Teileröffnung mit "Kritischen Dialogen"
"Von Athen lernen" will die Documenta 2017 und hat sich das griechische Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst als Ausstellungsort ausgesucht. Doch noch ist das Museum nicht in Betrieb. Zumindest nicht vollständig.
In den Räumen des EMST wurde noch bis kurz vor seiner ersten offiziellen Ausstellungseröffnung geklopft, gehämmert, gebangt. Das geplante Gemeinschaftsprojekt mit dem Museum für zeitgenössische Kunst aus Antwerpen gilt als Pilotprojekt, mit dem sich nach Auffassung der Direktorin Katerina Koskiná das Athener EMST endlich Rang und Namen in der europäischen Museumslandschaft sichern soll.
Licht am Ende des Planungstunnels
Der reguläre Museumsbetrieb wurde jahrelang verzögert. Zuerst fehlte der richtige Architekt für Sanierung und Ausbau, dann dauerte es lange, bis sich der passende Bauunternehmer fand. Und schließlich scheiterte die Eröffnung auch immer wieder daran, dass es am nötigen Kleingeld mangelte. Doch jetzt sieht Direktorin Katerina Koskiná endlich Licht im dunklen Planungs-Tunnel. Nicht zuletzt, weil die Finanzierung größtenteils vom europäischen Förderprogramm ESPA gesichert ist. Denn ein Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst ist für Griechenland längst überfällig, meint Katerina Koskiná.
"Gerade weil wir über so zahlreiche archäologische Stätten verfügen und so viele Schätze und Orte mit antiker Geschichte ausfüllen, ist es ungemein wichtig, eine Brücke zu bilden zwischen unserer alten Kultur und der heutigen, der zeitgenössischen Kunst. Viele Jahre gab es in Griechenland in diesem Bereich eine Lücke. Ich will hoffen, dass mit Eröffnung des Nationalmuseums für zeitgenössische Kunst diese Lücke endgültig geschlossen wird."
Wichtiger Dialog im krisengebeutelten Griechenland
Die Eröffnungsausstellung steht unter dem Titel "Kritische Dialoge". 66 internationale Künstler zeigen in sogenannten Themen-Einheiten, wie wichtig der künstlerische Dialog gerade im krisengebeutelten und wirtschaftlich angeschlagenen Griechenland geworden ist.
"Eine Themeneinheit heißt zum Beispiel 'Optischer Gedanke'. Hier sollte die Beziehung zwischen 'Schein und Sein' zum Schwerpunkt künstlerischer Auseinandersetzung werden. Diese Einheit wird von drei Künstlerinnen aus Griechenland, Belgien und Georgien repräsentiert, die sich dieses Thema auf unterschiedliche Weise annähern. Die eine behandelt das Thema, indem sie mathematische Formeln aufstellt, die andere benutzt die neuen Medien. Will sagen: was ist Schein und Sein in der Übermittlung von Nachrichten? Und die dritte stellt Skizzen her: was skizzenhaft erläutert ist, erklärt nicht immer die ganze Wahrheit."
Wirkt die Documenta als Motor?
Neben der Teileröffnung des EMST feiern die Kunstleute eine weitere Premiere gleich mit. Die Gründung einer ständigen Ausstellungsreihe mit dem Titel: "Das EMST in der Welt", mit der sie mit anderen Museen und Institutionen kooperieren wollen – wie im nächsten Jahr mit der documenta. Aber genau diese Kooperation sorgt auch für Kritik – so gibt es Stimmen, die meinen, die Eröffnung des Museums werde nur wegen der Documenta erst jetzt richtig vorangetrieben. Katerina Koskina will das nicht so stehen lassen.
"Schauen Sie, die Eröffnung des Museums ist eine nationale Angelegenheit. Das hat nichts mit der Documenta zu tun. Bedenken Sie bitte, dass die Eröffnung des Museums für 2004 vorgesehen war. Seitdem sind zwölf Jahre vergangen. Die Notwendigkeit eines solches Museums für das Land existiert ganz unabhängig davon, ob die Documenta oder die Biennale Venedigs hier gastieren wollen. Natürlich lässt es uns nicht unberührt - und mit uns meine ich das gesamte Land -, wenn eine Kunstausstellung ersten Ranges wie die documenta, Griechenland für ihren ersten Auslandsauftritt ausgesucht. Vor allem dann nicht, wenn sie, wie sie in ihrem gewählten Titel ankündigt: von Athen lernen will."
Noch gibt es keine Eröffnungslizenz
Katerina Koskina weiß, wovon sie spricht. Sie hat im vergangenen Jahr den Direktionssitz übernommen und versucht seitdem, vom Staat eine Eröffnungslizenz für das gesamte Haus zu bekommen. Darauf wartet sie bis heute und klagt über die langatmigen Wege griechischer Bürokratie.
"Wir hängen in der bürokratischen Mühle und es braucht Zeit, bis alle Wege beschritten sind. Denn es braucht die Genehmigung des Innenministeriums, dann des Kulturministeriums, des Staatsrats, des Obersten Rechnungshofs - da sind wir gerade - und schließlich das Präsidialdekret. Wie bei allen anderen Staatsangelegenheiten, so auch in diesem Fall, zieht sich der Prozess über mehrere Jahre hin."
Nach der heutigen Teileröffnung des Nationalmuseums hofft Direktorin Katerina Koskiná, dass sich das Genehmigungsverfahren beschleunigen wird. Und da spielt sie dann doch die Documenta-Karte aus.
"Zweifellos machen wir uns die Documenta zunutze, um unser Ziel zu erreichen. Sehen Sie, allein die Tatsache, dass sich meine Mitarbeiter über die Documenta unterhalten und sich in einem ständigen künstlerischen Dialog darüber befinden, ist für die Kunst in Griechenland ein großer Gewinn. Denn eins wollen wir in keinem Fall versäumen: so wie die documenta von uns lernen will, so wollen wir auch von Kassel lernen."