„Ich bin ein völlig entspannter Flexitarier und Allesesser“
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Im Deutschen Fleischermuseum in Böblingen gibt es nicht nur Schlachterbeile zu sehen. Leiter Christian Baudisch bespielt das Haus immer wieder neu: Mit einem „veganen Anschlag“, mit Aquarellen von Wurstscheiben oder dem Film „Die blutige Gudrun“.
Christian Baudisch saß an seiner Doktorarbeit in Kunstgeschichte, als ihm sein Vater eine aus der "Stuttgarter Zeitung" ausgerissene Stellenanzeige auf den Tisch legte: "Bub, da bewirbsch di jedzd." Der "Bub", bereits Anfang 40, antwortete zunächst: "I glaub, du schpinnsch!"
Aber die ausgeschriebene Stelle – die Leitung des Deutschen Fleischermuseums im schwäbischen Böblingen – ließ Baudisch dann doch keine Ruhe. Er bewarb sich, überzeugte, und seit dem 1. April 2017 leitet er das Deutsche Fleischermuseum. Seine Ausstellungen und Aktionen erregen nicht nur bei der Fleischerinnung immer wieder Aufsehen.
"Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass ich bis jetzt mit jeder Ausstellung Menschen geärgert und Menschen erfreut habe."
Der vegane Anschlag
Das größte Echo erzeugte eine eher kleine Veranstaltung. Baudisch hatte eine Historikerin zum Vortrag über die Kulturgeschichte des Veganismus geladen.
Für die Zeit des Vortrags erklärte er das Fleischermuseum zum "Gemüsemuseum" und inszenierte einen veganen Anschlag, den er auch öffentlich verbreitete: Das Museumsschild sah aus, als habe jemand eine Tomate darauf geworfen – oder einen Farbbeutel. Bis heute werde er darauf angesprochen.
Aktuell ist das Museum, nach zwei Corona-Lockdowns, wieder geöffnet. Die Dauerausstellung baut Baudisch gerade um; vier Sonderausstellungen sind zu sehen, darunter "Die blutige Gudrun". So heißt ein Bericht des Süddeutschen Rundfunks aus dem Jahr 1967 über die damals 18-jährige Gudrun, die etwas höchst Ungewöhnliches wagte: Sie machte eine Ausbildung zur Metzgerin. Als Baudisch den Film sah, war er sofort begeistert.
Die blutige Gudrun
"Für einen schwäbischen Fleischermuseumsdirektor ist das natürlich die Blaue Mauritius! Lokalgeschichte, Dialekt, aber auch Berufsgeschichte, Frauen-Berufsgeschichte, bundesdeutsche Arbeitskultur-Geschichte. Da steckt so viel drin in diesem Film."
Baudisch spürte die junge Gudrun von damals auf. Im Museum kann man nicht nur den originalen Film sehen und sich über den Sprecherkommentar amüsieren, wie zum Beispiel: "Dass ein Mädel seiner Weiblichkeit zum Trotz diesen Beruf ausübt, gehört zu den großen Seltenheiten." Man erfährt auch, wie Gudruns Geschichte weiterging.
vielseitiger Flexitarier
An Ideen mangelt es Baudisch offenbar nicht. Natürlich war das Schlachten bereits Thema, es gab aber auch schon eine Ausstellung zur eierlegenden Wollmilchsau, zu Kunstfleisch und Science-Fiction. Wenn er nicht gerade eine neue Ausstellung plant, schreibt Baudisch für einen Blog Konzertkritiken oder arbeitet als freier Hochzeitsredner.
Wie hält er es eigentlich persönlich mit Wurst und Fleisch?: "Ich bin ein völlig entspannter Flexitarier und Allesesser. Das Einzige, was ich wirklich nicht esse, sind Tiere von der Roten Liste und Austern."
(sf)