Museumsgründerin

Einfach ist langweilig

Von Kerstin Zilm |
Eva Sweeney kam vor fast 20 Jahren nach Kalifornien, um Architektur zu studieren. Damals hätte sie nie gedacht, dass sie später einmal ein Museum gründen und leiten würde. Doch genau das tut sie nun in Los Angeles.
Im Museumsbüro herrscht geordnetes Chaos: Gleich kommen Kuratoren des Getty Forschungsinstituts und Graffiti-Künstler. Entspannt setzt sich Eva Sweeney zwischen zwei Terminen an einen der weißen Schreibtische, um von ihrem Erfolgsrezept zu erzählen:
Ich glaube, es ist immer ganz gut wenn man ein bisschen naiv ist bei vielen Sachen. Wenn man alles zu sehr durchplant, dann wird man auch zu sehr abgeschreckt und dann macht man's nicht.
Die 44-Jährige trägt ihre blonden schulterlangen Haare offen, kaum Make up und eine kragenlose weiße Bluse. Eva Sweeney gibt zu: der Weg vom Architekturstudium in Deutschland zur Museumsleitung in Kalifornien war gespickt mit kniffligen Herausforderungen, aber:
Es bringt einen weiter. Wenn alles immer einfach ist, dann ist es ja auch langweilig.
Vor gut einem Jahr haben Eva Sweeney und ihr Mann Brian das El Segundo Museum of Art - ESMoA - gegründet. Sie nennen es ein "Kunstlabor" und bezeichnen ihre Ausstellungen als "Erfahrungen".
Ihre Titel: "Begehren", "Wahrheit", "Ruhm" und "Stille". Erst hatten sie eine Mitarbeiterin mit Teilzeitstelle. Inzwischen helfen fünf Vollbeschäftigte, den Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten - vom Hängen der Kunstwerke über Aktivitäten mit Schulklassen bis zu Meditation im Ausstellungsraum. Eva Sweenes Motto: Die Arbeit muss allen Spaß machen.
Wenn's keinen Spaß mehr macht - Bremse ziehen und einfach noch mal überlegen wie man's besser machen kann sodass man nicht ausbrennt und es einfach nur noch hasst.
1996 kam Eva Sweeney - damals noch Eva Zünkeler - nach Kalifornien um ihr Architekturstudium an der Fachhochschule Dortmund durch einen kreativen Studiengang in Los Angeles zu ergänzen. Danach sollte es zurück nach Deutschland gehen.
Eltern von einer Bekannten von mir wollten gerne, dass ich mit einem Freund ein Haus entwerfe für sie und dann haben wir uns überlegt: Dann machen wir unser eigenes Architekturbüro auf.
"Detailliert, fleißig, engagiert"
Sie meldeten ihre Firma an, fuchsten sich ein in kalifornisches Gesetz und spezialisierten sich auf den Bau von Einfamilienhäusern in unerschlossenem Küstengebiet. Das brachte Brian Sweeney auf den Plan. Der Immobilienhändler war begeistert von Evas Fähigkeit, sich durch den Dschungel an Bauvorschriften zu kämpfen.
Sie ist sehr detailorientiert, fleißig, engagiert, entschlossen. Wenn sie eine Aufgabe übernimmt gibt sie ihr Bestes um gute Arbeit zu leisten.
Brian kaufte heiß begehrte Küstengrundstücke. Gemeinsam entwickelten sie Baupläne inklusive Genehmigungen und verkauften die Flächen mit hohem Gewinn. Aus ihrer erfolgreichen Geschäftsbeziehung wurde mehr. Die beiden heirateten vor elf Jahren, zogen in ein Haus direkt am Pazifik und bekamen drei Kinder.
Kunst spielte keine wichtige Rolle in ihrem Leben - bis Evas Bruder Bernhard Zünkeler öfter zu Besuch kam. Der Künstler und Kurator überzeugte Brian, anstelle von Münzen und Zeitungsartikeln Kunst zu sammeln. Ein paar Jahre später hatten die Sweeneys über 350 Werke gekauft - von jungen deutschen Künstlern bis zu Meistern wie Dürer, Picasso, Klee, Mondrian, Kandinsky und Warhol. An ihren Wänden war kein Platz mehr, Gemälde stapelten sich unter ihren Betten. Die Sweeneys kauften ein Grundstück im Nachbarort El Segundo um dort ein Lager zur Aufbewahrung ihrer Kunst zu bauen. Der Bürgermeister bat sie, es zumindest zeitweise für Besucher zu öffnen.
"Wie bei vielen Sachen sehen mein Mann und ich das dann so - ja, warum nicht? Fragen wir mal meinen Bruder ob er nicht was kuratieren will und dann sind wir da so hineingestolpert."
Eva Sweeney entwarf ein zwei Stockwerke hohes Museum für das schmale Grundstück zwischen Taco-Imbiss und leer stehendem Geschäftshaus: ein einziger hoher Raum mit hoher Fensterfront, Büro über dem Eingang, Grillstation auf dem Dach und separat zugänglicher Künstlerresidenz. Brian lernte eine neue Seite seiner Frau kennen:
"Sie war nicht mehr das süße junge deutsche Mädchen, das ich einfach freundlich bitten konnte, etwas zu tun. Sie hatte ihr eigenen Vorstellungen und ich sagte mehr oder weniger immer 'Ja, Liebling' und ich schreibe die Schecks."
Die beiden wollen nicht sagen, wie viel Geld sie in das Projekt gesteckt haben. Klar ist: Es ist deutlich mehr als anfangs gedacht. Sie führen es als gemeinnütziges Institut, verlangen keinen Eintritt und bereuen nichts.
"Weil es einfach eine tollere Lebenserfahrung ist, als wenn man sich noch ein neues Auto, ein neues Haus kauft oder ne Jacht. Man kriegt so viel zurück geschenkt wenn man so ein Institut aufmacht, wo man wirklich Menschen mit erreichen und vielleicht auch voranbringen kann."
ESMoA bekommt großes Lob von etablierten Kulturinstitutionen in Los Angeles. Die Sweeneys haben das verschlafene El Segundo in einen spannenden Anziehungspunkt für Kunstliebhaber verwandelt.
Inzwischen sind Kuratoren und Graffiti-Künstler ins Büro gekommen. Eva Sweeney packt Kekse aus, die sie von zu Hause mitgebracht hat und fragt dann die Tagesordnung ab. Langweilig wird es ihr so schnell sicher nicht:
"Ich dachte ja immer, ich könnte das so richtig schön routiniert alles organisieren aber wenn ich dann abends ins Bett gehe denke ich immer: Ach, das war ja wirklich wieder ganz anders als ich's mir vorgestellt habe."