"Für mich sind Musik und Spiritualität eigentlich untrennbar verbunden"
Markus Stockhausen besticht vor allem mit seiner Improvisationskunst. Seine "intuitive Musik" gehe noch weiter, sagt er: Es sei "Musik, die ganz aus dem Freien entsteht, wenn man mit leerem Geist auf die Bühne geht." So könne eine Erfahrung der Transzendenz entstehen.
Der Trompeter und Komponist Markus Stockhausen, Sohn des Komponisten Karlheinz Stockhausen, ist ein Grenzgänger zwischen den Welten der "neuen Musik" und des Jazz. Er zeichnet sich vor allem durch seine improvisatorische Fähigkeiten aus. Markus Stockhausen hat zudem eine Affinität zu spirituellen Räumen – so veranstaltete er etwa zehn Jahre lang in der Kölner St-Maternus-Kirche Konzerte mit "intuitiver Musik". Seine Musik ist mittlerweile auf über 80 CDs dokumentiert. Auf seiner 3aktuellen CD "Far Into The Stars", die auf dem traditionsreichen Blues- und Jazzlabel "OKeh" erschienen ist, befinden sich Stücke mit Titeln wie "Out Father", "Kult" oder "Choral am Ende der Reise".
Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erzählt Stockhausen, warum für ihn Musik und Spiritualität so innig zusammenhängen:
"Für mich sind Musik und Spiritualität eigentlich untrennbar verbunden. Das hat vielleicht zu tun mit den ersten Erfahrungen auch im Erleben der Musik meines Vaters, der sich ja auch immer zu spirituellen und religiösen Inhalten bekannt hat."
Grundlegend offene Form der Musik
Gerade in der "intuitiven Musik", eine experimentelle Form, die ebenfalls auf seinen Vater zurückgeht, die Markus Stockhausen aber weiterentwickelt hat, kommt die spirituelle Dimension klar zum Tragen. Anders als bei der Improvisation, erklärt der Musiker, wo man sich vorher auf Grundelemente wie Stil, Rhythmus oder Harmonie einigt, ist "intuitive Musik" eine "Musik, die ganz aus dem Freien entsteht, wenn man mit leerem Geist auf die Bühne geht". In dieser ganz grundlegend offenen Form der Musik könne eine Erfahrung der Transzendenz entstehen:
"Ja, das ist eigentlich dauernd der Fall, gerade wenn man intuitive Musik macht: dass man sich vorher schon versucht leer zu machen und sich vorzubereiten in dem Sinne: dass man ganz Ohr ist, ganz lauscht, auf das was kommen könnte, und dann wird das Persönliche oft überstiegen und man ist in der Konzentration einfach auf die Musik, auf den Ton, auf das, was die anderen machen. Man ist in einem Fluss und dieser Prozess steuert sich dann irgendwie wie von selbst. Aber, man ist nicht verloren darin, man ist hellwach, man ist ganz bewusst und bekommt alles mit, aber es ist vielleicht überpersönlich, könnte man sagen…"
Dass Stockhausen, der selber nicht mehr praktizierender Katholik ist, viel und gerne in Kirchenräumen musiziert, hat nicht nur mit seinen eigenen Jugenderfahrungen als Messdiener zu tun, noch hat es ausschließlich mit dem oft sehr schönen Klang und Hall dieser hohen und weiten Räume zu tun, sondern es hat auch mit dem spirituellen Charakter dieser Orte zu tun, mit der Tatsache, dass in ihnen Spiritualität jederzeit spürbar bleibt.
Spiritualität nicht an eine Religion gebunden
Überhaupt ist für Stockhausen, der auch viel mit Musikern ganz anderer kultureller und religiöser Herkunft arbeitet, die Spiritualität, auf die es in der Musik ankommt, nicht an eine bestimmte Religion gebunden.
"Die Musik ist eine reine Sprache, die ist jenseits von Rasse, von Religion, von politischer Anschauung. Musik ist die Sprache der Seele."
Und so unterschiedlich die kulturellen Prägungen und auch die musikalischen Traditionen oder die verwendeten Instrumente sein mögen:
"Im Herzen versteht man sich, und es ist egal, ob man dieselbe Sprache spricht oder nicht."
Musik ist in diesem Sinne für Stockhausen eine Form der Spiritualität, die jenseits oder über einzelnen Religionen steht. Mit der Musik komme man ganz unmittelbar zu sich selbst – und gleichzeitig unmittelbar zum Ganzen. Das sei etwa erfahrbar, wenn viele Menschen miteinander singen:
"Das Selbst ist nicht getrennt vom Ganzen. Obwohl man sich selbst als Individualität erlebt, ist man doch gleichzeitig, fühlt man sich verbunden. Man transzendiert die Identifikation mit der eigenen Persönlichkeit, mit dem eigenen Denken, mit dem eigenen Wollen und begibt sich in einen größeren Raum. Da verschmelzen die Klänge, und wenn zwanzig, dreißig, vierzig Menschen zusammen tönen, ist das ein wunderbarer Klang und man kommt in ein absolutes Jetztgefühl, man kommt in etwas größeres Gemeinsames hinein, was jenseits dessen ist, was man mit Worten benennen kann. Das ist vielleicht so der Beginn einer mystischen Erfahrung."