Museumsausstellung mit Werbekampagnen

Image einer Milliardenindustrie aufpolieren

Jung von Matts "Renovated Billboards - Pink House, 2013, Hamburg", ausgezeichnet als Gold Lion Campaign, 2014
Jung von Matts "Renovated Billboards - Pink House, 2013, Hamburg", ausgezeichnet als Gold Lion Campaign, 2014 © Cannes Lions
Von Anette Schneider |
Einmal im Jahr feiert sich die Werbeindustrie selbst: Seit 1954 gibt es in Cannes das "Cannes Lions Festival" für die beste Filmwerbung. Und bei "Cannes Outdoor Lions" werden Werbeplakate ausgezeichnet. Die prämierten Kampagnen zeigt nun das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.
Drei Plakate von völlig verfallenen Hausfassaden eröffnen die Ausstellung. An den bröckelnden Mauern wurde jeweils ein kleines Stück grunderneuert, das nun in frischen Farben strahlt. Darunter der Hinweis: "Renovated with OBI."
Etwas weiter: Ein leerer Fressnapf. Daneben steht ein fetter Mops aufrecht auf den Hinterbeinen. Seine Fettwülste hat er zu einem riesigen Beutel geschürzt - für Hundekuchen.
Beide Werbekampagnen erhielten einen goldenen Löwen. Denn beide haben, was gute Plakatwerbung ausmache, so Udo Schendel:
"Es geht in Outdoor tatsächlich um die Reduktion auf das Wesentliche: Um eine ganz klare Bildsprache. Es geht um einen ganz klaren Farbkodex. Möglichst wenig Worte auf dem Plakat. Manche sagen fünf, manche sieben. Der Absender sollte klar erkennbar sein. Möglichst groß. Und nicht zu viele Nebeninformationen."
Die Juroren sind um politische Korrektheit bemüht
Udo Schendel ist Geschäftsführer von Jost von Brandis, einer Agentur für Außenwerbung, was heute "Out-of-Home-Werbung" heißt. Als Deutschlandvertreter für "Cannes Outdoor" darf er bei uns die in Cannes von internationalen Werbeleuten prämierten internationalen Plakatkampagnen ausstellen. Die Produkte einer Milliardenindustrie also, deren alleiniger Zweck es ist, uns für überflüssige Dinge das Geld aus der Tasche zu ziehen.
"Ich glaube, für jeden, der sich für Kreativität interessiert, ist das eine sehr schöne Ausstellung, weil wir natürlich immer schon auch in der Werbewirtschaft an der Grenze zwischen werblicher Kreation und Kunst stehen. Hier geht es gar nicht darum, Geld zu verdienen, sondern um neue Innovationen, Trends, Ideen, die international geboren wurden, hier für Deutschland verfügbar zu machen."
Auffällig ist, wie sehr die Juroren um politische Korrektheit bemüht sind: Mode- oder Kosmetikwerbung, wie sie uns tagtäglich im öffentlichen Raum terrorisiert, gibt es nicht. Hier ist man bemüht, das Image der Milliardenindustrie aufzupolieren: Man sieht Plakate für den WWF, den Pariser Zoo, gegen Raserei in Brasilien, für Käse und Haarwaschmittel. Oder für Hörbücher. Der Penguin-Verlag wirbt mit klassischen Illustrationen von Moby Dick, Don Quixote oder Frankenstein, in die jeweils ein kleiner Pinguin mit Richtmikrophon und Kopfhörern hineinmontiert wurde. So niedlich kann Werbung sein.
Und natürlich ist sie heutzutage auch - "diskursiv":
"Was sehr großartig funktioniert hat im letzten Jahr, die Kampagne "Umparken im Kopf" für Opel. Und keiner konnte sich dem Thema entziehen. Und wir konnten sehr schön messen, dass das, was wir draußen geschaltet haben, später in den sozialen Netzwerken sich auch wiedergefunden hat, also was auch diskutiert wurde."
Provokationen wie die Benetton-Werbung in den 80ern fehlen
Garstiger Witz, Ironie oder Provokationen wie in den 80er-Jahren, als Toscani für Benetton mit Aidskranken, überfüllten Flüchtlingsschiffen und blutgetränkter Soldatenkleidung warb, fehlen völlig. Stattdessen reihte der zur Pressekonferenz erkrankte Kurator die unverfänglichen Plakate unkommentiert aneinander. Das wirkt ähnlich inspirierend wie die Große Koalition: nämlich gar nicht.
Und prompt erzählt Udo Schendel:
"Wir sehen im Bereich von 'Out-of-Home' eigentlich Trends, die weg vom gedruckten Plakat gehen. Und das zeigen wir hier in der Ausstellung auch schon mit einer Installation."
Die "Installation" steht am Eingang zur Ausstellung, ist eine große Leuchtreklamesäule, und zeigt ein Brot.
"Das ist das weltweit erste digitale Plakat an dem Sie direkt bezahlen können. In dem Fall ist es ein Spendenvorgang für Misereor."
Soll heißen: Raus mit der Kreditkarte, durch einen Metallstreben gezogen, zwei Euro abgebucht - schon wird von dem Brot eine Scheibe abgeschnitten, die von einer Hand dankend entgegengenommen wird. Danach lässt sich guten Gewissens im Museumsrestaurant speisen oder weitershoppen!
"Wir haben in Deutschland schon über 120.000 Screens, die wir ansteuern können. Also: Die Zeit des geklebten Plakates wird irgendwann vorbei sein."
Eigentümlich museales Flair
In der Ausstellung machen einige Werbefilme eher ungewollt deutlich: Oft ist das Plakat nur noch ein gut designtes Nebenprodukt zu aufwändig und raffiniert gedrehten Filmen, die die eigentliche manipulative und umsatzsichernde Arbeit leisten: Adidas etwa feiert sich in einem rasanten Videoclip als engagierten Förderer benachteiligter schwarzer Jugendlicher.
So wirkt die Plakat-Ausstellung eigentümlich museal. Auch wenn Udo Schendel plötzlich betont, nichts bliebe besser in unserer Erinnerung haften, als - Plakate...
"Das Plakat ist das einzige Medium, dass Sie nicht wegzappen, abschalten oder vermeiden können. Es kommt unwillkürlich auf Sie zu. Und ein gut gestaltetes Plakat wird seine Wirkung hinterlassen."
Die Auswahl in Hamburg allerdings hinterlässt ziemliche Langeweile.
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