Museum zum Warschauer Getto

Moshe Zimmermann verteidigt neuen Chefhistoriker

Besucher vor einer Installation im Museum der Geschichte der Polnischen Juden in Warschau.
Der neue Direktor für das geplante Museum zum Warschauer Getto, Daniel Blatman, lasse sich für polnische Geschichtsklitterung instrumentalisieren, meinen israelische Kritiker. © Imago
Moderation: Marietta Schwarz · 06.01.2019
Der israelische Historiker Daniel Blatmann soll Chefhistoriker im geplanten Museum zum Warschauer Getto werden. Darüber empören sich viele seiner Kollegen in Israel. Moshe Zimmermann hält dagegen: "Er stellt sich bestimmt nicht in den Dienst der Unwahrheit."
Im Polen der PiS-Regierung wird immer wieder um das richtige Gedenken gestritten. Äußerungen etwa zur Mitverantwortung an den Verbrechen der Nationalsozialisten können zivilrechtlich geahndet werden, sprich: Polen sollen eher als Opfer und Helden denn als Täter des Holocaust dargestellt werden, was längst zu Spannungen mit Israel geführt hat.
Für das geplante Museum zum Warschauer Getto hat der designierte Museumsdirektor nun den polnischstämmigen Jerusalemer Historiker Daniel Blatman als Chefhistoriker gewinnen können, worüber sich viele seiner Kollegen in Israel empören. Blatman lasse sich für polnische Geschichtsklitterung instrumentalisieren, heißt es.

"Gegenattacke aus Yad Vashem"

Der emeritierte israelische Professor für Geschichte, Moshe Zimmermann, sieht das ganz anders:
"Meines Erachtens handelt er richtig. Das Museum braucht einen guten Chefhistoriker, Herr Blatman ist ein idealer Chefhistoriker für dieses Museum. Ich kenne Herrn Blatman persönlich, er war früher mein Student, er ist ein integrer Mann. Er stellt sich bestimmt nicht in den Dienst der polnischen Regierung oder in den Dienst der historischen Unwahrheit. Das ist eine klare Sache. Vielleicht ist er ein Don Quijote. Er versucht, sein Verständnis von dieser Geschichte dort durchzusetzen – im Grundkonzept dieses Museums."
Der israelische Historiker Daniel Blatman
Der israelische Historiker Daniel Blatman© picture alliance / dpa
Die "Attacke" auf Blatman komme "aus einer sehr bekannten Ecke, sie kommt aus Yad Vashem", der bedeutendsten Holocaust-Gedenkstätte in Israel, betont Zimmermann. Und gerade diese sei hier "selbstverständlich nicht neutral, weil Daniel Blatman gegenüber Yad Vashem sehr kritisch ist". So habe Blatman die Kooperation der Gedenkstätte mit Diktatoren und rechtsorientierten Politikern in der Vergangenheit kritisiert.

Einrahmen in eine größere Geschichte

Yad Vashem nutze nun die aktuelle Kritik an dem geplanten Museum zur Gegenoffensive, ist sich Zimmermann sicher. Doch letztlich gehe es hier um eine Grundsatzentscheidung mit historiografischem Charakter:
"Yad Vashem repräsentiert einen Zugang zu dieser Geschichte, wo eigentlich das Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg, das Schicksal der Juden in Polen so ein sui generis ist, dass man es nicht einrahmen kann in einer größeren Geschichte. Und ganz bestimmt nicht in der polnischen Geschichte."
Blatman verstehe dies aber anders: Blatman wisse, dass Polen ein von den Nazis besetzter Staat war, und dass in diesem Rahmen auch die Geschichte der polnischen Juden erzählt werden müsse. Aus Blatmans Sicht müssten die polnischen Juden auch als Teil der polnischen Bevölkerung betrachtet werden, so Zimmermann weiter.

Das Bild korrigieren

Und dies obwohl man wisse, dass es in der polnischen nichtjüdischen Bevölkerung auch antisemitische Strömungen und Kollaborationen mit den deutschen Besatzungstruppen gegeben habe.
Trotzdem sei Blatmans Versuch, "etwas zu erklären, was man in der Regel nicht erklärt hat oder nicht erklären wollte, – wenn er ihm gelingt – keine schlechte Sache".
Zimmermann berichtet in diesem Zusammenhang von einer repräsentativen Umfrage, die er vor zehn Jahren an seinem Institut in Jerusalem durchgeführt hat. Diese hatte zum Ziel, das israelische Verständnis von den Geschehnissen in Polen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges abzubilden. Für fast 30 Prozent der Befragten waren die Polen genauso verantwortlich für die Shoa wie die Deutschen.
"Also wenn man das so in Israel versteht, kann man verstehen, weshalb ein Historiker, der sich in der Sache gut auskennt, sich darum bemüht, ein anderes Bild zu schaffen oder das Bild zu korrigieren", sagt Moshe Zimmermann.
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