Musik aus Mali mit Weltruhm

Von Jutta Petermann |
Sie gilt als eine der innovativsten Komponistinnen Westafrikas, aber ganz frei ist die 37-jährige Rokia Traoré nicht immer in ihrer Musik. Das Erbe Malis will behutsam eingeflochten werden in ihre permanent nach Neuem strebenden Songs, damit sie von ihren Landsleuten respektiert wird.
Das die schlanke, ja schon zierliche, kleine Frau Ende der 1990er-Jahre zur Gitarre griff und eigene Stücke schrieb, das war an sich schon eine Provokation in ihrer muslimisch geprägten westafrikanischen Heimat.

"Es gibt jede Menge Vorurteile bei uns, eine Frau darf dieses und jenes nicht machen. In Mali sind es die Männer, die Musik und Arrangements machen, komponieren, Liedtexte schreiben. Frauen sind Sängerinnen und Interpretinnen. Ich habe ihnen inzwischen bewiesen, dass ich in der Lage bin Musik zu machen meine Alben selbst zu realisieren."

Die Mutter eines Kindes hat ihren eigenen Kopf, auf dem sie ihr Haar meist kurz bis ganz wegrasiert trägt. Nichts trübt den Blick in ihrem länglichen, ebenmäßigen Gesicht mit schönen großen Augen, die keinem Blick ausweichen. Einen nachdenklichen Kopf hat sie, in dem sie intensiv und pausenlos Gedanken bewegt über Lebensfragen wie etwa dem großen Exodus aus Afrika. Diese Gedanken werden zu Songs wie "Tounka".

"Der Song Tounka bedeutet Abwanderung Massenflucht, thematisiert die Fluchtbewegung von Afrika nach Europa. Die Mütter dieser meist jungen Afrikaner, die auf illegalem Weg ohne die nötigen Papiere Afrika verlassen in Boote steigen und übers Meer fahren. Diese Mütter wissen oft wochenlang nicht, was aus ihren Kindern geworden ist. Ängste und Sorgen quälen und lähmen sie. Niemand spricht darüber jeder ahnt das Schlimmste."

Rokia Traoré singt in der Bamara-Sprache, der Sprache ihres Volksstammes, manchmal auf Französisch, ganz selten auch auf Englisch. 1974 kommt sie in Kolokani im Nordwesten Malis zur Welt als Tochter eines musikverliebten Diplomaten mit enormer Plattensammlung. Wegen ihm reist die Familie viel, Rokia lernt Saudi Arabien, Algerien, Frankreich und Belgien kennen, den dortigen Lebensstil und die jeweilige Musik des Landes.

"Als Kind hörte ich viel Musik zusammen mit meinem Vater, mein Vater besitzt unzählige Schallplatten. Ich hörte Louis Armstrong, Miles Davis, Fela Kuti, das hat mich geprägt und prägt bestimmt meine Musik, die ich jetzt mache."

Musik, in der sie immer nach neuen Klängen sucht, sie verändert traditionelle Songstrukturen, kombiniert sie mit westlichen Rhythmen und Instrumenten.

Es entsteht dabei moderne malische Musik, wie sie selbst sagt. Musik, die ihr neben afrikanischen Musikpreisen 1997 den Radiopreis als Entdeckung Afrikas in Frankreich eingebracht hat, 2000 dann Lobeshymnen der New York Times, und 2003 den begehrten Weltmusikpreis der BBC.

Und 2006 dann zum ersten Mal den Ruf des US-amerikanischen Theaterregisseurs Peter Sellars. Er bittet Rokia Traoré im Mozart Jubiläumsjahr zu dessen 250. Geburtstag für die Wiener Festwochen Mozartsche Musikmotive neu zu interpretieren. Das Ergebnis war so begeisternd, dass Rokia Traore nun zum zweiten Mal mit Peter Sellars zusammengearbeitet hat. Für seine Desdemona Inszenierung nach einem Text von Toni Morisson.