"Es ist eine Würdigung unserer Existenz"
Nach zehn Jahren Bauzeit wird am kommenden Samstag das Nationale Museum für Afroamerikanische Geschichte und Kultur in Washington eröffnet. Das erinnert an schmerzhafte Ereignisse wie die Sklaverei, aber auch an hoffnungsvolle Momente wie Rosa Parks' zivilen Ungehorsam.
Schon am Standort des neuen Museums zwischen Weißem Haus und Washington Monument wird deutlich, dass dies kein beliebiges Museum ist. Die Diskriminierung der schwarzen Amerikaner ist nach wie vor eines der größten Probleme dieses Landes, und auch nach Ende der Rassentrennung brechen zwischen Schwarzen und Weißen immer wieder Gräben auf, wie aktuell in der Diskussion über die Polizeigewalt gegen Afroamerikaner.
Das Museum solle zur Überwindung dieser Gräben beitragen, sagte Museumsdirektor Lonnie Bunch bei der Vorbesichtigung.
"Dieses Museum hier in der guten Stube von Amerika will die Träume von Generationen wahr machen, die daran glaubten, dass Amerika ein besseres Land werden könne, wenn es die Erfahrungen der Afroamerikaner verstehen und verarbeiten könnte."
Im Bauch eines Sklavenschiffes
Der Rundgang durch diese Geschichte beginnt im Keller des Museums, zwei Stockwerke unter der Erde. Düster ist es hier und ziemlich eng und niedrig, mit tief abgehängten Decken aus grauen Metallplatten. Die beklemmende Atmosphäre ist gewollt, sagt Museumsmitarbeiterin Ruth Ann Uithol, die gerade noch letzte Hand an einen Schaukasten legt:
"Dieser Keller soll einem das Gefühl vermitteln, wie es war, im Bauch eines Sklavenschiffes eingesperrt zu sein - deshalb ist es hier so dunkel und niedrig, damit man das erdrückte Gefühl der Menschen nachempfinden kann. In dieser Abteilung geht es darum, wie Afrikaner als Sklaven nach Amerika kamen. Hier, das sind einige Gegenstände, die aus dem Wrack eines echten Sklavenschiffs stammen: Ballaststücke und Bretter und ein Flaschenzug von dem Schiff."
Über 3000 solche Zeugnisse der afroamerikanischen Geschichte werden im Museum gezeigt. Der Kuratorin Mary Elliott, die selbst Afroamerikanerin ist, gingen bei der Auswahl zwei Stücke besonders unter die Haut:
"Das eine sind diese Fußeisen für ein Kind. Die sind so klein, dass man denkt: Was muss denn geschehen, dass man ein so kleines Kind fesseln muss? Das andere ist eine Peitsche, die Sie in der Abteilung über die Baumwollplantagen sehen werden, mit einer schweren Kugel am Ende. Ich habe diese Peitsche selbst in der Hand gehabt. Die Kraft dieser Kugel zu spüren und den Gedanken, dass ein Mensch einen anderen damit schlagen konnte – das werde ich niemals vergessen können, niemals."
Von der Sklaverei aus führt das Museum den Besucher weiter durch die afroamerikanische Geschichte, die mit amerikanischer Zuversicht immer höher aufsteigt zu Sonne und Freiheit. Versinnbildlicht wird diese Entwicklung durch die Anlage des Museums, die den Besucher über lange Rampen bei seiner Reise durch die Zeit auch räumlich immer höher aufsteigen lässt.
Das Kleid von Rosa Parks
Unterwegs gibt es neben hunderten Fotos und Filmen historische Gegenstände zu sehen wie ein Kleid von Rosa Parks, die mit ihrem Akt des zivilen Ungehorsams gegen die Rassentrennung die Bürgerrechtsbewegung auslöste; Glassplitter von dem Bombenanschlag in Alabama, mit dem der Ku Klux Klan 1963 vier schwarze Mädchen tötete; und einen interaktiv gestalteten Nachbau der Imbisstheke in Greensboro, an der vier schwarze Studenten 1960 die Gleichbehandlung bestellten.
Multimedial wird es in den überirdischen Etagen, wo es um die afroamerikanische Kultur geht – Kultur im weiteren Sinne, der Sport, Religion und Militär einschließt. Der Bedeutung des Basketball in der afroamerikanischen Geschichte ist ein eigener Flur mit Kino gewidmet. Kurator Damian Thomas erklärt, warum das so ist:
"Basketball ist ursprünglich vom Verein christlicher junger Männer begründet worden, um Männer wieder in die Kirche zurückzuholen und die Werte der amerikanischen Mittelschicht zu lehren: Enthaltsamkeit, Abstinenz, harte Arbeit. Die Afroamerikaner haben dann begonnen, auch Basketball zu spielen, weil sie zeigen wollten, dass sie diese Werte auch verkörpern und gute Bürger sein können."
Reiche Vielfalt der afroamerikanischen Kultur
Ganz oben im Museum spielt eine Videoinstallation in einer Rotunda, um die sich die Galerien für die Künste gruppieren. Der Raum bildet den kreativen Beitrag der Schwarzen zu Amerika ab, sagt Rex Ellis, der Vizedirektor des Kuratoriums:
"Es geht hier um die vielen verschiedenen Weisen, auf die Afroamerikaner in unserer Geschichte ihre Individualität und ihre Gemeinschaft ausgedrückt haben. Wir zeigen hier Kochkunst, Dichtung, Tanz und die vielen anderen Ausdrucksweisen der Afroamerikaner, um dem Besucher die reiche Vielfalt dieser Kultur zu vermitteln."
Gespannt warten die Kuratoren nun, wie die amerikanische Öffentlichkeit das Museum aufnehmen wird – insbesondere die afroamerikanische. Bewegt zeigt sich nach der Vorbesichtigung schon einmal der junge Aktivist Andre Singleton vom Projekt "Very Black" aus New York:
"Es ist sehr eindringlich, es gibt viel zu verarbeiten – aber es ist wunderbar. Ich sehe dieses Museum nicht als Abtrennung unserer Geschichte, sondern als Einbeziehung. Es ist eine Würdigung unserer Existenz."