Von zwei Titeln zum Auftragswerk
66 Frauen treffen sich jeden Dienstag im Musiksaal einer Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Auf die Probe verzichtet keine gern. Egal woher sie kommt, aus der Praxis, der Klinik, der Schule, von der Bühne oder vom Bau - an dem Abend geht es um Musik.
Diana Molnar: "Toll, lerne ich noch jemanden kennen, weil ich hab' mir nämlich überlegt: Wenn wir 66 Frauen sind und das Jahr 52 Wochen hat, ich einmal die Woche in die Probe geh', dann lern' ich in etwas über einem Jahr jede Person kennen. Wenn ich jeden Dienstag komme, was aber leider nicht der Fall ist."
Auch wenn Diana Molnar und einige andere am Dienstagabend nicht kommen, der Musikraum der Otto Wels Grundschule ist dennoch voll bis Oberkante. Stühle, Notenständer, Rucksäcke, Wasserflaschen. Überall liegen Instrumentenkoffer herum, manche dick und aufgebläht wie zu groß geratene Hutschachteln. Andere lang und spillerig. Und natürlich Frauen. Sehr junge und eher nicht mehr junge, zwischen 20 und 75. Wirklich erstaunlich, der Nacken der Saxofonistin bleibt schadlos. Dabei kommt ihr die Hinterfrau mit der Posaune mehrfach beängstigend nah. Blech ... knapp vorbei! Die haben vielleicht Nerven. Sich nach einem langen Arbeitstag in der Arztpraxis, auf dem Bau, in der Kanzlei, im Pfarramt oder wo auch immer noch mit 66 anderen Frauen einzuquetschen. Ungeachtet der Hitze im Raum. Und das alles nur, um zusammen Blasmusik zu machen.
Bettina Rienth: "Ach, wir sind ja alles Laien, nur Astrid ist sozusagen gelernte, studierte Musikerin. Aber das ist egal, das spielt keine Rolle. Wir haben alle Lust, was zu lernen und zu spielen. Und manchmal krieg' ich richtig Gänsehaut, wenn's dann einfach so schön ist und dann alles so intoniert und der Sound kommt gut. Woahh, dann denk' ich immer, ich bin Teil von so 'nem Ding. Das find' ich schon den Hammer!
Ich staune immer wieder, es gibt so viele Orchester, die professionell Musik machen, denen wir nicht das Wasser reichen können, aber unsere Konzerte sind oft einfach wirklich richtig knall voll, weil die Leute Spaß haben uns zu sehen."
Eine Katze Names Tuba
Spaß ist gut, aber nur Spaß, dafür ist Dirigentin Astrid Graf die falsche Ansprechpartnerin. Die 48-Jährige hat ein klassisches Klarinettenstudium an der Musikhochschule Köln absolviert. Sie ist Diplommusikerin und Instrumentalpädagogin. Kurz: ein Profi. Ob dirigieren, arrangieren, Klarinette- und Saxofonspielen oder unterrichten: Astrid Graf ist Musikerin aus Leidenschaft. Selbst ihre Katze kommt daran nicht vorbei: Sie heißt Tuba. Leidenschaftlich und leistungsorientiert, so fing das mit dem Frauenblasorchester Berlin an.
Graf: "Und zwar 2003 hab' ich meine Schülerinnen – die wollten sich mal alle kennenlernen – in meine Wohnung eingeladen und hab' gesagt, so, jetzt machen wir mal ein Vorspiel. Und dann sagte eine von den Schülerinnen zu mir, sag mal, du hast doch schon mal vor langer Zeit irgendwo ein Blasorchester geleitet. Und dann habe ich gesagt: Ja. Meint sie: Willst du eins gründen? Innerlich habe ich gedacht, gründen können wir gerne machen, aber wird sich denn überhaupt ein Raum finden, in dem ich das stattfinden lassen kann, weil ich in Köln damit gescheitert bin. Dann habe ich ja gesagt, wenn du mir einen Raum besorgst. Ja, zwei Wochen später hatte sie einen Raum optional für zwei Tage. Und dann haben wir angefangen."
Und in diesem Raum standen plötzlich wirklich 38 Frauen. Mit ihren Flöten, Trompeten und Posaunen und manche auch mit einer unübersehbaren Staubschicht auf dem schwarzen Instrumentenkoffer.
Von Anfang an war da eine "Wahnsinnsenergie"
Graf: "Es war eine sehr wilde Probe, unsere erste Probe. Wir haben zwei oder drei Stücke sogar durchgespielt, aber mehr schlecht als recht, aber die Stimmung war einfach irrsinnig gut. Also von der ersten Probe ab, war da eine Wahnsinnsenergie in dieser Geschichte."
Sie wollten zusammen Musik machen: Jazz, Klassik, Pop, Swing. Egal. Aber garantiert keine volkstümliche Blasmusik im Dunst von Bierzelt, Trachtenverein und zünftiger Marschmusik. An diesem Tag stand auch der erste Auftritt fest: in der Berliner Kabarett Anstalt, kurz BKA, am Mehringdamm.
Graf: "Und da hab' ich noch gedacht: Na, schaun' wir mal, was bis dahin so geht. Ja, und dann sind wir da aufgetreten, am 8. März, mit zwei Titeln. Und dann wollten sie auch Zugaben haben und dann haben wir einfach eins wiederholt. Die Serenata, die haben wir eigentlich immer mal wieder im Programm, weil die einfach schön ist.
Also ein Orchester gründen ist was anderes, als in ein Orchester reingehen, das schon existiert. Oder jetzt zu sagen, okay, da sucht ein Orchester einen Dirigenten oder eine Dirigentin, und da gehe ich jetzt hin und bewerbe mich. Dann ist das schon ein Klangkörper, der existiert, der schon mal mit anderen gearbeitet hat, den habe ich nicht von null auf die jetzige Form hin mitgeformt. Und dieses Orchester ist irgendwo auch schon mein, ja, mein Herzblut."
Eine unnachgiebige Dirigentin
Das diesjährige Frühjahrskonzert im Schlosstheater Rheinsberg hat Astrid Graf mit gebrochener Hand dirigiert. Auch die dazugehörenden intensiven Werkstattproben zog sie damit durch. Die Musikakademie Rheinsberg hatte dem Orchester am letzten Märzwochenende eine Arbeits- und Konzertmöglichkeit geboten. Schon vor dem Frühstück wurde geübt, die Probenräume im Kavalierhaus erst kurz vor Mitternacht verschlossen. Unnachgiebig blieb die Dirigentin nicht nur in Rheinsberg. Auch in der wöchentlichen Orchesterprobe in Kreuzberg verlangt sie sich und den Amateurmusikerinnen alles ab. Die Dirigentin hüpft, kniet, biegt sich auf dem schmalen Podest. Sie ringt um den Klang des Orchesters, mal professionell erklärend, mal nachsichtig bittend.
Bettina Rienth, Mitte 50, arbeitet als Gerichts- und Bewährungshelferin mit straffällig gewordenen Frauen. Sie spielt Baritonsaxofon und ist eine Frau der ersten Stunde, also von Anfang an beim Frauenblasorchester Berlin dabei.
"Ich dachte, ich pass' da gar nicht rein. Ich hab' überhaupt keine Orchestererfahrung und ich bin so ein bisschen eine Notenanalphabetin. Ich weiß nicht, was da in meinem Hirn nicht funktioniert, ich kann mir die Sachen immer viel besser merken, wenn ich sie innerlich mitsinge, aber nicht, wenn ich die Noten lese. Bis ich das analysiert habe, was 'nen H mit 'nem B ist, das dauert so lange, da ist der Ton vorbei und darum hab' ich am Anfang gedacht, ich passe da gar nicht rein, aber: doch!"
Die Stadkapelle akzeptierte keine Saxofonistinnen
66 Frauen, jede mit ihrer eigenen Geschichte. Wie geht es zusammen, wenn alle in ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsam Musik machen wollen? Und jede auf ihre Art gesehen und gehört werden will? Diana Molnar, Juristin, kam erst im letzten Sommer mit ihrer Querflöte dazu. Groß geworden ist sie im Schwarzwald, direkt an der Schweizer Grenze.
"Ich komm' vom Land und eigentlich wollt' ich immer Saxofon spielen. Ich find' einfach, das hat so einen Gänsehautsound. Saxofon muss man einfach spielen können. Und da gab's damals bei uns das Blasorchester Stadtkapelle Blumberg und dann hab' ich mich halt als 12-Jährige gemeldet: Hallo, ich möchte Saxofon spielen. Und dann haben die Männer damals gesagt: Nö, Mädchen spielen bei uns nicht Saxofon."
Damit war das Thema Saxofon leider durch. Schwarzwald und Stadtkapelle Blumberg hieß für Diana Molnar notgedrungen: Querflöte. Die spielt sie heute, mit 47, auch im Frauenblasorchester. Aber nicht nur da, sondern auch in der Lobpreisgruppe, ihrer Berliner Baptistengemeinde. Molnar ist während ihres Jurastudiums zum Glauben gekommen, wie sie sagt. Für sie gibt es nichts Schöneres als für ihre Überzeugung zu leben und zu arbeiten. Und deshalb ist sie für das christliche Hilfswerk "Geschenke der Hoffnung e.V." tätig. Bleibt Molnar neben ihrer Arbeit als Projektleiterin von "Weihnachten im Schuhkarton", einer Geschenkaktion für Kinder in Not, noch etwas Zeit, dann experimentiert die Flötistin recht gewagt mit ihrem Instrument.
"Und dann so im stillen Kämmerlein, wenn's niemand hört außer den Nachbarn, habe ich einfach mal selber ausprobiert, was passiert eigentlich mit meiner Flöte, wenn ich da reinsinge oder reinrolle, oder wenn ich in das Mundstück reinpuste wie in eine Trompete oder einfach nur mal die Klappen schlage. Ich habe' mich auch schon mal irgendwo weitab von jeglicher Zivilisation aufs Feld gestellt (lacht), weil ich einfach wissen wollte, wie das so ohne Drumrum klingt."
Modernes Auftragswerk eigens für das "großbesetzte Blech"
Was Diana Molnar da ausprobiert, ist vermutlich ziemlich nah an dem dran, womit auch Susanne Stelzenbach arbeitet. Die Komponistin und Pianistin schreibt zeitgenössische Musik. Sie erhielt schon Kompositionsaufträge von der Akademie der Künste Berlin, dem Staatsschauspiel Dresden, der Musikakademie Rheinsberg. Und eben auch vom Frauenblasorchester Berlin. Für das Orchester hat die freischaffende Künstlerin ein modernes Auftragswerk geschrieben, zum zehnjährigen Bühnenjubiläum. Das Stück heißt "Luftspiel", ist etwa 13 Minuten lang und wird im Frühjahr 2015 uraufgeführt.
Stelzenbach: "Ich hab' ja bei den Konzerten immer versucht, in diesen Klang reinzuhören. In die Aura des Orchesters, was ist da so typisch, was macht es aus? Und das war natürlich auch die Masse der Musikerinnen und auch die Instrumente an sich. Also dieses großbesetzte Blech und auch die etwas zarteren Instrumente, also alles Blasinstrumente. Es hat ja eigentlich jedes Instrument eine gewisse Aura. Das hat ja auch 'ne Geschichte und wurde zu bestimmten Dingen eben eingesetzt. Der Trompeter war eben da für den Zapfenstreich."
Bevor die Komponistin Susanne Stelzenbach den Auftrag vom Orchester bekam, kannte sie die Frauen gar nicht. Aber dann hörte und erlebte sie das Frauenblasorchester zum ersten Mal. Und da wusste die Profimusikerin sofort: Dem Frauenblasorchester Berlin muss sie ein Stück auf den Leib schreiben. Ohne jedoch beim Schwierigkeitsgrad zu vergessen, dass das ja alles Laien sind. Denn sich selbst verbiegen, das ging für Stelzenbach gar nicht.
"Also meine größte Befürchtung war, ob sie mit meinem Stil klarkommen, weil, wie gesagt, wenn sie die Filmmusik zu Miss Marple spielen oder andere Dinge, das ist halt doch 'ne ganz andere Musik. Ja, alle Achtung. Ich find' das auch sehr mutig vor allen Dingen von dem Orchester, weil's ja, wie gesagt, dann auch irgendwie eine gewisse Herausforderung ist, sich an so was ganz Unbekanntes heranzuwagen."
Wellen vor dem geistigen Auge
Rienth: "Susanne Stelzenbach – is' sehr speziell dieses Stück. Da bin ich dabei zu lernen, dass Musik sich überhaupt nicht an dem orientieren muss, wie ich das gewöhnt bin. Ich blick' da echt oft überhaupt gar nicht durch, weil ich ja mit dem Lesen schon nicht hinterherkomme. Aber was sie bei mir auslöst, ist so ein Empfindsamwerden für etwas, was ganz anders ist als das, was meine Hörgewohnheit ist.
Wenn ich mittendrin sitze, denke ich manchmal, oh mein Gott, das geht nicht, das können wir nicht aufführen. Die Leute, die gehen' weg. Und wenn ich das dann so von außen höre, dann denk' ich immer, das ist total spannend. Man kriegt wirklich Bilder. Und das ist das, was Astrid auch wirklich toll schafft, die gibt uns immer Bilder für die Musik und damit kann ich total viel anfangen."
Astrid Grafs Methode lässt die Musikerinnen Wellen vor ihrem geistigen Auge sehen oder Sturmböen in den Haaren spüren, sodass sie das Tosen des Meeres leichter spielen können.
Manchmal muss über zehn Minuten intensiv an einzelnen Klängen gearbeitet werden. Die Partitur ist das Eine, die Übersetzung in Töne das Andere. Die Anweisungen der Dirigentin helfen den einzelnen Instrumentengruppen, sauberer und klarer zu werden. Der erste Ton soll lang und möglichst ohne Zunge angeblasen werden, die Flöten sind mezzoforte, also mittellaut, der Rest des Orchesters ist pianissimo. Dann wird weiter aufgebaut.
Manche schleppen sich regelrecht zur Probe
Die Tuba fängt an, die Posaunen setzen später ein, dann will Astrid Graf die Bassklarinette und das Altsaxofon hören. Wird der Einsatz verpasst, zu leise oder zu schnell gespielt, klackert irgendwo noch eine Klarinette, heißt es "Nochmal!" Das alles erfordert Konzentration und Disziplin. Und vor allem Geduld. Üben die Flöten an einer Passage bis alles passt, sitzen die anderen Frauen rum. Auch dabei weiterhin aufmerksam zu bleiben, ist eine Herausforderung.
Graf: "Also viele kommen todmüde ins Orchester, also manche schleppen sich regelrecht dahin, so nach dem Motto: Ich bin jetzt vom Sofa noch mal aufgestanden, eigentlich wollt’ ich jetzt gar nicht mehr. Und gehen dann raus und sind ganz glücklich. Und ich glaube, dass macht das Orchester aus, dass sie rausgehen und danach ganz wach sind."
Molnar: "Also, was ich noch nie erlebt habe, war diese geballte Frauenpower und mich begeistert das einfach. Oft sitz' ich in der Probe – wenn ich grad 'ne Pause hab' oder ein bestimmtest Register spielt – und dann beobachte ich die andern und freu mich einfach dran, wie die sich anstrengen, wie konzentriert sie sind oder manchmal auch, wie flapsig sie sind und so. Das find' ich einfach toll. Das hab' ich so noch nicht erlebt. Aber ich bin begeistert von der Individualität der Charaktere, von dem Witz und dem Humor und der Skurrilität, Und manchmal sitz' ich wirklich da und komm' mir vor wie im Film und kann's nicht glauben."
Apropos Film. Den gibt es über das Frauenblasorchester Berlin inzwischen auch. "Kein Zickenfox", ein Dokumentarfilm, ist erst vor wenigen Wochen aus dem Schnitt gekommen. 3,5 Jahre hat Filmteam Kerstin Polte und Dagmar Jäger das Orchester begleitet. Auf Probefahrten, die erste Tournee ins Fränkische Wachenroth und zu dem Auftritt im Juni 2011 in der Philharmonie. Der angemietete Kammermusiksaal ausverkauft, das Publikum begeistert. Damit hat sich das Frauenblasorchester einen Traum erfüllt. Nach den langen Dreharbeiten war die Neugier auf das filmische Ergebnis riesig. Deshalb gab's im Mai schon mal eine interne Vorab-Kinovorführung in den Hackeschen Höfen. Nur für die Blasmusikerinnen und ihre Familien. Kamerafrau Dagmar Jäger:
"Was mich von Anfang an so fasziniert hat, ist einfach diese Bandbreite von dem roten Seidenkleidchen mit den schwarzen Pünktchen, Querflöte spielend, in Absatzschuhen natürlich, bis hin zu den Zimmermannshosen in schwarz und roten Ringen, Tuba spielend. Diese Bandbreite ist einfach umwerfend. Sie spielen bei Weitem nicht immer jede Note richtig, aber sie haben immer wieder, auf jedem Konzert, eine unglaubliche Energie und absolute Freude am Spielen, die umhaut und die so fasziniert und einen so packt, dass man einfach nur mit kann und sich freut und einem die Tränen kommen."
Solistinnen werden nicht hofiert dritte Klarinetten nicht schlecht behandelt
Und auch die Regisseurin Kerstin Polte ist berührt. 2010 haben sie mit dem Dreh angefangen, ohne einen Cent in der Tasche, nur mit dem Fotoapparat. Das Filmteam wusste nicht, wann das Projekt enden würde, nur, dass sie es allen Hindernissen zum Trotz unbedingt zu Ende bringen müssen. In ihrer Begrüßungsrede erzählt sie im vollen Kinosaal, dass dieser Film der persönlichste ist, den sie je gemacht hat. Noch nie sind ihr Menschen während ihrer Arbeit so nah gekommen wie die Frauen vom Blasorchester.
Polte: "Ich hab' immer davon geträumt, dass Filme Leben verändern können oder die Welt ein kleines Stückchen verändern können. Und ich muss sagen, ihr habt unsere Welt, unser Leben verändert in den letzten 3,5 Jahren. Ihr habt uns gezeigt, was wahre Lebenslust ist und was wahre Spielfreude ist, wie toll Vielfalt gelebt werden kann, dass Toleranz nicht etwas ist, worüber man reden muss, sondern einfach etwas, was man lebt."
Menschlich und musikalisch gewachsen
Die Vielfalt der Orchesterfrauen unter einen Hut bringen. Das ist das, was Astrid Graf als musikalische Leiterin immer wieder leisten muss.
"Ich versuche mit dem Orchester so umzugehen, dass ich alle gleich behandle. Also, dass es egal ist, ob eine ein Solo spielt oder ob eine in der dritten Klarinette ist, oder was sie für eine Funktion hat im Orchester. Solistinnen werden nicht hofiert und dritte Klarinetten werden nicht schlecht behandelt. So nach dem Motto, ach, is' ja egal, ob ihr da seid oder nicht. Sondern: Sie sind ja alle wichtig. Also, alle brauchen sich gegenseitig."
Molnar: "Und ich bewundere unsere Dirigentin, dass die jedes Mal was draus macht – und wirklich aus jedem. Und wenn er ganz am Anfang steht, wirklich das Beste rausholt und am Ende klingt das so, wie's klingen muss."
Graf: "Ich hab' da viel gelernt, ich kann das wirklich nicht anders sagen. In der Art, wie kommuniziere ich mit den Frauen, wie äußere ich Kritik, da habe ich mich auch hin und wieder mal im Ton vergriffen und musste da noch lernen, dass das einfach nicht geht, dass man gucken muss, dass man niemanden vorführt und auch niemanden beleidigt, aber dass man es trotzdem sagt. Und ich bin mit dem Orchester gewachsen, also menschlich gewachsen, wie auch musikalisch gewachsen. Ich denke, man muss immer Ideen haben und Träume haben, wo es hingeht und dann nicht aufhören."
Das Frauenblasorchester Berlin – zehn Jahre lang haben die Frauen mit ihren Blasinstrumenten für und miteinander einen Raum geschaffen, der ihnen selbst und der Musik gehört. Es fing an mit nur zwei Titeln beim ersten Konzert – ohne Zugabe. Inzwischen haben sie sich ein breites Repertoire erarbeitet. Und wenn sie im Frühjahr 2015 ihr Auftragswerk "Luftspiel" uraufführen, dann zeigen die 66 Frauen, dass Ideen und Träume haben das Eine ist, der Mut zum Nicht-Aufhören aber das Wesentliche. Alle, die wollen, können an dieser Leidenschaft und Freude teilhaben. Mit den Augen, den Ohren und den Herzen:
Polte: "Ich wollte eigentlich fragen, was es Schöneres gibt als eine Frau im Leben. Und unsere Antwort ist: 66."