"Ich bin in Partystimmung"
07:37 Minuten
Nach dem politischen Erdbeben durch das Ibiza-Video atmet die Kulturszene in Österreich auf. Von möglichen Neuwahlen erhofft sich Matthias Beitl, Direktor des Volkskundemuseums in Wien, auch eine neue Diskussionskultur in der Politik.
Die Forderung nach Neuwahlen in Wien gegen die Regierung haben bei ihm ein euphorisches Gefühl ausgelöst, sagt Matthias Beitl im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Beitl ist Direktor des Volkskundemuseums in Wien und war bei der Demonstration von tausenden von Menschen am vergangenen Samstag am Bundeskanzleramt in Wien dabei.
"Ich bin in Partystimmung. Dieser gemeinsame Ruf nach Neuwahlen war ein Gefühl einer Befreiung."
Als Direktor eines Museums, das auch die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs dokumentiert, habe er deutlich gespürt, wie sich die Gesellschaft in den letzten Jahren verändert habe. Durch eine Politik der Angst und der Überschrift "Sicherheit" habe sich auch der öffentliche Diskurs eingeschränkt.
Neue Chance für den Kulturbetrieb
Der Kulturbetrieb habe sich große Sorgen gemacht und auch gegen diese Politik gearbeitet. Aber man spüre, dass dieses Handeln gegen die Politik auch Grenzen habe, so Beitl. Es habe noch keine nennenswerten Einschränkungen für die Kultur gegeben, aber schon erste Zeichen. Beispielsweise sei die Nominierung des rechtsgesinnten Malers Odin Wiesinger durch die FPÖ in den Kulturbeirat ein solches Zeichen gewesen.
"Diese bereinigende Chance, die das Land durch dieses Video bekommen hat, ist einfach großartig. Die Dynamik in diesem Prozess ist eine echte Befreiung."
Abkehr vom Holzweg
Beitl hofft, dass sich das Video auch auf die EU Wahl am Wochenende auswirkt und Menschen zum Umdenken bewegt. Die Dynamik könne auch zu einer Repolitisierung von jungen Menschen in Österreich führen, die sich der Verantwortung ihrer demokratischen Stimme bewusst werden könnten.
"Dass auch viele Menschen, die unzufrieden waren mit langsamen gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen – und aus dieser Unzufriedenheit eine FPÖ gewählt haben – durch die Bilder, die wir gesehen haben und die Aussagen, plötzlich verstehen, dass sie mit ihrer Vorstellung auf dem Holzweg waren. Und dann wieder jemand anderen wählen."
Hoffnung auf einen besseren Diskurs
Als Museumsdirektor habe er die Repressionen gegen das Volkskundemuseum noch nicht gespürt. Beschäftigt habe ihn, dass das Hervorheben von sehr schwierigen Lebenssituationen von Asylbewerbern in ihrer Alltäglichkeit in den Medien immer seltener wurden. "Wir als Gesellschaft finden es dann immer normaler, wie mit den Asylbewerbern umgegangen wird."
Beitl wünscht sich, dass sich durch die Auflösung der aktuellen Koalition eine bessere politische Kultur in Österreich etablieren kann, "in der die Bürger die Qualität von Demokratie erleben, als eine produktive Form von Diskussion über unsere Entwicklung. Da, glaube ich, ist jetzt viel aufzuholen auf Seiten der Politik."
(mle)