Im Zeichen der Gewalt
Susanne Pfeffer gibt ihr Eröffnungsstatement als neue Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt: Drei unterschiedliche Ausstellungen setzen sich mit dem Thema Gewalt auseinander. Unser Kunstkritiker Rudolf Schmitz ist beeindruckt.
Susanne Pfeffer, Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt (MMK): "Ich denke schon, dass ein Museum für Gegenwartskunst den Auftrag hat, sich mit den aktuellen Veränderungen in Deutschland und in der Welt auseinanderzusetzen. Und den Menschen ein Forum zu geben, das zu reflektieren und zu diskutieren."
Drei politische Ausstellungen
Viele haben es erwartet und Susanne Pfeffer hat geliefert: eine politische Ausstellung. Genauer gesagt: drei politische Ausstellungen. Und weil das Amerika des Donald Trump uns gerade wie ein böser Alptraum erscheint, voller Gewalt, Hass und Unversöhnlichkeit, zeigt das Stammhaus des Museums die heute 62-jährige Cady Noland.
Seit den 1980er-Jahren umreißt sie mit ihren Materialcollagen die amerikanische Psychopathologie. In immer neuen Konstellationen reiht sie Symbole US-amerikanischer Identität auf, befestigt an Gattern, Stangen, Absperrgittern: die Fahne, den Sattel, das Zaumzeug, die Waffe, die Handschellen, die Radkappe, die Bierdose.
Der Ku-Klux-Klan der materiellen Welt
Minimal Art mit Readymade-Zubehör in metallischen Materialien, die Härte, Glanz, Faszination, Abgrenzung signalisieren. Das ist sexy, brutal, faschistoid, konsumistisch, das ist der Ku-Klux-Klan der materiellen Welt. Der von der amerikanischen Flagge überzogene metallische Pranger mit den fünf Löchern für Kopf, Hände und Füße ist das Symbolbild dieser Ausstellung, die sich über drei Stockwerke des Museums zieht. So rau und kompromisslos präsentiert, dass es schon weh tut.
Ästhetisch opulent dagegen die auf fünf Leinwänden präsentierte Videoarbeit der jungen Engländerin Marianna Simnett. Es geht um reale medizintechnologische Projekte, um ferngesteuerte Cyborg-Kakerlaken, um Produktionsanlagen für Botox, um pharmakologische Eingriffe, um eine computerisierte Melkanlage. Die Untersuchung struktureller Gewalt tritt hier in eine neue Dimension.
Susanne Pfeffer: "Wieweit natürlich dieser amerikanische Traum der Individualisierung umgekippt ist in den Alptraum der totalen Kontrolle oder auch Optimierung des eigenen Körpers, wie stark wir den Körper immer mehr dementsprechend anpassen, wie es gesellschaftlich gefordert wird. Letztendlich der Zugang zu Technologien und Gesellschaft auch reglementiert und bestimmt ist."
Einziger Ausweg: fantastischer Realismus
Das grandios gefilmte Episodenvideo in Musical-Form von Marianna Simnett zeigt die Versuche verschiedener Protagonisten, dieser sie durchdringenden Macht medizinisch-pharmakologischer Technologie zu entkommen. "Die Figuren in Marianna Simnetts Arbeiten finden nur einen einzigen Ausweg aus ihrer Ausweglosigkeit, nämlich dass sie einen fantastischen Realismus anwenden, dass die Figuren sich in eigene Fantasiewelten begeben, um dann reale Welten zu durchbrechen", erklärt Susanne Pfeffer.
Im Tower des MMK dann eine Gruppenausstellung, die sich mit institutionellem Rassismus und struktureller Gewalt in Deutschland auseinandersetzt. Nicht alle Beiträge sind so überzeugend wie die Videoinstallation vom Kollektiv Forensic Architecture, das eine eigene Untersuchung zur Rolle des V-Mannes Andreas Temme im Mordfall Halit Yozgat angestellt hat. Ein rassistischer NSU-Mord als Auslöser einer Kunst-Installation – das hatten wir schon auf der letzten Documenta mit Staunen und Entsetzen zur Kenntnis genommen.
Starke Statements, die nicht nach Konsens schielen
Wie kann Kunst auf das Politische reagieren? Wie lässt sich strukturelle Gewalt begreifen und veranschaulichen? Wie kann das Museum ein Forum für gesellschaftsrelevante Auseinandersetzung werden? Fragen, die seit langem für Kontroversen sorgen. Susanne Pfeffer hat sich auf unverwechselbare Art eingeschaltet. Mit starken Statements, die nicht nach Konsens schielen.