Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main

Ein Tanz mit William Forsythe

Eine Besucherin bewegt sich im Düsseldorfer Museum Kunstpalast bei der Ausstellung "MOVE - Kunst und Tanz seit den 60ern" in dem choreographischen Objekt: Platikringe und Gurtbänder "The Fact of Matter (Die Tatsache der Sachen) des armerikanischen Künstlers William Fortsythe.
"The Fact of Matter" von William Fortsythe im Düsseldorfer Museum Kunstpalast 2011 © dpa / picture alliance / Horst Ossinger
Von Rudolf Schmitz |
Wie kein anderer hat der Amerikaner William Forsythe das Ballett erneuert. 1984 gründete er das Ballett Frankfurt und 2004 seine eigene "Forsythe Company". Das Museum für Moderne Kunst, MMK, zeigt jetzt seine raumbezogenen Installationen "The Fact of Matter", die den Betrachter selbst in Aktion versetzen.
Empfangen wird man von einer großen Videowand, die den Besucher als gemorphtes Wesen widerspiegelt. So kommt er automatisch in den William-Forsythe-Modus: als schlängelnde Figur im Raum, mit Bewegungen, die man nie hinkriegen würde, als Teilnehmer eine imaginären Balletts. Mario Kramer, Kurator der Ausstellung:
"Ja, ich sehe die zentrale Halle als Einladung an das Publikum, an die Besucher, ihre eigene Partitur aufzuführen, und ich glaube, das ist die Besonderheit dieser Ausstellung, dass all diese sogenannten choreografischen Objekte, die hier zu sehen sind, nicht mehr von Tänzern ausgeführt werden, sondern von dem ganz normalen Museumsbesucher."
Und dem wird einiges abverlangt. Zum Beispiel in einem Raum mit 200 Ringen an Gurtbändern, auf unterschiedlicher Höhe befestigt. Den soll man durchqueren ohne den Boden zu berühren. Ein bisschen wie Tarzan im Dschungel. Das bringt einen schnell an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Raum wird zum schwankenden Etwas. Oder dann der Raum mit den 60 Pendeln, Lote, die von der Decke hängen und im individuellen Rhythmus schwingen...
"...wo man sich selbst überlegen muss, wie komme ich durch dieses sich bewegende Feld, ohne diese Pendel zu berühren, denn das ist die Handlungsanweisung."
Aber es gibt auch einfach nur kontemplative Stücke. Ein Video, das zwei ineinander verknäulte Männerkörper zeigt. Die sich sehr langsam bewegen und die unwahrscheinlichsten Verknotungen und Klammergriffe praktizieren. Zwei Tänzer aus der ehemaligen Forsythe-Company. Genau vor diesem Video treffe ich den Choreographen selbst.

"Das ist gleichzeitig ein Video, eine Skulptur, ein Tanz. Alles ist da, nichts ist versteckt, wie Wittgenstein sagen würde. Aber Sie müssen es selbst herausfinden."
Forsythe im Musuem eine Überraschung
William Forsythe, der 1984 das Ballett Frankfurt gründete, kennt die Sammlung des Museums seit seiner Eröffnung im Jahr 1991. Und er hat zu seinen choreografischen Objekten Werke der Sammlung ausgewählt und in Dialog gesetzt. William Forsythe im Museum? Das überrascht seine Fans:
"Manche fragen: Was machst Du in der Visuellen Kunst? Ich antworte: Wir sind alle Künstler und da gibt es manchmal Überschneidungen. Als Choreograph arbeite ich nun mal mit dem menschlichen Körper und es gibt viele Werke hier in der Sammlung, die zeigen, dass sie sich nicht auf ein Gebiet beschränken lassen."
Und tatsächlich gewinnt man bei dieser Ausstellung, die sich über alle drei Ebenen des Museums zieht, einen neuen Blick auf bestimmte Werke. Da gibt es einen Raum von Forsythe, in dem die Deckenhöhe auf 70 Zentimeter abgesenkt ist und den man allenfalls kriechend erfahren kann. Gleich in der Nähe ein Raum von Andreas Slominski mit einer gigantischen und bedrohlichen Wildschweinfalle. Oder dann, gegenüber, der Raum der Mexikanerin Teresa Margolles. Der ist völlig leer, bis auf zwei Luftbefeuchter, die Wasserdampf verbreiten. Angeblich Wasser, mit denen Leichen in der Autopsie von Mexico City gewaschen wurden. Beeindruckende Ergänzungsstücke zu William Forsythe, weil so die Assoziation von Gewalt und Tod geradezu übermächtig wird, vermittelt über die eigene Körpererfahrung.
"Wir haben unsere Strategien, unsere Endlichkeit zu verdrängen: Wir ernähren uns besser, schlafen mehr, halten uns fit, aber wir können die Uhr nicht anhalten."
Diese mit ungeheurem Aufwand inszenierte Ausstellung bestätigt das Frankfurter Museum für Moderne Kunst als Institution, die immer wieder einen neuen Zugang zur Kunst sucht. Und dabei zentrale Werke der eigenen Sammlung auf Augen öffnende Art ins Spiel bringt. Die William Forsythe Company hat sich übrigens in diesem Jahr aufgelöst. Bedeutet dieser museale Auftritt also auch einen Abschied vom Tanzen, sagt der 65-jährige Choreograph damit dem Ballett "Farewell"?
"Ganz und gar nicht. Es ist nur ein anderer Ort, um an Ideen zu arbeiten."

"The Fact of Matter" ist bis zum 31. Januar im MMK Frankfurt am Main zu sehen.
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