Musikalischer Wochenrückblick

Von Abgründen und musikalischen Erleuchtungen

Jonghyun in einem roten Anzug
Der koreanische Sänger Jonghyun hat sich im Alter von 27 das Leben genommen. © imago
Von Laf Überland |
Die Popwelt trauert um Jonghyun. Der koreanische Sänger hatte sich mit 27 Jahren das Leben genommen. Außerdem im Wochenrückblick: Mariah Carey in den US-amerikanischen Top Ten und Christen im Pop-Himmel.
Am Montag hat sich, mit 27 Jahren, der koreanische Superstar Jonghyun, Leadsänger der Boygroup SHINee, umgebracht. Und einem auf Instagram veröffentlichten und ziemlich erschütternden Abschiedsbrief nach tat er das, weil er die unbarmherzigen Zustände in der Saftpresse der koreanischen Pop-Industrie nicht mehr aushielt. Westlichen Popfans fällt am sogenannten K-Pop vor allem die Hyperexaktheit auf – die Choreographie, der Gesang, Kleidung und Schminke: Aber alles ist angeblich strengstem Drill, und absoluter Lebenskontrolle unterworfen. Die Popstars werden zu entseelten Funktionsträgern, die fröhliche Gefühle vermitteln sollen, wobei sie niemals versagen dürfen. Eine der zehntausend Trauernden vor dem Krankenhaus konstatierte: Ich glaube, unser Land hat sehr hohe Erwartungen an unsere Prommies.

Mariah Carey in den Top Ten

Keine besonderen Erwartungen hatte die Popwelt in den letzten Jahren mehr an Mariah Carey. Da ist es doch schön, dass sich ihr uralter Weihnachtssong "All I Want For Christmas Is You" nach 23 Jahren erstmals in die amerikanischen Top Ten gejinglet hat. Aber eigentlich ist das kein Wunder, denn laut einem amerikanischen Musiker und Medien-Professor bedient sich das Stück des althergebrachten und gemütlich-tiefenwirksamen Weihnachtsakkords - des halbverminderten Quintseptakkords, der auch schon den Dauererfolg von "White Christmas" und anderen Weihnachtsohrwürmern herbeiführte – vermittelt er doch zwischen Dur und Moll unsere Hassliebe zum Weihnachtsfest, sagt der Professor.

Keely Smith ist tot

Die Torch- und Popsängerin Keely Smith ist am Samstag mit 89 gestorben. Mit frechem Fransen-Pony und putzigem Herrenwinker wurde sie vor allem durch ihre Auftritte mit dem Italo-Schenkelklopf-Entertainer Louis Prima bekannt, obwohl ihre Solosachen viel cooler waren. Von Prima ließ Keely Smith sich scheiden, weil er soff und sie verdrosch; einen Heiratsantrag von Frank Sinatra lehnte sie ab, weil der so viel fluchte – auch so was gab es im Sündenpfuhl von Las Vegas, der in den letzten Jahrzehnten eher als Gnadenhof für abgehalfterte Alt-Stars galt.

Jackpot für Lady Gaga

Das Image der Showstadt ändert sich aber, seit Britney Spears dort 2013 mit ihrer regelmäßigen Show anfing, dann Jennifer Lopez und die Backstreet Boys. Den Jackpot hat aber jetzt Lady Gaga geknackt: 74 Shows in zwei Jahren ab Dezember 2018 für eine Millionen Dollar pro Abend: Davon habe sie ihr Leben lang geträumt, sagt die Gaga. Na klar!

Gläubige im Poprausch

Weitaus gesitteter als bei Lady Gaga geht es gewöhnlich bei den Auftritten christlicher Bands in den USA zu und weit entfernt vom seelenvollen Schmackesafroamerikanischer Gospel-Messen - bis neuerdings: Die Massengottesdienste der Hillsong Megachurch, einer Pfingstbewegungsgruppe, sind Rockevents mit mehreren tausend tanzenden, verzückt sich wiegenden ... Gläubigen? Fans? Jedenfalls ist jetzt ein Gottesdienst im zum Bersten vollgestopften Hammerstein Ballroom in New York in der amerikanischen Presse regelrecht gefeiert worden. Dort wurde nämlich das Oeuvre der Beatles genutzt, um die Dreikönigsgeschichte zu illustrieren: Neben dem rockigen Hillsong-Kanon wurden "Can’t Buy Me Love" und "Here Comes The Sun" von der Gemeinde geschmettert, "Across The Universe" mit Christi Geburt vermischt. Und der Prediger hatte dafür eigens eine blaue Zirkusdirektoren-Jacke im Stil von Sgt. Pepper angezogen. Christen singen Lieder von Agnostikern: Schön, dass sie das Schisma von 1966, als John Lennon sagte, die Beatles seien größer als Jesus, einfach zugeschüttet haben. Passend zum Fest der Liebe!
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