Lissabon hat ein neues Kunstmuseum
In Lissabon eröffnet das "Museum of Art, Architecture and Technology". Der außergewöhnliche Museums-Neubau der britischen Architektin Amanda Levete bietet erstmals großflächig Platz für zeitgenössische Kunst in der portugiesischen Hauptstadt.
Die Schifffahrt in die Tejo-Mündung von Lissabon gehört zu den schönsten Hafeneinfahrten Europas. Auf halbem Weg zwischen Ozean und Altstadt wölbt sich hinter einem alten Elektrizitätswerk plötzlich die Uferpromenade zu einer weißen Welle an und senkt sich dann wieder zum Fluss hinab: MAAT steht in dicken Buchstaben auf der schmalen, dunkel verglasten Fensterfront: Museum of Art, Architecture and Technology. Amanda Levete:
"Als wir das erste Mal hier waren, an einem sonnigen Novembertag, senkte sich gerade die Sonne ins Meer; der Fluss, der so salzig wie das Meer riecht, war in ein goldenes Licht getaucht. Und unsere drängendste Frage war: Wie können wir dieses außergewöhnliche, sich immer wieder verändernde Licht nutzen, und wie können wir ein Gebäude schaffen, das das Licht reflektiert und vergrößert, und verändert, wenn man am Ufer entlang geht."
Die britische Architektin Amanda Levete hat Antworten auf diese Fragen gefunden: Sie ließ 14936 helle, teilweise dreidimensionale Kacheln brennen und an die geschwungene, langgezogene, ovale Fassade schrauben. Nur zwölf Meter ist der Museumsbau hoch und lässt deshalb genügend Raum, um die Kulisse des Stadtteils Belém mit seinen historischen Bauten und neuen Kulturzentren nicht zu verdecken. Das war sicher auch ein Grund, warum der für Lissabon außergewöhnlich moderne Museumsbau bei den Bürgern so gut wie unumstritten war.
"Einen kritischen Diskurs führen"
Zusammen mit einem großen Ausstellungsbereich im angrenzenden ehemaligen Elektrizitätswerk bildet die Kunsthalle das Herzstück einer privaten Kulturstiftung, die vom ehemals staatlichen Energiekonzern EDP finanziert wird. Die enge Verbindung mit einem der erfolgreichsten und innovativsten Großunternehmen Portugals ist für den Museumsdirektor und ehemaligen Architektur-Kurator am MoMA, Pedro Gadanho, durchaus ein Vorteil, um herausragende zeitgenössische Künstler in ein Land zu bringen, das im staatlich geförderten Kulturbereich immer noch im Sparmodus der Finanzkrise läuft.
Das Ziel des Museums, so Gadanho, sei ein multidisziplinärer Blick auf die Gegenwart:
"Die Idee, Architektur und Technologie mit ins Boot zu holen, ist für uns wie ein Filter, um uns auf gewisse Bereiche zu konzentrieren: die Fragen nach dem urbanen Leben oder nach der Wirkung von Technologie auf unseren Alltag. Die Künstler sind wie Seismographen, sie spüren die Veränderungen um uns herum und reden mit uns. Es geht uns also nicht um ein Programm, das wir hier entworfen haben, um es mit Kunst zu füllen, die wir nur anschauen können; vielmehr soll hier Kunst entstehen, die einen kritischen Diskurs mit all dem führt, was uns umgibt."
Auch die neue Kunsthalle kommuniziert weiter lautstark mit der Umgebung: Die letzten Kacheln werden immer noch angeschraubt und eine 60 Meter lange Fußgängerbrücke, die über eine Eisenbahnlinie und Schnellstraße direkt in das touristische Zentrum Beléms führen soll, wird erst im März fertiggestellt sein.
"Außerirdische beobachten menschliches Verhalten"
Klar, das Gebäude sei noch nicht fertig, sagt Amanda Levete und blickt über das riesige begehbare, gewölbte Museumsdach aus weißen Steinplatten. Aber es reiche vollkommen aus, damit die Leute es schon jetzt erobern können.
Dafür sorgt vor allem ein neues interaktives Projekt der französischen Künstlerin Dominique Gonzales-Foerster, die ihre Arbeit in einem der vier Ausstellungsräume des Museums präsentiert. Die 1000 Quadratmeter große "Oval Gallery" liegt gleich unterhalb des Eingangsbereichs und ist über eine U-förmige, abschüssige Rampe zu erreichen: "Pynchon Park" nennt Gonzales-Foerster ihre Installation: Übergroße aufgeschlagene, vielfarbige Textilmatten repräsentieren die Werke des amerikanischen Schriftstellers Thomas Pynchon, dessen komplexe Welt die Künstlerin nachhaltig beeinflusst hat. Im Raum verteilt liegen Gymnastikbälle.
Ein dichtes, grünes Netz ist auf einer Höhe von zwei Metern gespannt und der Ausstellungsbereich ist eingezäunt. Aus den Lautsprechern dringt Meeresbrandung.
"Ich habe mir Folgendes vorgestellt: Eine Gruppe Außerirdischer will menschliches Verhalten beobachten. Sie bauen einen riesigen großen Käfig, so wie wir das mit den Tieren im Zoo machen, und sie überlegen sich, was den Menschen denn gefallen könnte."
Die Tür zur Außenwelt
Das Konzept, das hinter dem Museum of Art, Architecture and Technology steht, scheint zumindest zur Eröffnung schon aufzugehen: International bekannte zeitgenössische Künstler sollen in Zukunft in die portugiesische Hauptstadt gelockt werden, um ihre Werke in die übergangslose, fließende Architektur der neuen Kunsthalle zu betten.
Und an einem Punkt öffnet sich für Künstler und Besucher doch noch die Tür zur Außenwelt: Im langgezogenen Hauptraum kann über eine beglaste Öffnung in der Decke das glitzernde Licht des Tejo-Flusses eingefangen werden, das an der überhängenden Kachel-Fassade des Museums reflektiert und in den Ausstellungraum nach unten projiziert wird.