Mumins-Erfinderin

Pazifistisch, mutig, lesbisch

Tove Jansson, finnische Künstlerin, mit ihren Mumin-Figuren im Jahr 1956.
Tove Jansson, finische Künstlerin, mit ihren Muminfiguren im Jahr 1956 © dpa / picture-alliance / Lehtikuva Reino Loppinen
Von Eva Hepper |
Mit der Erschaffung einer Trollfamilie, den Mumins, wurde die finnische Schriftstellerin Tove Jansson weltbekannt. Dabei war sie weit mehr als nur eine Kinderbuchautorin. Tuula Karjalainen erschließt nun die Tiefe ihres vielfältigen Werkes.
Mit ihren Mumingeschichten wurde die finnlandschwedische Autorin Tove Jansson weltbekannt. Die liebenswerte Trollfamilie und ihre extravaganten Freunde kennt heute nicht nur in Finnland jedes Kind. Neun Bücher widmete Jansson den Mumins und unzählige Theateradaptionen, Fernsehserien und Comicstrips haben den Figuren zusätzlich eine riesige Fangemeinde rund um den Globus erschlossen.
Darüber gerieten die anderen Karrieren der 1914 in Helsinki geborenen Künstlerin in den Schatten. Tatsächlich war sie nicht nur als Kinderbuchautorin erfolgreich, sondern auch als Illustratorin und Comiczeichnerin. Zudem schuf Jansson ein reiches malerisches Œuvre, und ihre Romane und Novellen haben in Finnland und Schweden Klassikerstatus.
Zum 100. Geburtstag der vielseitigen Künstlerin legt die Kunsthistorikerin Tuula Karjalainen eine umfangreiche Biografie vor, die die "gesamte Jansson" in den Blick nimmt.
Atmosphäre des bohemienartigen Elternhauses
Karjalainen, die Jansson 1995 sechs Jahre vor deren Tod kennengelernt hatte, strukturiert ihr Buch chronologisch und thematisch. Ausführlich schildert sie Janssons Kindheit in einem schillernden Künstlerhaushalt.
Vieles von dem, was in Geschichten und Bildern später auftauchen sollte, wurzelt hier. Konkret, indem die junge Tove von der Mutter, der Illustratorin Signe Hammarsten, das Handwerk erlernte und vom Vater, dem Bildhauer Viktor Jansson, die Berufung zur Kunst übernahm. Und im übertragenen Sinne, indem Tove Jansson die Atmosphäre des bohemienartigen Elternhauses in Literatur und Kunst transformierte.
Muminmama und Muminpapa bei einer Theateraufführung im Vergnügungspark Mumin-Welt in Naantali in Finnland. In diesem Freizeitpark können große und kleine Besucher die Welt der Mumins entdecken, die von der dänischen Schriftstellerin Tove Jansson erdachten wurden.
Muminmama und Muminpapa bei einer Theateraufführung im Vergnügungspark Mumin-Welt in Naantali in Finnland. © picture alliance / dpa / Lehtikuva Nukari
Die Mumins nehmen auch in dieser Biografie eine Sonderstellung ein. Doch weiß Karjalainen insbesondere auch die Malerin zu würdigen. Ihrem großen Talent entsprechend, wird hier eine Vielzahl der Gemälde in Farbe abgebildet, die die Biografin kenntnisreich in den zeitgeschichtlichen Kontext einbettet. Hätte Jansson nicht während des Zweiten Weltkriegs die Gegenwelt der Mumins erfunden und deren Kosmos dann über Jahrzehnte hinweg entwickelt, wäre ihre Karriere anders verlaufen.
Biografie rückt den Menschen ins Licht
Doch so unterschiedlich ihre Talente auch waren: Tove Jansson war immer sie selbst, wie Karjalainen zeigt. Gestützt auf viele ihrer Briefe und Notizbücher, schildert die Biografin sie als frei denkende und mutig handelnde Persönlichkeit, die in der Natur der finnischen Inselwelten Kraft schöpfte.
Ohne sich je in den Dienst einer Sache zu stellen, bekannte Jansson doch stets Farbe. Politisch: als Pazifistin und mit Hitler- und Stalinkarikaturen in den 30er-Jahren. Beruflich: indem sie ihre erfolgreiche Muminserie entwickelte und unvermittelt beendete, nachdem sie keine Lust mehr auf die Trolle hatte. Und privat: ganz selbstverständlich in einer lesbischen Beziehung lebend, als das in Finnland noch (bis 1971) illegal war.
Karjalainen ist eine wunderbare Biografie gelungen, die zu Recht den renommierten Lauri-Jäntti-Preis als herausragendes finnisches Sachbuch bekam. Sie erschließt als Erste in dieser Tiefe Tove Janssons vielfältiges Werk und rückt auch den Menschen ins Licht.

Tuula Karjalainen: Tove Jansson: Die Biografie.
Aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel
Verlag Urachhaus, 2014
320 Seiten, 36,00 Euro