Jüdische Kultur ist nicht nur Schmerz
Assaf Levitin, Ido Ben-Gal und Amon Selig wollen heutige jüdische Musik auf die Konzertbühnen bringen. Die Kantoren haben am Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg studiert - und singen nun gegen das Vorurteil an, jüdische Musik könne nicht fröhlich sein.
"Und die Mashke hat nicht vom Tisch gekrochen. Und ich hab nichtig gedacht, dass ich bin a chosen und alle Gläser eingegossen ... eidai dadadei."
Ein Lied von einem, der zu sehr dem Schnaps zuspricht und ganz vergessen hat, dass er Vorbeter in der Synagoge ist - ein Kantor eben.
Die drei Kantoren machen sich über sich über sich selbst lustig, singen nicht nur fromme Lieder aus der Synagoge, und fallen bei ihren Konzerten ein bisschen aus der typischen Kantorenrolle, erzählt Bass-Sänger Assaf Levitin:
"Bei Kantor, bei dem Wort, denkt man erst mal an die religiöse Tätigkeit, was bei uns nicht einziges Thema ist, einziges Hauptthema, man muss auch andere jüdische Gesänge, auch israelische, auch Volksgesänge aus der ganzen jüdischen Welt dazu nehmen. Es gibt so viel zu erzählen."
"Wir erzählen uns immer Witze, wir diskutieren Politik"
Alle drei Kantoren Assaf Levitin, Amon Selig und Ido Ben-Gal stammen aus Israel und haben am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam studiert - oder studieren dort noch. Bariton Amon Selig:
"Ein Lieblingsteil unserer Existenz für mich sind unsere Reisen zu den Konzerten. Wir fahren meist mit der Bahn und möglichst zusammen. Wir sind alle sehr gut befreundet, und wir haben uns immer was erzählen, wir erzählen uns immer Witze, wir diskutieren Politik, das ist letztes Jahr ein Großteil meines Soziallebens geworden."
Wenn die drei keine Synagogengesänge vortragen, singen sie jiddische Lieder, Gesänge vom Schabbat, die man in jüdischen Familien zu Hause anstimmt, oder Lieder von der Liebe - wie den israelischen Song "Erew shel shoshanim", Lilienabend.
"Meine Identität als Jude und als Israeli ist eine positive"
"Ich denke, grundsätzlich wenn man die drei Kantoren hört, kommt ein grundsätzliches 'Es geht uns gut' raus, und nicht: 'Oi wey, wie schwer is es zu sein a Jid'."
Das deutsche Publikum erwarte häufig, dass jüdische Lieder traurig oder melodramatisch seien und denke bei "Judentum" vornehmlich an Katastrophen, findet Amnon Selig.
"Ja, also ich geb's zu, es geht mir gut. Meine Selbstdefinition als Jude in Deutschland, dessen Familie auch teilweise Richtung Auschwitz auf der Strecke geblieben ist, weil sie noch auf der Strecke erschossen wurde, bevor sie angekommen sind und und und und und .- trotzdem ist meine Identität als Jude und als Israeli eine positive. Es geht mir gut, ich hab's wohl hier, ich genieße mein Leben. Und Jüdischsein heißt nicht nur diese Tragik. Juden unter sich, was ich erfahre, ist ein sehr fröhliches Volk."
Doch mit dieser Fröhlichkeit seien nichtjüdische Deutsche manchmal überfordert, erzählt Assaf Levitin:
"Es ist bei uns ein paar Mal vorgekommen, dass Leute zu uns aus dem Publikum gekommen sind, vor allem Nicht-Juden, die anscheinend Vorurteile haben, was jüdische Musik oder jüdische Kultur bedeutet, ein bisschen enttäuscht, weil sie meinen, die Musik wäre zu unterhaltsam, spaßig irgendwie, nett. Und das ist nicht was sie erwartet haben , weil sie wollen dieses, oi, krechzend schmerzend. Jüdische Kultur ist nicht nur Schmerz und Krechz und Weinen."