Musik aus dem Knast
Der Hörspielautor Paul Plamper hat mit seinem neuen Werk "Release" ein dokumentarisches Hörspiel über vier Gefangene geschrieben, die ihre eigenen Songs unter den Bedingungen der Haft geschrieben haben. Das Stück ist jetzt als Hörbuch erschienen.
Er hat mehrere Stücke am Berliner Ensemble inszeniert, für Heiner Müller, Robert Wilson und Peter Zadek assistiert: der 33-jährige Paul Plamper. Plamper ist aber nicht nur Theater-Regisseur sondern vor allem auch Hörspielautor. Mit "Top Hit leicht gemacht" landete er 2003 einen Erfolgstreffer. Aber auch "Henry Silber" oder "H2ODH", eine Abkürzung für den Heiner Müller Text "Herakles zwei oder die Hydra" sind echte Raritäten. Seine Hörspiele sollen unterhalten - aber vor allem auch zum Nachdenken anregen.
Heute kommt sein neustes Werk heraus: "Release"- ein dokumentarisches Hörspiel über vier Gefangene, die ihre eigenen Songs aus und unter den Bedingungen der Haft erarbeitet haben.
Sie sollten ihre Gedanken aufschreiben, was sie beschäftigt, hinter den Mauern der Jugendstrafanstalt und Rhythmen für einen Song vorgeben.
Das war die Aufgabe, die Paul Plamper den Gefangenen Ingo, Sabrina, Mogli und Rados gestellt hat. Die vier sitzen wegen Diebstahl-, Drogen- oder Gewaltdelikten ein, sind zwischen 18 und 20 Jahre alt.
"...hätten Sie Lust auf solche Beats? - auf jeden Fall, der Beat, der zeckt mich sehr an - für mich, ich tauch da wie in eine andere Welt, als ob ich ins Wasser springe, Augen zumachen und mich treiben lassen."
Jede Woche besuchte Plamper zusammen mit dem Musiker Schneider TM das Frauen- und Männer-Gefängnis, nahm mit einem mobilen Studio alle Gespräche und Songproben auf. Ob aus dem Material ein Hörspiel werden würde - das war von Anfang an ein Risiko, sagt der 33-jährige, beim Durchhören des Materials.
Festgelegte Dialoge für die Schauspieler, das sei nicht sein Ding. Plampers Arbeitsweise ist die Improvisation. Später wird alles zusammengemixt, gemeinsam mit seinem Kollegen Beat Halberschmidt. "Realease" ist nun Improvisation "pur", mit "echten" Gesprächen.
Plamper: "Ich bin im Verlauf der letzten Arbeiten dazu gekommen ziemlich viel dem Zufall zu überlassen. Also bei Top Hit leicht gemacht hab ich mit Milan Peschel gearbeitet und es war unfassbar, was Milan da erfunden hat aus dem Stehgreif. Und das hat mich dann über H2ODH und Henry Silver dazu geführt, dass ich immer mehr hab improvisieren lassen, auch die Dialoge."
Schauspieler Milan Peschel stellt in Plampers Hörspiel "Top Hit leicht gemacht" einen Arbeitlosen dar. Mit Hilfe des Handbuchs "Der schnelle Weg zum Nr.1 Hit" landete er vor zwei Jahren einen Song in den Charts.
Das Handbuch existiert wirklich, die britische Musikgruppe "THE KLF", bekannt für ihr skrupelloses Sampling, schrieb es 1988.
"Die goldenen Regeln: Diebstahl - die einfachste Möglichkeit wäre ein Knaller aus einer früheren Ära und daraus eine Cover-Version zu machen, allerdings hat dieser Weg auch negative Seiten …"
Plamper: "Der Hit ist ohne die sarkastische Fußnute, die das Hörspiel sein sollte, in die Charts gegangen und keiner hat mehr mitbekommen, was das für eine Bösartigkeit gegenüber dem Medienbetrieb war. Das hat bei mir Handlungsbedarf hinterlassen weiter mit dem Thema Songproduktion zu spielen."
Wie zum Beispiel in "Henry Silber", die Geschichte eines alkoholsüchtigen Schlagerstars im Totaldelirium, oder seinem neusten Werk "Release".
Einfache Unterhaltung, das sollen seine Hörspiele nicht sein.
Sie sind komisch, gesellschaftskritisch, offensiv - und musikalisch, wahrscheinlich, weil er selbst eigentlich Musiker werden wollte, meint er.
Pamper: "Ich hab mal Schlagzeug gespielt, bin ein verhinderter Musiker, der sein Nicht-Musiker-Sein dadurch kompensiert, dass er musikalische Hörspiele macht oder so ähnlich."
Er sei ein ziemlicher Chaot, sagt der überzeugte Jeans und T-Shirt-Träger. Für das Germanistikstudium habe ihm die Disziplin gefehlt. Also hat er mit Theater angefangen. Mit Anfang 20 bekam Plamper die Zusage für eine Hospitanz und später Assistenz bei Peter Zadek. Der habe ihn sehr geprägt.
Plamper: "Also so ein Mann, der in den Proben sitzt und sich Dinge entwickeln lässt, viel Geduld hat auch bestimmten Prozessen unter den Schauspielern ihren Raum lässt, und nur ab und zu eingreift und was sagt."
In die Hörspielproduktion ist Plamper, wie er selbst sagt, dann so "reingeschlittert". Ein Redakteur des Hessischen Rundfunks hatte seine Inszenierung "Projekt RAF" - Auszüge aus Briefen der Terroristen - am Berliner Ensemble gesehen. Er bot ihm an ein Hörspiel daraus zu machen.
"... weil die Audioebene des Theaterstücks schon als Hörspiel zu gebrauchen war, das war auch das Beste daran. Ich hab mich immer stark auf den Sprachrhythmus, die Musik, die Rhythmik der Aufführung konzentriert."
Dass er für sein neustes Hörspiel "Release" ein Gefängnis als Handlungsort ausgewählt hat, ist für Paul Plamper nicht ungewöhnlich, sondern selbstverständlich. Seine Großmutter war die erste Frau, die im Hessischen Jugendstrafvollzug gearbeitet hat.
Plamper: "Ich seh nicht ein, warum ich in meiner Arbeit die gleichen Grenzen ziehen soll wie die Gesellschaft. Gefangenschaft ist Teil der Gesellschaft. Und Release heißt ja Veröffentlichung, zu veröffentlichen, was hinter Mauern geschieht."
Service:
Paul Plampers Hörspiel "Release" erscheint am 27. Juni bei dem Label Lieblingslied-Record. Es kostet 15 Euro. Dauer: 1 h.
In der "Hörspielzentrale" im Berliner Theater Hebbel am Ufer, Hau 2 stellt Paul Plamper einmal im Monat ein Hörspiel vor.
Heute kommt sein neustes Werk heraus: "Release"- ein dokumentarisches Hörspiel über vier Gefangene, die ihre eigenen Songs aus und unter den Bedingungen der Haft erarbeitet haben.
Sie sollten ihre Gedanken aufschreiben, was sie beschäftigt, hinter den Mauern der Jugendstrafanstalt und Rhythmen für einen Song vorgeben.
Das war die Aufgabe, die Paul Plamper den Gefangenen Ingo, Sabrina, Mogli und Rados gestellt hat. Die vier sitzen wegen Diebstahl-, Drogen- oder Gewaltdelikten ein, sind zwischen 18 und 20 Jahre alt.
"...hätten Sie Lust auf solche Beats? - auf jeden Fall, der Beat, der zeckt mich sehr an - für mich, ich tauch da wie in eine andere Welt, als ob ich ins Wasser springe, Augen zumachen und mich treiben lassen."
Jede Woche besuchte Plamper zusammen mit dem Musiker Schneider TM das Frauen- und Männer-Gefängnis, nahm mit einem mobilen Studio alle Gespräche und Songproben auf. Ob aus dem Material ein Hörspiel werden würde - das war von Anfang an ein Risiko, sagt der 33-jährige, beim Durchhören des Materials.
Festgelegte Dialoge für die Schauspieler, das sei nicht sein Ding. Plampers Arbeitsweise ist die Improvisation. Später wird alles zusammengemixt, gemeinsam mit seinem Kollegen Beat Halberschmidt. "Realease" ist nun Improvisation "pur", mit "echten" Gesprächen.
Plamper: "Ich bin im Verlauf der letzten Arbeiten dazu gekommen ziemlich viel dem Zufall zu überlassen. Also bei Top Hit leicht gemacht hab ich mit Milan Peschel gearbeitet und es war unfassbar, was Milan da erfunden hat aus dem Stehgreif. Und das hat mich dann über H2ODH und Henry Silver dazu geführt, dass ich immer mehr hab improvisieren lassen, auch die Dialoge."
Schauspieler Milan Peschel stellt in Plampers Hörspiel "Top Hit leicht gemacht" einen Arbeitlosen dar. Mit Hilfe des Handbuchs "Der schnelle Weg zum Nr.1 Hit" landete er vor zwei Jahren einen Song in den Charts.
Das Handbuch existiert wirklich, die britische Musikgruppe "THE KLF", bekannt für ihr skrupelloses Sampling, schrieb es 1988.
"Die goldenen Regeln: Diebstahl - die einfachste Möglichkeit wäre ein Knaller aus einer früheren Ära und daraus eine Cover-Version zu machen, allerdings hat dieser Weg auch negative Seiten …"
Plamper: "Der Hit ist ohne die sarkastische Fußnute, die das Hörspiel sein sollte, in die Charts gegangen und keiner hat mehr mitbekommen, was das für eine Bösartigkeit gegenüber dem Medienbetrieb war. Das hat bei mir Handlungsbedarf hinterlassen weiter mit dem Thema Songproduktion zu spielen."
Wie zum Beispiel in "Henry Silber", die Geschichte eines alkoholsüchtigen Schlagerstars im Totaldelirium, oder seinem neusten Werk "Release".
Einfache Unterhaltung, das sollen seine Hörspiele nicht sein.
Sie sind komisch, gesellschaftskritisch, offensiv - und musikalisch, wahrscheinlich, weil er selbst eigentlich Musiker werden wollte, meint er.
Pamper: "Ich hab mal Schlagzeug gespielt, bin ein verhinderter Musiker, der sein Nicht-Musiker-Sein dadurch kompensiert, dass er musikalische Hörspiele macht oder so ähnlich."
Er sei ein ziemlicher Chaot, sagt der überzeugte Jeans und T-Shirt-Träger. Für das Germanistikstudium habe ihm die Disziplin gefehlt. Also hat er mit Theater angefangen. Mit Anfang 20 bekam Plamper die Zusage für eine Hospitanz und später Assistenz bei Peter Zadek. Der habe ihn sehr geprägt.
Plamper: "Also so ein Mann, der in den Proben sitzt und sich Dinge entwickeln lässt, viel Geduld hat auch bestimmten Prozessen unter den Schauspielern ihren Raum lässt, und nur ab und zu eingreift und was sagt."
In die Hörspielproduktion ist Plamper, wie er selbst sagt, dann so "reingeschlittert". Ein Redakteur des Hessischen Rundfunks hatte seine Inszenierung "Projekt RAF" - Auszüge aus Briefen der Terroristen - am Berliner Ensemble gesehen. Er bot ihm an ein Hörspiel daraus zu machen.
"... weil die Audioebene des Theaterstücks schon als Hörspiel zu gebrauchen war, das war auch das Beste daran. Ich hab mich immer stark auf den Sprachrhythmus, die Musik, die Rhythmik der Aufführung konzentriert."
Dass er für sein neustes Hörspiel "Release" ein Gefängnis als Handlungsort ausgewählt hat, ist für Paul Plamper nicht ungewöhnlich, sondern selbstverständlich. Seine Großmutter war die erste Frau, die im Hessischen Jugendstrafvollzug gearbeitet hat.
Plamper: "Ich seh nicht ein, warum ich in meiner Arbeit die gleichen Grenzen ziehen soll wie die Gesellschaft. Gefangenschaft ist Teil der Gesellschaft. Und Release heißt ja Veröffentlichung, zu veröffentlichen, was hinter Mauern geschieht."
Service:
Paul Plampers Hörspiel "Release" erscheint am 27. Juni bei dem Label Lieblingslied-Record. Es kostet 15 Euro. Dauer: 1 h.
In der "Hörspielzentrale" im Berliner Theater Hebbel am Ufer, Hau 2 stellt Paul Plamper einmal im Monat ein Hörspiel vor.