Polens Regierung schreibt Geschichte
Der Grundstein für das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig wurde bereits gelegt - doch Polens rechtskonservative Regierungspartei PiS sieht Änderungsbedarf: Die Ausstellung müsse mehr "die polnische Wahrheit" verteidigen. Steht das Land vor einer neuen Geschichtspolitik?
Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig ist ein Projekt der polnischen Vorgängerregierung, genauer: des ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk und heutigen EU-Ratspräsidenten. Bei der Grundsteinlegung vor fast vier Jahren sagte er:
"Bis heute ist in allen polnischen Familien das Gedenken an die präsent, die im Zweiten Weltkrieg den höchsten Preis bezahlt haben, ihr Leben. Deshalb ist es für uns so wichtig, dass die polnische Erzählung, die polnische Stimme zu diesem Krieg, hörbar wird. Die polnische Stimme soll die Aufmerksamkeit der Welt bekommen."
Die amtierende Regierungspartei, die rechtskonservative Formation "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, befand diese Konzeption von Anfang an für ungenügend. Das Museum solle ein klares didaktisches Ziel bekommen, forderte der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski:
"Wir werden die polnischen Interessen verteidigen, die polnische Wahrheit. Wir werden das Konzept des Weltkriegsmuseums verändern, damit die Ausstellung den polnischen Standpunkt einnimmt. Die Erziehung junger Polen darf sich nicht auf das Gefühl der Scham stützen, wie das heute der Fall ist, sondern auf ein Gefühl von Würde und Stolz."
Ein heroisches Geschichtsbild
Ein positives, heroisches Geschichtsbild soll das Museum vermitteln. Wie - das deutete nun Kulturminister Piotr Glinski an. Das Museum solle den Verteidigungskampf der polnischen Armee 1939 in den Vordergrund rücken, so den Kampf um die Halbinsel Westerplatte bei Danzig. Dabei hätten die polnischen Soldaten eine großartige Haltung bewiesen, so Glinski.
Das Museum solle deshalb auch mit einem kleineren Museum zusammengelegt werden, das die PiS auf der Westerplatte plant. Das Gesamtmuseum werde denn auch nicht mehr Weltkriegsmuseum heißen, sondern "Museum der Westerplatte und des Verteidigungskampfes 1939".
Der PiS-Abgeordnete im Danziger Stadtrat Grzegorz Strzelczyk findet diese deutliche Akzeptverschiebung richtig:
"Ich verstehe, dass die beiden Museen zusammengelegt werden. Ohne die Kämpfe auf der Westerplatte hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben. Das weiß doch jedes Kind, dass mit ihnen der Weltkrieg begonnen hat."
Nicht auf Linie der Regierungspartei
Gar nicht einverstanden mit dieser Argumentation ist der designierte Direktor des Museums Pawel Machcewicz. Die Regierung wolle die Rolle des Museums beschränken, kritisierte er - und das nur wenige Monate vor dessen geplanter Eröffnung Anfang des kommenden Jahres.
Die Person Machcewicz könnte ein weiterer Grund für das Manöver sein, das die PiS vorhat. In den wichtigen historischen Debatten der vergangenen Jahre lag er nicht auf der Linie der Regierungspartei, so in der Debatte über Polen, die sich am Holocaust bereicherten. Über ein Buch des von konservativen Polen heftig angegriffenen US-Historikers Jan Tomasz Gross sagte er:
"Dieses Buch spricht von wahren Ereignissen, von furchtbaren Verbrechen, die vor allem polnische Bauern an Juden begangen haben. Es reiht sich ein in Untersuchungen, die zeigen, dass das Ausmaß solcher Verbrechen größer war als es uns noch vor zehn Jahren schien. Wir können sie nicht als Randerscheinungen darstellen."
Hunderttausende, die so heldenhaft handelten?
Solche Aussagen passen nicht zum heroischen Geschichtsbild, an dem jüngst auch der polnische Präsident Andrzej Duda malte, der aus der PiS stammt. Er zeichnete Polen aus, die während der deutschen Besatzung Juden retteten, und sagte:
"Die nationalsozialistischen Deutschen hatten verfügt, dass jede Hilfe für Juden hier in Polen mit dem Tod bestraft werden sollte. Das wurde öffentlich bekanntgegeben, alle wussten es. Aber es gab Hunderttausende Menschen, Polen, die ihre Hilfe nicht verweigerten."
Hunderttausende, die so heldenhaft handelten? Eine Zahl, die unter Historikern zumindest umstritten ist. Unter den in Yad Vashem, in Jerusalem geehrten, "Gerechten unter den Völkern" sind derzeit 6.620 Polen - sie bilden damit die größte nationale Gruppe.
"Das ist eine Art von Nationalismus"
Der Direktor des jüdischen historischen Instituts Pawel Spiewak beschreibt die Geschichtspolitik der Regierung so:
"Das ist eine Art von Nationalismus. Wenn ich an einer Debatte mit dem Präsidenten über die Geschichtspolitik teilnehme, dann reden wir nur darüber, was die Polen für eine tolle Nation sind. Das ist die Rückkehr zum Mythos der Polen als einer unschuldigen Nation, geschändet, aber unschuldig."
Immerhin soll es über das Weltkriegsmuseum in Danzig nun doch noch eine öffentliche Debatte geben, erklärte Kulturminister Glinski. Seine Pläne waren auch beim Bürgermeister, den den Grund für das Museum zur Verfügung gestellt hatte, auf heftige Kritik gestoßen.