Die Ausstellung "Paris - Londres: Music Migrations (1962 - 1989)" ist vom 12. März 2019 bis zum 5. Januar 2020 zu sehen.
Der Soundtrack der Integration
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Die Jamaikaner brachten den Ska, die Algerier den Rock’n’Roll: Die Ausstellung "Music Migrations" zeigt, wie Einwanderer in London und Paris diese Städte auch musikalisch verändert haben.
"Wir beginnen in den 60er-Jahren. Als würden wir in einen Club gehen. Wir beginnen mit dem Ska."
Der Eingang zur Ausstellung Paris-Londres. "Music Migrations" ist einem Nachtclub nachempfunden. Auf einer großen Leinwand im dunklen Raum tanzen afro-karibische Einwanderer zu jamaikanischem Ska, in einem Club in London Anfang der 60er-Jahre. Auf einem kleinen Fernsehbildschirm flimmern "The Equals":
"Der Name der Gruppe sagt schon alles", erklärt Kurator Stéphane Malfettes: "Die Gleichen. Mit dem Clip Police on my Back."
The Equals waren die erste ethnisch gemischte Pop-Gruppe im London der Nachkriegszeit, gegründet 1965 von den jamaikanischen Einwandererzwillingen Dervin und Lincoln Gordon. Während in London vor allem die karibischen Einwanderer, insbesondere die Jamaikaner, die Musik der frühen 60er aufmischten, brachten die Algerier den Rock nach Paris:
"Viele der Pieds-Noires, der Algerienfranzosen, haben neue Bands gegründet. Sie kannten den Rock’n’Roll aus Nordafrika. Da wurde diese Musik vor allem auf den amerikanischen Stützpunkten gespielt."
Im Pariser Viertel Barbès entsteht eine große orientalische Musikszene. Die Ausstellung zeigt Fotos aus den arabischen Cafés, eine Video-Juke-Box aus den 60ern spielt die passenden Musikclips ab.
Musik ist identitätsstiftend
Viele Migranten schaffen sich durch die Musik, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben, eine Art Identität im Gastland und nutzen sie, um gegen die ausländerfeindlichen und rassistischen Strömungen zu protestieren. In London vor allem mit dem Karneval von Notting Hill, der die Sound Systems auf die Straße brachte, erklärt Kuratorin Angéline Escafré-Dublet:
"1958 gibt es erste Ausschreitungen zwischen karibischen Einwandern und Weißen. Und die karibische Community in Notting Hill gründet den Karneval, der sich 1966 auf die Straßen Londons verlagert und die Musik, vor allem den Reggae, bekannt macht. Heute ist der Karneval ein großes und cooles Straßenfest. Bis in die 80er-Jahre hinein aber kam es immer wieder zu rassistischen Ausschreitungen."
Musik als Träger für politische Forderungen
In Frankreich begleitet die Musik der Migranten vor allem die Demonstrationen und Streiks im Mai '68:
"Die Musik begleitet die Proteste, aber die Proteste sind auch Ausschlag für große Musikevents. Zum Beispiel 'Africa Fête', ein Festival in Paris, das die afrikanischen Migranten unterstützt und auf deren schlechte Lebensbedingungen aufmerksam macht."
Bei großen Konzerte wie "Rock against Racism" in London oder "Rock against Police" in Paris tragen Musiker mit und ohne Migrationshintergrund die politische Debatte ab Ende der 70er-Jahre auf die Bühne. Plakate von SOS-Racisme mit der Aufschrift "Ne touche pas mon Pot" – Fass meinen Freund nicht an, die auch heute wieder auf Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus in Frankreich hochgehalten werden.
"Diese Ausstellung kommt genau zur rechten Zeit", sagt der jamaikanisch-stämmige britische DJ, Musiker und Regisseur Don Letts. Eine komplette Vitrine der Ausstellung ist ihm gewidmet, ihm, der als DJ im London der 70er jamaikanische Musik wie den Dub-Reggae in die Clubs gebracht hat:
"... denn Leute wie Trump nutzen die Kultur, um Menschen zu spalten. Das ist lächerlich, aber verbreitet sich leider immer weiter auf der Welt. Die Ausstellung zeigt, wie unterschiedliche Kulturen zusammen gebracht werden. Sie ist ein Bekenntnis zur Kultur."
Entgegengesetzte Bewegungen in Paris und London
Anfang der 60er-Jahre stieg die Migration sowohl in Frankreich, als auch in Großbritannien. 1962 wurden Algerien und Jamaika unabhängig. Die Einwanderer – viele kamen kurz vor der Unabhängigkeit – siedelten sich vor allem in den Hauptstädten an. Eine große Karte vergleicht zum ersten Mal Paris mit London, erklärt Kuratorin Angéline Escafré-Dublet:
"Die Idee war es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Städte zu zeigen. Das Zentrum von Paris bleibt überwiegend weiß, die Migranten werden an den Stadtrand, in die Banlieues gedrängt, während sie in London ins Stadtzentrum ziehen, in die Gegenden, die die Arbeiter im Laufe der 50er- und 60er-Jahre verlassen haben. Es ist also eine entgegengesetzte Bewegung."