Ikone der polnischen Rockmusik
Der polnische Sänger, Musiker und Komponist Czesław Niemen verband Rock, Soul, Klassik und Jazz mit Volksballaden, Kirchenmusik und polnischer Poesie. In den 70er und 80er Jahren war Niemen ein Pionier der elektronischen Musik. Er wurde zum Idol einer ganzen Generation und ist bis heute eine Legende in Polen.
In seiner bekanntesten Rockballade, mit dem deutschen Titel "Seltsam ist diese Welt", beschwor Czesław Niemen die Menschheit, Hass und Gewalt zu überwinden. Sein Lied wurde zur Hymne der jungen Generation in Polen.
Niemens Karriere hatte in den 1960er-Jahren begonnen. Er studierte in Danzig Musik und spielte mit seiner Band "Niebiesko Czarni" - "die Blauschwarzen" - zunächst im Stil der Beatles. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte Niemen, der mit bürgerlichem Namen Czesław Juliusz Wydrzycki hieß und aus einem kleinen polnischen Ort im heutigen Weißrussland stammte, eine außergewöhnliche musikalische Bandbreite. Expressive Rockmusik kombinierte er mit Klassik, Jazz- und Soulrhythmen, Volksballaden und Kirchenmusik.
1964 wurde Marlene Dietrich auf Niemen aufmerksam, als er mit seiner Band bei ihrem Konzert in Warschau als Vorgruppe spielte. Jahrzehnte später erzählte er in einem Interview:
"Ich sang gerade 'Ob Du Dich noch erinnerst?'. In der Pause kam sie auf mich zu, ergriff meine Hand und sagte: Dieses Lied gefalle ihr sehr und sie wolle es von mir kaufen und so kam es zum Vertrag und Marlene nannte das Lied: 'Mutter, hast Du mir vergeben?'."
1970 veröffentlichte Czesław Niemen sein Hauptwerk "Enigmatic" – ein 16-minütiges Epos über den polnischen Freiheitshelden Jozef Bem. Musikalisch ist es eine Synthese aus Kirchen- und Rockmusik und gilt noch heute als Meilenstein der polnischen Rockgeschichte.
Plattenvertrag im Westen
In den 1970er-Jahren entwickelte Niemen neue musikalische Varianten mit elektronischen und psychedelischen Klängen. Der internationale Durchbruch war ihm bereits 1967 mit dem Album "Seltsam ist diese Welt" gelungen. Er hatte einen Plattenvertrag beim amerikanischen Medienriesen CBS, lebte für einige Jahre in Italien und gab Konzerte in vielen europäischen Ländern. In Westdeutschland spielte er 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München und gab Konzerte in Frankreich, Italien und England.
Besonders populär war Niemen in der DDR. Allerdings wartete man dort und in anderen sozialistischen Bruderstaaten vergeblich auf klassenkämpferische Töne. Niemen lehnte ideologische Einschränkungen seiner Kunst ab. Beim "Festival des politischen Liedes" 1984 in Ostberlin betonte er:
"Wenn ich auch keine politischen Lieder gesungen habe, so enthalten doch meine Lieder ein prinzipielles humanistisches und philosophisches Grundanliegen ... in Bezug auf die Menschen ..."
1997 sagte Niemen über seine Auftritte in Ostdeutschland:
"Für mich war diese ganze DDR ein Horror, aber ich konnte schon immer die politischen Umstände dieses Landes von den Menschen, die meine Fans waren, unterscheiden, jedenfalls erinnere ich mich an sehr schöne Konzerte, weil die Jugend dort ein fantastisches Publikum war ..."
Niemen produzierte über 20 Studio- und Konzertalben sowie zahlreiche Compilations und Singles. In den 1980er und -90er-Jahren zog er sich mehr und mehr zurück, komponierte Filmmusik, etwa für Andrzej Wajdas Film "Die Hochzeit", und beschäftigte sich mit bildender Kunst und Grafik.
Am 17. Januar 2004 starb Czesław Niemen kurz vor seinem 65. Geburtstag in Warschau an Krebs. Sein Lied "Sen o Warszawie" – "Traum von Warschau" gilt heute noch als inoffizielle Hymne der polnischen Hauptstadt.