Was hat Laibach mit Heiner Müller zu tun?
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Das Berliner Theater Hebbel am Ufer bringt die Band Laibach in einem Performance-Projekt zu Heiner Müller-Texten auf die Bühne. Das ist eine in vielfacher Hinsicht erstaunliche Konstellation. Ein zentraler Begriff dabei lautet "Volk".
Auf der einen Seite steht Heiner Müller, einer in Tradition Bertolt Brechts wichtigsten Dramatiker Deutschlands in der Nachkriegszeit, auf der anderen steht die Band Laibach, die sich, seit es sie gibt, immer mit einer totalitären Aura umgibt.
Regisseurin Anja Quickert bringt Laibach nun am Berliner Theater Hebbel am Ufer in einem Musical-Abend auf die Bühne und befasst die Multi-Künstler mit Texten des 1995 verstorbenen Müllers. Die Konstellation ist in mehrfacher Weise ungewöhnlich.
"Natürlich gibt es dieses ganz starke Bild von Laibach, das ist assoziiert mit diesen Nazi-Auftritten", sagt Quickert. Müller dagegen ist ganz kritisch gegenüber allem Völkischen. Im Programmheft wird Müllers Aussage zitiert "Sobald das Wort 'Volk' fällt, werde ich doch misstrauisch". Und auch, dass das Musical am Theater Hebbel am Ufer läuft, überrascht zunächst, einem Ort, der sich entschieden gegen Chauvinismus und für Weltoffenheit positioniert.
Totalitarismus und Faschismus
"Die größte Gemeinsamkeit ist natürlich, dass sich beide, also Laibach und Heiner Müller, immer mit dem Trauma der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts auseinandersetzen", sagt Quickert. "Mit Totalitarismus, mit Faschismus und diesen Strukturen, aber auch mit den Symbolen."
"Es kam direkt ein Ja", schildert die Theaterfrau die Reaktion von Laibach auf ihre Anfrage an die Künstler: "Auch weil ihnen die Figur Heiner Müller nicht fremd war aus den Kontexten, in denen sie sich selber in Berlin bewegt haben, an der Volksbühne und so weiter."
Im HAU gehe es natürlich um das Wort "Volk" und seinen Gebrauch, sagt Quickert, "um das Propagandapotenzial, das in so phantasmagorischen Begriffen immer beinhaltet ist". Sie verweist auf den Gebrauch in der frühen DDR, vom Gebrauch im rassischen Sinne bei Martin Heidegger und Brechts Widerspruch.
Kindheitserfahrungen der Nazi-Zeit
Die Mitglieder von Laibach seien beeindruckt und angetan von Heiner Müller und von den Texten, berichtet Quickert vor der Premiere am Samstag. "Es ist ein langer Prosatext dabei, wo es um die Kindheitserfahrung zur Nazi-Zeit geht, wo Heiner Müller sich selber als Ausländer erlebt hat – nach dem Umzug der Eltern nach Waren an der Müritz", führt Quickert als ein Beispiel an.
Das Motiv des Ausländers ziehe sich durch den Abend am HAU – auch natürlich mit Bezug auf die Nazi-Zeit und den Holocaust. Das habe Heiner Müller zeitlebens als Referenz beschäftigt. Wer wird ausgeschlossen? Was bedeutet Selektion für die Körper? Was tut Ideologie diesen Körpern an?
Zudem habe sie Lyrik von Heiner Müller und Fragmente aus seinen Stücken. Die Quelle sei aber die Literatur, Müllers Interviews habe sie nicht aufgegriffen, erklärt die Regisseurin zur Textauswahl.
(mfu)