Musen der Dichter, Konkurrenten der Ehefrauen

Hetären waren unverheiratete Frauen, deren Dienste leibliche, sinnliche und geistige Genüsse umfassten. Wolfgang Schuller zeichnet in seinem Buch die Geschichte des Hetärentums als einen unverzichtbaren Bestandteil der hellenistischen Kultur nach. In seiner Sozial- und Kulturgeschichte, die über 1000 Jahre umfasst, entwirft er ein facettenreiches Panorama der antiken Gesellschaft.
Der Altertumsforscher Wolfgang Schuller verfolgt in seiner Studie die Existenz der Hetären durch die griechisch-römische Zeit und rekonstruiert damit eine über 1000 Jahre reichende Sozial- und Kulturgeschichte. Ausgehend von der archaischen Zeit im 7. Jahrhundert v. Chr. über die Klassik, die Kaiserzeit bis zur Spätantike im 6. Jahrhundert n. Chr. entwirft er ein facettenreiches Panorama der antiken Gesellschaft. Basierend auf literarischen Zeugnissen über Hetären, archäologischen Funden (Vasenbilder) und Gedichten, in denen ihre Schönheit und die Kunst ihrer Rede gepriesen werden, wird die Hetäre als Bestandteil eines funktionierenden gesellschaftlichen Gefüges gezeigt.

Schuller betont, dass zwischen der Hetäre und einer Prostituierten nicht nur sprachlich ein Unterschied existierte. Das Wort Hetäre ist griechischen Ursprungs, "hetaira" bedeutet Gefährtin und ist von "pórnē" (griech. "Hure") klar geschieden. Das Verhältnis einer Hetäre zu ihrem Liebhaber spielte sich "auf höherem Niveau" ab, denn es ging nicht nur um Geschlechtlichkeit, sondern vor allem um Erotik.

Doch Schuller geht es nicht darum, den Hetärenmythos neu zu deuten. Er versucht ihn mit klugen Argumenten als unverzichtbaren Teil der männlichen Geschichte zu verankern. Eindrucksvoll wird diese These anhand der Ehe erläutert, die als gesellschaftliche Institution in der Antike vom illegitimen Status der Hetäre begleitet wird.

Wie aber lässt sich das Leben einer Hetäre, das "tatsächliche Verhalten" - wie Schuller betont - darstellen, wenn sie keine eigene Stimme besitzt und nur durch andere beschrieben, erinnert und kommentiert wird? Indem Schuller eine Vielzahl von Texten aus der antiken Dichtung in seine Argumentation einbezieht und mit zeitgeschichtlichen Dokumenten arbeitet, kommt er zu interessanten Ergebnissen.

Erstmals berichtet der Historiker Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. von Hetären in der Stadt Naukratis im Nildelta. Aber auch die Symposien - das Gastmahl unter adligen Männern -, zu denen die Ehefrauen keinen Zutritt hatten, wohl aber die Hetären, bekunden ihre Existenz. Sie bilden schließlich auch den sozialen Ort, an dem das Hetärentum entstanden ist.

In der hellenistischen Dichtung, vor allem in der Neuen Komödie des Dichters Menander (3./4. Jh. v. Chr.) wird die Hetäre sogar zur Hauptfigur. Sie gehört nun zum Alltag der griechischen Polis und markiert ihren Strukturwandel. Denn mit der zunehmenden Individualisierung erfährt auch das Hetärenwesen eine Verbürgerlichung und korreliert nun stärker mit der Institution Ehe. Anhand der literarischen Schauplätze wird außerdem deutlich, dass das Hetärentum zum städtischen Erscheinungsbild in der Antike gehört.

Da Wolfgang Schuller bei seinem Gang durch die Antike viele Episoden zu erzählen weiß, ist ihm nicht nur ein amüsantes, sondern auch erhellendes Buch gelungen.

Rezensiert von Carola Wiemers

Wolfgang Schuller: Die Welt der Hetären. Berühmte Frauen zwischen Legende und Wirklichkeit
Klett-Cotta, Stuttgart 2008
304 Seiten. 24,50 EUR