Karl Bartos: Der Klang der Maschine
Eichborn, 605 Seiten, Hardcover, 26 Euro
"Kraftwerk ist der Schatten, der mir hinterherläuft"
Wer einmal bei einer der einflussreichsten Bands der Welt gespielt hat, der wirft diese Vergangenheit nicht einfach so über Bord. Auch wenn sie schmerzhaft ist. Karl Bartos' Autobiografie ist deshalb auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung.
Hütter, Schneider, Bartos, Flür – Fans wissen sofort: Das ist das klassische Line-Up der deutschen Überband Kraftwerk. Mittlerweile sind nur noch Ralf Hütter übrig. Karl Bartos und Wolfgang Flür sind schon seit Jahrzehnten nicht mehr Teil von Kraftwerk.
Karl Bartos hat jetzt seine Autobiografie geschrieben: "Der Klang der Maschine". Darin erinnert sich der 65-jährige Musiker sehr detailliert – und ganz ohne Verbitterung – an sein Leben und vor allem natürlich an die Zeit mit Kraftwerk. Begegnungen mit dem Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter seien selten geworden, sagt Karl Bartos:
"Hin und wieder sehen wir uns zufällig. Und dann drücken wir uns die Hand. Aber eigentlich haben wir uns auseinandergelebt. Vor längerer Zeit, mehr als 20 Jahren. "
Von 1975 bis 1991 spielte Karl Bartos bei Kraftwerk. Damals schrieb die Band Musikgeschichte. In seiner Biografie möchte Karl Bartos auch seine Rolle bei dem kreativen Prozess ins rechte Licht rücken. Denn auf der Platte "Die Mensch-Maschine" von 1978 tauchte noch der Name von Karl Bartos und seinem Kollegen Wolfgang Flür auf. Im Katalog der großen Wiederveröffentlichung wurden diese Namen jedoch getilgt.
"Heute erscheint es ja so, als würde Kraftwerk nichts mehr mit der Schöpfung der Musik zu tun haben wollen. Aber die Schöpfung der Musik fand ja in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre statt. Und die Autoren heißen eben Hütter, Schneider, Bartos, Schult."
Subjektiver Blick auf die Musikgeschichte
Karl Bartos will in seiner Autobiografie deshalb auch seinen eigenen Blick auf ein Stück Musikgeschichte werfen:
"Seit mehr als 40 Jahren gibt es eine gewisse Wirklichkeit, die von Kraftwerk erzählt wird. Und ich hatte auch Anlass, aus diesem Grund meine Autobiografie zu schreiben. Weil ich die Geschichte der Entstehung unserer Musik noch einmal nacherzählen wollte. Ich denke da ist viel verloren gegangen."
Trotzdem wirft Bartos keinen verbitterten Blick zurück. Auch Anspruch auf Objektivität erhebt er nicht.
"Ich würde mal so sagen: Es gibt keine Zusammenstellung von Fakten, die objektiv betrachtet werden kann. Alles ist subjektiv. Und das meint ja auch dieser Satz von Orwell: Die Wirklichkeit spielt sich im Kopf ab. Und mein Blick auf die Wirklichkeit dieser Zeit ist eben der, den ich versucht habe in meinem Buch darzustellen."
"Ich wurde ständig mit Kraftwerk verglichen"
1991 verließ Karl Bartos die Band. Dass er erst jetzt mit 65 Jahren seine Biografie veröffentlichte, hat einen guten Grund.
"Ich habe versucht, lange zu warten. Nochmal einen Schritt zurück zu gehen und das ganze Bild zu betrachten. Weil die letzten 25 Jahre wurde ich ja ständig auf die Gruppe Kraftwerk angesprochen. Ich wurde ständig damit verglichen. Als ich an der UdK unterrichtete, habe ich mich strikt geweigert, auch Seminare über Kraftwerk zu halten. Das ist natürlich der Schatten, der mir hinterherläuft. Aber ich kann eben nichts dagegen tun."
Im Gegensatz zu Bands, die entstanden weil befreundete Musiker sich zusammenschlossen, beruhte die Zusammenarbeit von Kraftwerk schon immer auf einer Art Geschäftsmodell. War Karl Bartos also Angestellter in einer Band?
"Das ist ein grundsätzlicher Irrtum. Wir waren nie Angestellte der Gruppe Kraftwerk. Ich war immer ein freier Musikunternehmer und mein Kunde war Kraftwerk. Wir haben dann eine Rechnung gestellt. Oder ich wurde dann natürlich als Autor und als Mitglied der Band an der Lizenz beteiligt. Wir waren nie angestellt."
Seit seinem Ausstieg aus der Band hat Karl Bartos nur noch ein einziges Mal ein Konzert von Kraftwerk besucht.
"Das was heute stattfindet, das war grundsätzlich das, wogegen wir oder meine beiden Kollegen waren: Sie wollten nie live spielen. Wir haben die 80er-Jahre fast nur im Studio verbracht. Überhaupt nur am Anfang diese legendäre 80-Städte-Tournee gemacht. Und danach war das Live-Spielen eigentlich gar nicht mehr angesagt. Weil durch die Tonträger natürlich auch der Umsatz erzielt wurde. Heutzutage spielt Kraftwerk live, weil nur noch dort Geld zu verdienen ist."