schulbibliotheken hat, wo diese Objekte sind, und dass man ein Bildwissen oder ein Kunstwissen so erzeugt, wie man eben lesen lernt. Das ist ja in weite Ferne gerückt. Also, stimmt Sie das auch so ein bisschen traurig, wenn Sie heute sehen, dass die alte Idee, wirklich demokratisch auch andere Schichten zu erreichen, dass man sich davon hat verabschieden müssen?
Block: Ja, das ist natürlich schade, dass wäre schön, wenn diese Idee sich je hätte verwirklichen lassen. Und es ging eigentlich diese Idee dahin, dass man in Schulen neben einer Bibliothek eben auch so eine Art Artothek haben sollte, wie zum Beispiel diese Kiste von Beuys, "Intuition", die nur acht Mark gekostet hat, wie ein Buch. Und es gibt eine ganze Serie von Kunstwerken, die auf dieser Ebene publiziert worden sind.
Wenn man das eben systematisch in Schulen angegliedert hätte, sodass auch die Schüler schon mit diesen Kunstwerken umgehen, dass sie sich selbst kleine Ausstellungen einrichten könnten. Also, wenn man durch diesen Prozess von vornherein höhere Auflagen, also dadurch auch industrielle Produktionsmöglichkeiten, wovon ja Künstler immer geträumt haben. Also ein bisschen die Katze, die sich in den Schwanz beißt, weil das eine nicht geht, geht das andere auch nicht. Es ist natürlich schade, dass wir die in diesen hohen Auflagen nicht produzieren können, denn Künstler würden für solche Möglichkeiten auch spezielle Ideen entwickeln.
Mangel: Denken Sie heute manchmal, wenn Sie sich den Kunstmarkt jetzt so anschauen und die Kunstszene, dass es vielen Gegenwartskünstlern heute ganz gut zu Gesicht stehen würde, sich mehr in diese Gesellschaft einzubringen, sich mehr raus aus dieser Szene und mehr mal weg von Venedig, Basel und Miami zu bewegen?
Block: Ich habe es längst aufgegeben, mich in Richtung Miami und Venedig und solche Orte zu begeben. Wir nehmen nicht an Kunstmärkten teil, wir sind fern - bewusst fern - von diesem Rummel. Wir arbeiten hier und warten, dass Interessenten kommen, und es dauert natürlich oft sehr lange, ehe ein Produkt auch in einer kleinen Auflage letztendlich dann ausverkauft ist, während auf Kunstmärkten das manchmal in drei Tagen geht. Aber das finde ich nicht so interessant.
Führer: Und was René Block in den letzten 45 Jahren interessiert hat, das kann man jetzt in einer Ausstellung sehen, in den Räumen der Edition Block in Berlin, das ist in der Heidestraße 50, und die Ausstellung dauert noch bis zum 26. November.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
(Musikeinspielung)
Alexandra Mangel: Was hören wir hier gerade?
René Block: Wir hören hier gerade in eine Arbeit hinein, die heißt "Mozart Mix" und wurde von John Cage 1991, ein Jahr vor seinem Tode, gemacht. Cage mischt hier fünf verschiedene Genres von Mozartmusik: Sinfonie, Kammermusik, Klaviermusik, Oper – da diese Beispiele auf Endloskassetten unterschiedlicher Länge damals gespielt wurden, wird es niemals die gleiche Klangkombination aufweisen. Es wird sich immer verändern.
Mangel: Also, es ist ein hölzerner Koffer, in dem fünf Kassettenrekorder und die Endloskassetten ...
Block: ... 25 Endloskassetten liegen, und die Auflage ist 36. Also, es gibt kein Unikat davon, es gibt kein sogenanntes Original. Alle sind Originale.
Mangel: Wie ging das los mit der Edition Block vor 45 Jahren, 1966? Sie waren 24, hatten Ihre erste eigene Galerie im Keller in der Frobenstraße 18 in Berlin für 50 Mark Miete damals eröffnet.
Block: Richtig.
Mangel: Wie kam die Idee zu dieser Edition auf, zu Kunstwerken in Serie?
Block: Das Stichwort wäre Fluxus, und der George Maciunas, der Gründer von Fluxus, hat in New York zu der Zeit kleine Objekte herausgegeben, diese Fluxus-Boxen konzipiert in unlimitierten Auflagen. Und Maciunas war ja sehr politisch engagiert, kommt eher aus einer kommunistischen Tradition, war also sehr anti Kunstmarkt, hat alles fürchterlich bekämpft, was mit Kunstmarkt zu tun hat.
Und diese Endlosproduktion von diesen kleinen Objekten bedeutete auch, dass die sehr preiswert sein sollten, so wie ein Taschenbuch – nicht teurer als ein Taschenbuch vielleicht. Ich habe von dieser Idee gehört, gleichzeitig, Mitte der 60er-Jahre, waren ja die Vorboten der sogenannten Studentenunruhen. Das heißt, man diskutierte ja schon, auch unter Künstlern, Demokratisierungsprozesse: Wie kann auch der Kunstmarkt demokratisiert werden? Und da spielt natürlich eine große Rolle der Aspekt der Erwerbbarkeit von Kunstwerken. Das heißt, der Preis. Multiplizieren ist menschlich, Erfinden ist göttlich, so sagte einmal Man Ray. Wir wollten eigentlich menschlich sein.
Mangel: Von einzelnen Beuys-Multiples sind ja Tausende Exemplare verkauft worden. Beuys hat ja nicht dann in Serie produziert. Oder hat der dann am Fließband signiert, oder wie kann man sich das vorstellen dann in der Produktion?
Block: Das war eigentlich sehr interessant, dass Beuys erst ein wenig zögerlich war, weil er sich unter multiplizierten, immer mehr noch so Druckgrafik und so etwas vorstellte, und damit hatte er gar kein Verhältnis und damit wollte er auch nichts zu tun haben. Was Sie ansprechen, ist ein Multiple, das später entstanden ist, diese berühmte Kiste "Intuition", von der, glaube ich, 20.000 Stück hergestellt worden sind.
Da war auch die Idee eben, einen Preis zu haben wie ein Taschenbuch, das man mitnehmen kann als Geschenkchen. Aber es ist tatsächlich so, Beuys hat diese Kistchen nicht selbst gezimmert, aber er hat in jede Kiste doch Intuition hineingeschrieben, ...
Mangel: 20.000-mal.
Block: ... und auf der Rückseite signiert, so im Laufe der Jahre.
Mangel: Wer hat denn die Objekte damals gekauft? Waren das nur die Eingeweihten aus dem Kunstzirkel, oder konnte man da auch wirklich noch andere Leute ansprechen und erreichen?
Block: Also, wir haben schon ein junges Publikum erreicht mit diesen Multiples. Insofern ist die Strategie schon aufgegangen. Auf dem Kölner Kunstmarkt 69 hatten wir ja eine große Arbeit von Beuys, diesen Volkswagenbus, aus dem 24 Schlitten springen, die einen damals sensationell hohen Preis haben musste. Ich habe mich da an Bildern von Rauschenberg und Warhol orientiert und den gleichen Preis verlangt, den diese Bilder kosten sollten.
Mangel: 100.000 damals?
Block: Und das waren 115.000 Mark, ein für einen deutschen Künstler absurd hoher Preis, damals. Aber gleichzeitig ...
Mangel: Den sie aber bekommen haben?
Block: Am Ende, ja, am Ende, ja. Es waren spannende Tage. Aber gleichzeitig haben wir eben diesen Schlitten noch mal in etwas anderer Form als Multiple herausgegeben ...
Mangel: Mit Filz umwickelt und so einer Taschenlampe an der Seite.
Block: ... und einer Fettecke darauf montiert, die Beuys-Markenzeichen, der als Multiple dann 300 Mark gekostet hat, Auflage 50 Stück. Und der ist auf diesem Kunstmarkt verkauft worden, vorwiegend an junge Leute.
Mangel: Die sich heute freuen werden, denn der Schlitten steht heute ja zum Beispiel im MoMA in New York, also im Museum of Modern Art.
Block: Ja, das ist so eine merkwürdige Entwicklung der Zeit. Also, es sind ja damals auch fast sämtliche Museumsdirektoren über den Kölner Kunstmarkt gelaufen – für 300 Mark hat niemand den Schlitten gekauft. Museen kauften, als er 120.000 gekostet hat.
Mangel: Sie haben Ihre Galerie in der Frobenstraße 1964 Kampfgalerie genannt. Wem hatten Sie damals den Kampf angesagt?
Block: Wir haben nicht gegen jemanden gekämpft, sondern wir haben für etwas gekämpft. Wir haben eigentlich gekämpft für die Anerkennung einer bestimmten Generation von jungen deutschen Künstlern – damals jungen deutschen Künstlern wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Wolf Vostell, auch Beuys zählte noch dazu, Hödicke, Bremer, das waren Künstler, die damals sehr im Abseits waren, um die sich eigentlich ...
Mangel: Außenseiter.
Block: ... 64 niemand gekümmert hat. Und es ging darum, diesen Künstlern den Stellenwert, den ich damals schon vermutete, irgendwie mit zu erstreiten. Parallel dazu gab es international die Künstler der Fluxus-Bewegung, vor allen Dingen Nam June Paik mit dem wir sehr früh und sehr viel gearbeitet haben.
Mangel: Sie haben in Berlin ja selbst als Tellerwäscher, als Kellner angefangen. Was hat Sie damals zu dieser Kunst hingezogen, hingetrieben? Was hat Sie da angetrieben?
Block: Ich kann da nur sagen, meine Unerfahrenheit. Und Neugierde, und etwas zu tun, was andere nicht getan haben. Ich fand die Berliner Kunstszene 64 sehr, sehr akademisch. In dieses so ein bisschen hineinzustechen – und das traut man sich eben, wenn man jung ist, und wenn man, sagen wir mal keine Verantwortung hat.
Mangel: Wenn Sie das jetzt auf heute beziehen, da sind natürlich die jungen Leute, die in den 60ern angefangen haben, sich dafür zu begeistern, sind heute etabliert, haben vielleicht den Beuys-Schlitten noch zu Hause, stehen aber ...
Block: Wenn sie Glück haben, ja.
Mangel: Genau. Was ist heute mit jungen Leuten? Die Idee, hat die weitergetragen, oder haben wir heute eigentlich noch einen viel elitäreren und viel abgeschlosseneren Kunstzirkel, als es damals der Fall war?
Block: Ja, der Markt hat sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte schon sehr stark verändert. Es ist ein viel größeres Interesse heute an Kultur und speziell auch an bildender Kunst, auch bei jungen Leuten, als es damals war, also quantitativ. Es sind viel mehr junge Leute unterwegs zu Biennalen, zur documenta, zu Kunstmessen und so weiter. Und man spürt das wirklich. Es gibt dann auch auf Kunstmärkten heute wirklich so eine Art Fieber in den ersten Tagen. Die Menschen suchen regelrecht nach Dingen, die sie vielleicht erwerben können. Viel scheitert natürlich am Preis, man kann etablierte Künstler nicht so ganz einfach kaufen. Und dann ist ...
Mangel: Was kosten Objekte aus Ihrer Edition heute?
Block: Nun, wir versuchen, mit Neuproduktionen nach wie vor sehr preiswert zu sein. Der Preis, den man vielleicht für ein großes Objekt – ich nenne jetzt einmal die Summe 60.000 –, dass man, wenn man ein Multiple macht in einer Zwölfer-Auflage, dass man auch diese Summe in gewisser Weise teilt, dass man dann vielleicht auf einen Preis von 5000 bis 6000 Euro käme. Und wir ringen da oft mit den Künstlern, die dann sagen, ihr bietet uns unter unserem Marktwert an. Aber wir sagen: Das ist es ja gerade, darum machen wir das ja.
Mangel: Trotzdem sind ja selbst das noch Preise, die viele Leute auch natürlich nicht erreichen können. Sie hatten ja damals zum Beispiel auch die Idee, in die Schulen zu gehen, dass man da Schulbibliotheken hat, wo diese Objekte sind, und dass man ein Bildwissen oder ein Kunstwissen so erzeugt, wie man eben lesen lernt. Das ist ja in weite Ferne gerückt. Also, stimmt Sie das auch so ein bisschen traurig, wenn Sie heute sehen, dass die alte Idee, wirklich demokratisch auch andere Schichten zu erreichen, dass man sich davon hat verabschieden müssen?
Block: Ja, das ist natürlich schade, dass wäre schön, wenn diese Idee sich je hätte verwirklichen lassen. Und es ging eigentlich diese Idee dahin, dass man in Schulen neben einer Bibliothek eben auch so eine Art Artothek haben sollte, wie zum Beispiel diese Kiste von Beuys, "Intuition", die nur acht Mark gekostet hat, wie ein Buch. Und es gibt eine ganze Serie von Kunstwerken, die auf dieser Ebene publiziert worden sind.
Wenn man das eben systematisch in Schulen angegliedert hätte, sodass auch die Schüler schon mit diesen Kunstwerken umgehen, dass sie sich selbst kleine Ausstellungen einrichten könnten. Also, wenn man durch diesen Prozess von vornherein höhere Auflagen, also dadurch auch industrielle Produktionsmöglichkeiten, wovon ja Künstler immer geträumt haben. Also ein bisschen die Katze, die sich in den Schwanz beißt, weil das eine nicht geht, geht das andere auch nicht. Es ist natürlich schade, dass wir die in diesen hohen Auflagen nicht produzieren können, denn Künstler würden für solche Möglichkeiten auch spezielle Ideen entwickeln.
Mangel: Denken Sie heute manchmal, wenn Sie sich den Kunstmarkt jetzt so anschauen und die Kunstszene, dass es vielen Gegenwartskünstlern heute ganz gut zu Gesicht stehen würde, sich mehr in diese Gesellschaft einzubringen, sich mehr raus aus dieser Szene und mehr mal weg von Venedig, Basel und Miami zu bewegen?
Block: Ich habe es längst aufgegeben, mich in Richtung Miami und Venedig und solche Orte zu begeben. Wir nehmen nicht an Kunstmärkten teil, wir sind fern - bewusst fern - von diesem Rummel. Wir arbeiten hier und warten, dass Interessenten kommen, und es dauert natürlich oft sehr lange, ehe ein Produkt auch in einer kleinen Auflage letztendlich dann ausverkauft ist, während auf Kunstmärkten das manchmal in drei Tagen geht. Aber das finde ich nicht so interessant.
Führer: Und was René Block in den letzten 45 Jahren interessiert hat, das kann man jetzt in einer Ausstellung sehen, in den Räumen der Edition Block in Berlin, das ist in der Heidestraße 50, und die Ausstellung dauert noch bis zum 26. November.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.