An Südafrika schieden sich die Geister
06:19 Minuten
Während der Apartheid kauft das Regime in Südafrika Stars wie Elton John, Frank Sinatra und Queen ein. Andere wie Steven Van Zandt rufen zum kulturellen Boykott auf. Er produziert das Lied "Sun City" – benannt nach dem Ort, wo die anderen auftraten.
Das südafrikanische Apartheidregime war ein denkbar abstoßendes Gebilde: eine Gesellschaft, in der eine weiße Minderheit auf der Grundlage von Unterwerfung und Entrechtung der nicht-weißen Mehrheit brutal herrschte. Ein mörderisches System, das gleichzeitig auch mit ganz banalen Schikanen aufrecht erhalten wurde.
Und sie kamen gerne: Rod Stewart, Elton John, Sinatra
Dazu gehörte, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass es sich bei Südafrika um ein ganz normales Land handeln würde, auch dann noch, als die UN 1980 einen kompletten kulturellen Boykott beschloss. Zur Umgehung gab es das Luxus-Urlaubsressort Sun City in Bophuthatswana, nominell unabhängig, de facto Teil von Südafrika. Hierhin wurden die größten Entertainer und Musiker der Welt eingeladen, und sie kamen gerne: Rod Stewart, Elton John, Frank Sinatra und Queen.
Auch Paul Simon reist in das Land. Er ist auf südafrikanische Musik gestoßen und will jetzt sein Album "Graceland" hier aufnehmen. Als ihn Aktivisten mit dem Boykott konfrontieren, ist seine Erklärung so einfach wie perfide: Er stehe auf der Seite der Kunst, nicht der Politik. Außerdem spielten auf seinem Album Schwarze und Weiße zusammen. Als letzte Provokation lässt er Linda Ronstadt auf dem Album singen, die kurz vorher in Sun City aufgetreten ist.
Auch Paul Simon reist in das Land. Er ist auf südafrikanische Musik gestoßen und will jetzt sein Album "Graceland" hier aufnehmen. Als ihn Aktivisten mit dem Boykott konfrontieren, ist seine Erklärung so einfach wie perfide: Er stehe auf der Seite der Kunst, nicht der Politik. Außerdem spielten auf seinem Album Schwarze und Weiße zusammen. Als letzte Provokation lässt er Linda Ronstadt auf dem Album singen, die kurz vorher in Sun City aufgetreten ist.
Zur gleichen Zeit hat der Gitarrist Steven Van Zandt, Mitglied von Bruce Springsteens E-Street-Band, einen politischen Erweckungsmoment hinter sich. Inspiriert von Nelson Mandela, der damals bereits 22 Jahre im Gefängnis auf Robben Island sitzt, reist er 1984 nach Südafrika, das gerade vorsichtige Reformen vorgaukelt.
Bei seinen Gesprächen sei er zu einem anderen Urteil als Paul Simon gekommen, erzählt Van Zandt: "Ich habe mich mit vielen Leuten getroffen, aus jeder politischen Gruppe, die sich teils überhaupt nicht einig waren, nur in einer Sache: Bitte sag der Musikszene, dass niemand in Sun City auftreten soll."
Wir leben in einem Gefängnis
Und sie sagen ihm noch etwas: Wir leben in einem Gefängnis. Uns ist egal, wenn wir noch etwas mehr leiden, Hauptsache, es verändert sich etwas.
Zusammen mit dem Produzenten Arthur Baker produziert Van Zandt den Protestsong "Sun City". Bruce Springsteen, Lou Reed, Bob Dylan, Darlene Love, Bono, Bonnie Raitt, Miles Davis, aber auch Run-DMC und George Clinton leisten in dem Song das Versprechen, nicht in Sun City aufzutreten. Dazu gehört auch Kollegenschelte, wie sie eigentlich nicht üblich ist:
"Wir wurden auch eingeladen, das Honorar war lächerlich hoch, zwei Millionen Dollar", erzählt Daryl Hall von Hall & Oates. "Wir hätten das Geld damals gut gebrauchen können. Aber wir waren schlau genug zu wissen, was dort passiert. Wer dort auftritt, und ich will keine – doch, ich will Namen nennen: Rod Stewart und Queen, und sie sind echte Penner, weil sie wussten, was sie damit tun. Und deswegen sollten sie dafür kritisiert werden."
Es ist die Zeit der Charity-Hymnen wie "We Are the World", doch den "Artists United Against Apartheid" geht es nicht um Mitleid und Wohltätigkeit, sondern um einen politischen Akt. Wegen deutlicher Kritik an Ronald Reagan, der diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit dem Land pflegt, wird der Song von vielen amerikanischen Radiosendern nicht gespielt.
Es ist die Zeit der Charity-Hymnen wie "We Are the World", doch den "Artists United Against Apartheid" geht es nicht um Mitleid und Wohltätigkeit, sondern um einen politischen Akt. Wegen deutlicher Kritik an Ronald Reagan, der diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit dem Land pflegt, wird der Song von vielen amerikanischen Radiosendern nicht gespielt.
Verbindung zwischen Südafrikas Apartheid und Rassismus in den USA
Der Song ist eine frühe Mischung aus Rap und Rock, was es ihm aber erschwert, ein Publikum zu finden. Doch es ist gerade dieser Mix und die Weitsicht, Rapper wie Run-DMC und Kurtis Blow so prominent in den Vordergrund zu stellen und so eine Verbindung zwischen Apartheid und Rassismus in den USA zu ziehen, die ihn heute noch aufregend machen.
Ein paar Jahre später fällt das Apartheidsystem tatsächlich. Mandela kommt frei. Er bedankt sich bei Steven Van Zandt und dem Rest der Welt öffentlich für die Unterstützung. "Thank you very much to you all. Thank you that you chose to care because you could have decided otherwise" – "Vielen Dank Euch allen. Danke, dass Ihr Euch dafür entschieden habt, Euch zu kümmern, wo Ihr Euch auch anders hättet entscheiden können."
Das zeigt einmal mehr: Der Boykott Südafrikas begann im Land selbst. Gefordert von denen, die gleichzeitig am wenigsten und am meisten zu verlieren hatten. Das erfordert Opfer, und ist unbequem, gerade im Pop, dessen Prinzip lautet, mit allen Menschen zu sprechen.
Vielleicht ist das die Moral von "Sun City": Dass ein Boykott auch eine Art stiller Dialog sein kann, bis alle Seiten zugeben, dass es so nicht weiter geht. Der Song "Sun City" findet deutliche Worte. Übersetzt heißt es darin: "Wir fallen unseren Brüdern und Schwestern in den Rücken. Das Prinzip lautet internationale Solidarität."