"Ich fühle mich belarussischer als je zuvor"
04:16 Minuten
Seit den Präsidentschaftswahlen Anfang August gehen die Menschen in Belarus auf die Straße, um gegen den Machthaber Alexander Lukaschenko zu protestieren. Die belarussische Musikerin Galina Ozeran sammelt von Deutschland aus Spenden für die Proteste.
"In diesem Lied geht es um Freiheit. Ich denke, es ist aktueller denn je", kündigt Galya Chikiss bei einem Konzert den nächsten Song an. Mit gebürtigen Namen heißt sie Galina Ozeran, ist 1982 in der belarussischen Stadt Wizebsk geboren. Damals war Belarus noch Teil der Sowjetunion.
"Und dann, in den Neunzigern zerfiel die Sowjetunion. 1994 wurde Lukaschenko Präsident. Im Prinzip war Lukaschenko also fast schon immer in meinem Leben. Und dann wurde er zum Diktator."
Bereits mit 19 verlässt Galina Ozeran ihr Heimatland: "Als ich nach St. Petersburg zog, war die Situation in Belarus ganz in Ordnung. Aber als ich nach einem Jahr zurückkehrte, um meine Eltern zu besuchen, erkannte ich das Land nicht wieder. Zuvor waren die Straßen voller Leute. Man traf sich in Parks und hörte Musik. Und jetzt kam ich in ein ausgestorbenes Minsk, ein ausgestorbenes Wizebsk, meine Heimatstadt. Was war passiert? Überall Polizei. So fing alles an", erzählt Galya in ihrer Wohnung in Berlin Neukölln nahe der S-Bahn. Sie lebt hier seit sechs Jahren – mit ihrem Mann, ihrer Tochter und zwei Katzen, die während des Interviews auf ihren Schoß oder auf den Tisch springen.
"Und dann, in den Neunzigern zerfiel die Sowjetunion. 1994 wurde Lukaschenko Präsident. Im Prinzip war Lukaschenko also fast schon immer in meinem Leben. Und dann wurde er zum Diktator."
Bereits mit 19 verlässt Galina Ozeran ihr Heimatland: "Als ich nach St. Petersburg zog, war die Situation in Belarus ganz in Ordnung. Aber als ich nach einem Jahr zurückkehrte, um meine Eltern zu besuchen, erkannte ich das Land nicht wieder. Zuvor waren die Straßen voller Leute. Man traf sich in Parks und hörte Musik. Und jetzt kam ich in ein ausgestorbenes Minsk, ein ausgestorbenes Wizebsk, meine Heimatstadt. Was war passiert? Überall Polizei. So fing alles an", erzählt Galya in ihrer Wohnung in Berlin Neukölln nahe der S-Bahn. Sie lebt hier seit sechs Jahren – mit ihrem Mann, ihrer Tochter und zwei Katzen, die während des Interviews auf ihren Schoß oder auf den Tisch springen.
Als würde sich nie etwas ändern
Auf den ersten Eindruck wirkt die Musikerin im Gespräch etwas kühl, das liegt vielleicht an ihrer Stimme. Schnell spürt man dann aber, wie warmherzig und mitfühlend sie ist.
Galina Ozeran hat sich nie als eine politische Künstlerin gesehen. "In den ersten Jahren in St. Petersburg war ich so etwas von unpolitisch, dass ich nicht mal wusste, wer der Präsident von Russland ist", erzählt sie. "Das war mir völlig egal. Ich lebte in einer coolen Stadt und verbrachte viel Zeit auf dem Dancefloor." Sie wusste zwar von den Protesten in ihrer alten Heimat gegen das repressive Regime. Lange Zeit aber gehörte auch das für sie zur Lebensrealität. "Es war dieses Gefühl, dass sich nichts ändern wird. Und dann, plötzlich, änderte sich etwas. Heute verstehe ich, dass es nicht normal war, was dort passierte. Es war kein normales Leben."
Galina Ozeran hat sich nie als eine politische Künstlerin gesehen. "In den ersten Jahren in St. Petersburg war ich so etwas von unpolitisch, dass ich nicht mal wusste, wer der Präsident von Russland ist", erzählt sie. "Das war mir völlig egal. Ich lebte in einer coolen Stadt und verbrachte viel Zeit auf dem Dancefloor." Sie wusste zwar von den Protesten in ihrer alten Heimat gegen das repressive Regime. Lange Zeit aber gehörte auch das für sie zur Lebensrealität. "Es war dieses Gefühl, dass sich nichts ändern wird. Und dann, plötzlich, änderte sich etwas. Heute verstehe ich, dass es nicht normal war, was dort passierte. Es war kein normales Leben."
Schon Lukaschenkos Verspottung des Coronavirus’ – trotz vieler Toter in Belarus – führte zu zunehmendem Widerstand. Das gefälschte Wahlergebnis Anfang August brachte das Fass dann zum Überlaufen. Die Massenproteste gegen den Autokraten begannen – und der reagierte mit Gewalt, ließ friedlich Demonstrierende verhaften und foltern.
Ein politisches Erweckungserlebnis
Galina Ozeran saß in der Diaspora und hatte Angst um Freunde und Familie. "Es gab diese drei Tage, als das Internet blockiert war. Und wir saßen hier, wir schliefen nicht, konnten nur versuchen, den Ereignissen auf Telegram zu folgen. Es waren die schrecklichsten Nächte unseres Lebens. Wir wussten nicht, ob unseren Verwandten, unseren Freunden in Belarus etwas passiert ist." Für sie war das eine Art politisches Erweckungserlebnis.
"Alle, ich, meine belarussischen Freunde auf der ganzen Welt, wir begannen, aufzuschreien. Wir schrien und ich fühlte so einen großen Schmerz in mir. Ich bin aufgewacht. Ich weiß nicht, was ich die ganzen Jahre zuvor gemacht habe. Jetzt fühle ich mich belarussischer als je zuvor." Mit Hilfe anderer belarussischer und internationaler Künstler hat sie deshalb die Musik-Kompilation "For Belarus" zusammengestellt. Der Erlös geht direkt an die Protestbewegung.
"Alle, ich, meine belarussischen Freunde auf der ganzen Welt, wir begannen, aufzuschreien. Wir schrien und ich fühlte so einen großen Schmerz in mir. Ich bin aufgewacht. Ich weiß nicht, was ich die ganzen Jahre zuvor gemacht habe. Jetzt fühle ich mich belarussischer als je zuvor." Mit Hilfe anderer belarussischer und internationaler Künstler hat sie deshalb die Musik-Kompilation "For Belarus" zusammengestellt. Der Erlös geht direkt an die Protestbewegung.