Musik

"Ich freue mich, dass ich raus gekommen bin"

Der Swing/Jazz-Musiker und Gitarrist Coco Schumann lacht beim Signieren des Buchs "I got Rythm" am 09.05.2014 im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin. Das Werk handelt vom Leben der Jazzlegende Heinz Jakob "Coco" Schumann, der am 14.05.2014 seinen 90.Geburtstag feiert.
Der Musiker Coco Schumann © picture alliance / dpa / Roland Popp
Von Peter Kaiser |
Er hat das Grauen der Nazizeit erlebt, musste als jüdischer Musiker in Theresienstadt und Auschwitz auftreten. Später stand er mit Größen wie Louis Armstrong und Ella Fitzgerald auf der Bühne. Heute erzählt er Interessierten von seinen Erlebnissen - und swingt.
"Die deutsche Volksmusik ist marschmäßig. Da kann man nach marschieren. Wenn Sie die angucken, die alle mitklatschen, die Deutschen, alle auf 1 und 3...(Klatschen auf 1 und 3) dann wissen Sie schon, was die für ein Feeling haben. In Amerika oder in Australien haben die sofort auf 2 und 4 geklatscht, nicht (Klatschen auf 2 und 4)… wenn ich so die südamerikanische Volksmusik höre, ist natürlich eher mein Fall, nicht..."
"Ich bin nicht mehr der Jüngste, aber auch nicht der Älteste."
(Coco über Coco)
Er wurde vielfach befragt, gefilmt, interviewt, portraitiert, zu den alten Orten begleitet, und bei seinen Konzerten bejubelt: der Berliner Swing-Gitarrist Coco Schumann. Der eigentlich Heinz Jakob Schumann heißt, und ein vielbeschäftigter Mann ist.
"Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden.“
Bärbel Petersen: (…) Ich kenne Coco seit 2006, (...) und mir ist aufgefallen, dass Coco immer zur richtigen Zeit den richtigen Spruch parat hat.
Fasziniert von der Pauke mit dem roten Licht
Am 14. Mai 1924 wird Heinz Jakob Schumann als Sohn einer jüdischen Berlinerin und eines nichtjüdischen Thüringers geboren. Später kann eine französische Freundin den Namen Heinz nicht aussprechen, sie sagt Coco, deutsch: Liebling. Mit 12 Jahren hört Coco Schumann zum ersten Mal Jazz, dem er daraufhin verfällt.
"(…) Mein Onkel war Schlagzeuger, und ich kann mich noch erinnern, die große Trommel, die er hatte, die Pauke, ja. Da stand draußen 'Lucky Stars' drauf, 'The Lucky Stars'. Und innen war die mit einer roten Lampe beleuchtet, also das hat mich so fasziniert."
Autodidaktisch bringt sich der als "Halbjude" im Nazi-Deutschland klassifizierte Coco Schumann das Schlagzeug- und Gitarrespielen bei. Und spielt mit den Jazz- und Swinggrößen der 1930er-Jahre.
"(…) ...am Bayerischen Platz, der hieß Tullio Immobilia, das war ein Star damals in Berlin, ja, der kam aus San Reno, und hat hier Konzerte gemacht und hat mich engagiert, ich war damals … wie alt war ich, 19, oder 19 Jahre alt, und dann hat man mich verpfiffen, und ich habe den Stern in der Tasche gehabt. Wenn ich das alles nicht gemacht hätte, dann wäre ich wahrscheinlich auch nicht nach Auschwitz gekommen."
Bärbel Peterson: "Coco kam im Herbst 1944 nach Auschwitz-Birkenau. Und ich habe ihn gefragt, wie war das, der erste Eindruck?"
Die Journalistin Bärbel Petersen.
"Er sagt, die Luft war voller Aschestaub, und der Geruch...nach Verbranntem. Also wenn Leute behaupten, sie hätten das nicht gemerkt, dann lügen sie. Und er ist dort sofort aussortiert worden, so muss man das nennen, das heißt, die, die arbeiten konnten in die eine Reihe, und die anderen kamen in die Gaskammer. Er wurde dann in einen Block gesteckt. Und dann kam jemand auf ihn zu, der Kapo, und hat gesagt: (...) 'Coco, ich kenn' dich doch, du hast im Groschenkeller und in der Rosita-Bar in Berlin gespielt. Und du wirst hier auch spielen...', (...) und sie mussten an der Rampe spielen, wenn die Frauen und Kinder vorbei gegangen sind, wenn sie in die Gaskammern geschickt wurden. Und da mussten sie das Lied 'La Paloma' spielen."
Das Rätsel "La Paloma"
Coco: "Wir haben gerätselt, warum ausgerechnet 'La Paloma'? (...) das war damals der Film 'Große Freiheit No.7', da hat es Hans Albers gesungen. Der Film war später verboten, aber die SS konnte ihn noch sehen.(...) 40 Jahre lang habe ich nicht gewusst, warum die sich immer 'La Paloma' bestellt haben(...) und ich bin gefragt worden, ob ich das Lied noch spielen kann? Ich habe immer gesagt, was kann denn das Lied dafür?"
Coco Schumann überlebt Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau.
"Ich sage immer, ich beschwere mich nicht, dass ich da drinnen war. Ich freue mich jeden Tag, das ich rausgekommen bin."
Nach der Nazizeit wandert er nach Australien aus, bald kehrt er zurück. Wiederum spielt er mit den Jazz- und Swinggrößen der Zeit: Helmut Zacharias, Louis Armstrong, Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Ella Fitzgerald...
"Coco, it's not important, what you play. It`s important how you play." (Louis Armstrong)
Ein Buch mit den besten Coco-Sprüchen
90 Jahre sind über diese Erlebnisse gegangen, viele seiner Freunde und Mitmusiker sind heute tot.
"(...) ich sag schon immer, wenn ich meine Freunde besuchen will, muss ich ne Gieskanne mitnehmen." (lacht)
Als Jubiläumsgabe hat Bärbel Petersen eine Edition mit den 90 besten Sprüchen und Zitaten Coco Schumanns im Berliner Lichtig-Verlag veröffentlicht.
Petersen: "Mit den wunderbaren Fotos von Susann Welscher und einem Scherenschnitt vom Berliner Künstler Alexej Feser, und als ich bei Trikont, dem Musikverlag von Coco, angerufen habe, waren die sofort dabei eine Best-Of-CD extra für diese Sonderedition zu erstellen. Sechs Titel von dieser CD sind Eigenkompositionen von Coco Schumann."
Wie etwa Nr. 11 von der CD: "Stripper Blues."
90 Jahre alt zu werden, in dieser an Grauen reichen Zeit, macht jeden still und verlegen. Man kann sich nur vor dem Jubilar verneigen. Der auf die Frage, was er an seinem 90. Geburtstag macht Bärbel Petersen antwortet:
"Ab 100 versuche ich wie Heesters zu singen."