Christina Weiss ist Publizistin, Beraterin und Hochschullehrerin. Die Literaturwissenschaftlerin war von 2002 bis 2005 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Davor war sie zehn Jahre lang Kultursenatorin in Hamburg und zeitweise im Senat auch für die Gleichstellung zuständig. Weiss engagiert sich in verschiedenen Stiftungen und ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Es werden sich wieder lange Schlangen bilden
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Werden sich die Menschen an geschlossene Kulturorte gewöhnen? Keineswegs, sagt die frühere Kulturstaatsministerin Christina Weiss. Und widerspricht damit der Leiterin der Bonner Bundeskunsthalle, Eva Kraus, vehement. Nicht nur in diesem Punkt.
Noch sind Museen wegen der Pandemie geschlossen, noch finden Konzerte und Theateraufführungen nicht vor Publikum statt. Das kann noch eine Weile so weitergehen. Doch die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss befürchtet keinen Gewöhnungseffekt: "Die Leute werden die ganze Neugier, die sie haben, auch wieder auf die Museen richten. Und die Museen bieten gute Ausstellungen. Dann werden sie wahrscheinlich eher wieder Schlangen vor der Türe haben als zu vereinsamen."
Die Publizistin weist damit eine Sorge zurück, die die Leiterin der Bundeskunsthalle in Bonn, Eva Kraus, in Deutschlandfunk Kultur geäußert hatte. Kraus meinte: "Am Anfang ist das Bedürfnis groß, und irgendwann gewöhnt man sich daran, dass diese Dinge nicht mehr möglich sind."
Das lehne sie vollkommen ab, sagt Weiss. "Das ist ein Satz, mit dem ich nicht im Geringsten übereinstimmen kann." Auch die Theater würden mit ihren Streamingangeboten eine hohe Nachfrage vorweisen: "Das heißt, das Theaterpublikum vervielfacht sich sogar noch und möglicherweise kommen dann noch mehr, wenn sie es wieder live erleben können."
Museen sind Bildungsorte und selten Balsam für die Seele
Die Kulturstaatsministerin a.D. widerspricht Kraus auch in der Beschreibung, wonach Museen gut "für unsere Seele" und "unser Wohlsein" seien. "Ich finde diese Wortwahl nicht sehr gut", kommentiert Weiss. "Die Kunst führt uns Blicke auf die Welt vor, die nur selten Balsam sind." Sie seien Bildungs- und Konzentrationsorte:
"Das ist auch der Wert der Museen für die Gesellschaft, dass wir ständig mit uns selbst in ein Gespräch kommen: Warum gefällt mir das? Warum stößt mich das ab? Warum irritiert mich das? Das macht ungeheuer wach auch, wenn man aus dem Museum rausgeht, für die Umwelt."
Ähnlich wie Kraus befürwortet Weiss allerdings eine Öffnung zumindest großer Museen und Ausstellungshäuser mit gutem Hygienekonzept auch während der Coronakrise. Allerdings unter einer Bedingung: Die Politik müsste eine "handverlesene Differenzierung" vornehmen.
(bth)