Mumien, Schätze, alte Mauern
Ob die Abenteuer Heinrich Schliemanns oder die Entdeckung des Grabs von Tut Ench Amun: Der Journalist C. W. Ceram hat die spektakulärsten Erfolge der Archäologie in dem Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" festgehalten. 1949 erschienen, wurde das Buch schnell zum Klassiker für Archäologie- und Abenteuerbegeisterte. Nun kommt eine überarbeite Neuauflage heraus.
Götter, Gräber und Gelehrte - schon der Titel ist genial, verspricht Mystik, Abenteuer und Wissen. Ein Titel, der von einem erfahrenen Journalisten stammen muss. Und das war Kurt Wilhelm Marek oder C. W. Ceram. In den turbulenten zwanziger Jahren lernte der 1918 in Berlin Geborene sein Handwerk als Reporter, in der Nazizeit sattelte er um zum Wissenschaftsautor, war allerdings auch in den Propagandatruppen von Goebbels tätig, die den Krieg publizistisch verteidigten.
Nach dem Krieg erst beginnt der eigentliche Aufstieg. Er nahm den neuen Namen Ceram an, das von hinten gelesene Anagram von Marek, und setzte sich mit dieser Namenswahl ab von seinem früheren Schaffen, machte sich aber auch exotischer, interessanter. Ceram wird Mitgründer des Rowohlt-Verlags, der mit seinen preiswerten Taschenbüchern eine verlegerische Revolution in Deutschland einleitet. Er geht 1954 in die USA, kehrt 1971 zurück nach Deutschland, stirbt ein Jahr später überraschend.
Da ist er schon seit Jahrzehnten weitberühmt. Sein 1949 erstmals erschienenes Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" war eine Sensation, und auch wenn das Sensationelle daraus gewichen ist, nämlich die Archäologie selbst als eine historisch gewachsene Wissenschaft zu betrachten: Dies Buch hat nichts von seiner Frische, von seiner Spannung verloren. Wie Ceram am Mythos von Heinrich Schliemann weiterstrickt, dem Jungen, der mit Homers llias in der Hand Troja findet, wie er Howard Carters Entdeckung des Grabs von Tut Ench Amun im Tal der Könige dramatisiert, das ist unübertroffen. Er schöpfte meist aus den Memoiren der Beteiligten und fügte nur die Stimmung hinzu, aber das unerhört gekonnt. Kaum einer, der nach 1940 zur Archäologie fand, tat dies ohne Götter, Gräber und Gelehrte.
Das rechtfertigt auch eine Neuauflage des Buches, auch wenn es eigentlich in weiten Bereichen überholt ist. Zwar gibt es kleinere Aktualisierungen wie den Hinweis darauf, dass dieser und jener Ort unter Welterbe stehen - aber sie stören eher. Dies ist längst ein historisches Buch geworden, das keiner Detailaktualisierung bedarf. Wir korrigieren ja auch andere Klassiker nicht. Besser wäre es gewesen, stattdessen wieder die alten Zeichnungen und Karten in das Buch einzufügen und die Chronologie wieder nach dem didaktisch sinnvollen Modell von Cerams Urauflage herzustellen, die Kunst und Politik zusammengebunden hat.
Es ist also ein historisches Buch. Und als solches muss es gelesen werden. Winkelmanns Homosexualität und dessen Einfluss auf die Konstruktion eines idealschönen Griechenlandbildes werden heute offen debattiert, Ceram musste noch verdruckst von "seiner besonderen Veranlagung" schreiben. Wir interessieren uns für die enge Verbindung, die es zwischen dem Kampf der Kolonialstaaten um die Vormacht in der Welt, zwischen Nationalismus und Archäologie gegeben hat. Seit Suzanne Marchands aus unerfindlichen Gründen bis heute nicht übersetzter, 1996 erschienener Studie "Down from Olympus" ist die intime Verbindung zwischen dem deutschen Gymnasialsystem, der Machtbehauptung bürgerlicher Mittelschichten und der klassischen Archäologie ein Thema. Ceram aber schrieb, als Indien noch um seine Unabhängigkeit rang, als das bürgerliche Gesellschaftssystem unangetastet schien.
Wir wollen heute etwas wissen über die Rolle von Frauen wie Gertrud Bell, die zwischen 1915 und 1940 nicht nur als Ausgräberin eine Größe war, sondern auch den Irak und Jordanien aus der Taufe der britischen Kolonialpolitik im Vorderen Orient nach dem Ersten Weltkrieg hob. Und selbstverständlich von Agatha Christie, die als Frau eines Archäologen einen guten Teil ihrer kriminalistischen Methodik und ihrer Motive diesem Metier entnahm. Ceram, wenn er heute schreiben würde, hätte sicher über all dies geschrieben, auch ein Kapitel über den Pergamonaltar und seine sensationelle Entdeckung durch den Ingenieur Carl Human aufgenommen - schon alleine der Romantik dieser Verbindung aus moderner Technik und alter Kunst wegen.
Auch die Gräber der chinesischen Tang-Kaiser wären seinem scharfen Blick nicht entgangen, so wenig wie die überragende Bedeutung der Vor- und Frühgeschichtlichen Funde in Ostafrika, der Felsmalereien in Südafrika, der Ruinen von Simbabwe, der Lehmbauten in Mali und der Bronzen von Benin. Doch für ihn war Geschichte noch ganz selbstverständlich Geschichte Europas und des Mittelmeerraumes sowie Mittelamerikas - ein Zugeständnis an den amerikanischen Markt. Immerhin war er so revolutionär, dass er den Maya zugestand, nicht nur genau so faszinierende Pyramiden wie die alten Ägypter errichtet, sondern eine größere Leistung als diese vollbracht zu haben, weil sie, die Maya, keinen Pflug, kein Rad kannten.
Es wird also Zeit für einen neuen Ceram - den alten wird man weiter lesen, romantisch verzaubert von den Geschichten um den Turm von Babel und die Hieroglyphen, die durch einen jungen Franzosen fast im Alleingang entziffert wurden, um einen dunklen Brunnen auf Yucatan, in dem einst Jungfrauen geopfert und nun Tausende von Obsidianklingen und Türkisbesetzte Schmuckstücke geborgen wurden.
Rezensiert von Nikolaus Bernau
C. W. Ceram: Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie
Überarbeitete Neuauflage
Rowohlt 2008, 468 Seiten, 15 Euro
Nach dem Krieg erst beginnt der eigentliche Aufstieg. Er nahm den neuen Namen Ceram an, das von hinten gelesene Anagram von Marek, und setzte sich mit dieser Namenswahl ab von seinem früheren Schaffen, machte sich aber auch exotischer, interessanter. Ceram wird Mitgründer des Rowohlt-Verlags, der mit seinen preiswerten Taschenbüchern eine verlegerische Revolution in Deutschland einleitet. Er geht 1954 in die USA, kehrt 1971 zurück nach Deutschland, stirbt ein Jahr später überraschend.
Da ist er schon seit Jahrzehnten weitberühmt. Sein 1949 erstmals erschienenes Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" war eine Sensation, und auch wenn das Sensationelle daraus gewichen ist, nämlich die Archäologie selbst als eine historisch gewachsene Wissenschaft zu betrachten: Dies Buch hat nichts von seiner Frische, von seiner Spannung verloren. Wie Ceram am Mythos von Heinrich Schliemann weiterstrickt, dem Jungen, der mit Homers llias in der Hand Troja findet, wie er Howard Carters Entdeckung des Grabs von Tut Ench Amun im Tal der Könige dramatisiert, das ist unübertroffen. Er schöpfte meist aus den Memoiren der Beteiligten und fügte nur die Stimmung hinzu, aber das unerhört gekonnt. Kaum einer, der nach 1940 zur Archäologie fand, tat dies ohne Götter, Gräber und Gelehrte.
Das rechtfertigt auch eine Neuauflage des Buches, auch wenn es eigentlich in weiten Bereichen überholt ist. Zwar gibt es kleinere Aktualisierungen wie den Hinweis darauf, dass dieser und jener Ort unter Welterbe stehen - aber sie stören eher. Dies ist längst ein historisches Buch geworden, das keiner Detailaktualisierung bedarf. Wir korrigieren ja auch andere Klassiker nicht. Besser wäre es gewesen, stattdessen wieder die alten Zeichnungen und Karten in das Buch einzufügen und die Chronologie wieder nach dem didaktisch sinnvollen Modell von Cerams Urauflage herzustellen, die Kunst und Politik zusammengebunden hat.
Es ist also ein historisches Buch. Und als solches muss es gelesen werden. Winkelmanns Homosexualität und dessen Einfluss auf die Konstruktion eines idealschönen Griechenlandbildes werden heute offen debattiert, Ceram musste noch verdruckst von "seiner besonderen Veranlagung" schreiben. Wir interessieren uns für die enge Verbindung, die es zwischen dem Kampf der Kolonialstaaten um die Vormacht in der Welt, zwischen Nationalismus und Archäologie gegeben hat. Seit Suzanne Marchands aus unerfindlichen Gründen bis heute nicht übersetzter, 1996 erschienener Studie "Down from Olympus" ist die intime Verbindung zwischen dem deutschen Gymnasialsystem, der Machtbehauptung bürgerlicher Mittelschichten und der klassischen Archäologie ein Thema. Ceram aber schrieb, als Indien noch um seine Unabhängigkeit rang, als das bürgerliche Gesellschaftssystem unangetastet schien.
Wir wollen heute etwas wissen über die Rolle von Frauen wie Gertrud Bell, die zwischen 1915 und 1940 nicht nur als Ausgräberin eine Größe war, sondern auch den Irak und Jordanien aus der Taufe der britischen Kolonialpolitik im Vorderen Orient nach dem Ersten Weltkrieg hob. Und selbstverständlich von Agatha Christie, die als Frau eines Archäologen einen guten Teil ihrer kriminalistischen Methodik und ihrer Motive diesem Metier entnahm. Ceram, wenn er heute schreiben würde, hätte sicher über all dies geschrieben, auch ein Kapitel über den Pergamonaltar und seine sensationelle Entdeckung durch den Ingenieur Carl Human aufgenommen - schon alleine der Romantik dieser Verbindung aus moderner Technik und alter Kunst wegen.
Auch die Gräber der chinesischen Tang-Kaiser wären seinem scharfen Blick nicht entgangen, so wenig wie die überragende Bedeutung der Vor- und Frühgeschichtlichen Funde in Ostafrika, der Felsmalereien in Südafrika, der Ruinen von Simbabwe, der Lehmbauten in Mali und der Bronzen von Benin. Doch für ihn war Geschichte noch ganz selbstverständlich Geschichte Europas und des Mittelmeerraumes sowie Mittelamerikas - ein Zugeständnis an den amerikanischen Markt. Immerhin war er so revolutionär, dass er den Maya zugestand, nicht nur genau so faszinierende Pyramiden wie die alten Ägypter errichtet, sondern eine größere Leistung als diese vollbracht zu haben, weil sie, die Maya, keinen Pflug, kein Rad kannten.
Es wird also Zeit für einen neuen Ceram - den alten wird man weiter lesen, romantisch verzaubert von den Geschichten um den Turm von Babel und die Hieroglyphen, die durch einen jungen Franzosen fast im Alleingang entziffert wurden, um einen dunklen Brunnen auf Yucatan, in dem einst Jungfrauen geopfert und nun Tausende von Obsidianklingen und Türkisbesetzte Schmuckstücke geborgen wurden.
Rezensiert von Nikolaus Bernau
C. W. Ceram: Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie
Überarbeitete Neuauflage
Rowohlt 2008, 468 Seiten, 15 Euro