Musikerin Marianne Kirchgessner

Ein Star an der Glasharmonika

Glasharmonika, ein Instrument, das 1761/62 von Benjamin Franklin entwickelt wurde
Die Glasharmonika mit ihren sphärischen Klängen war das Modeinstrument Ende des 18. Jahrhunderts. Dieses Instrument wurde von Benjamin Franklin entwickelt. © picture alliance / akg
Von Sabine Fringes |
Marianne Kirchgessner war die bekannteste Glasharmonika-Virtuosin ihrer Zeit. Mit zwei von Mozart komponierten Stücken wurde die blinde Musikerin bekannt - sie inspirierte mit ihrem Spiel Dichter wie Jean Paul und Goethe. Vor 250 Jahren wurde sie geboren.
"Ihr himmlisches Spiel auf diesem außerordentlichen, kostbaren Instrumente entzückte jedes an reine Harmonie gewöhnte Ohr und zwar ganz über alle unsere Erwartung; die vortrefflichen Kompositionen, worauf sie sich hören lässt, spielt sie vollgriffig mit ganzer Harmonie, ihre Nüanzirungen, das Wachsen und Hinsterben der Töne sind unnachahmlich."
... schrieb ein Wiener Rezensent im Jahr 1791 über das Spiel von Marianne Kirchgessner. Die Glasharmonika mit ihren sphärischen Klängen war das Modeinstrument der Zeit. Johann Wolfgang von Goethe glaubte in ihr das "Herzblut der Welt" rauschen zu hören.
In dieser Form konstruiert hat das Instrument der amerikanische Staatsmann und Erfinder Benjamin Franklin, in dem er verschieden große Glasschalen auf einer Achse miteinander verband, die mit einem Fußpedal zum Drehen gebracht werden. Sie erklingen, wenn der Spieler sie mit angefeuchteten Fingern berührt. Und in den Ohren vieler Zuhörer beherrschte diese Kunst niemand so gut wie Marianne Kirchgessner.
"Allegros, welche vor ihr noch kein Künstler gewagte hat, spielt sie mit einer unglaublichen Fertigkeit, voll von sanfter Grazie und Empfindung."

Schicksalsschwere Begegnung in Wien

Marianne Kirchgessner wurde am 5. Juni 1769 als fünftes Kind eines Kammerzahlmeisters in eine musikalische Familie hineingeboren. Ihren ersten Klavierunterricht erhielt sie wahrscheinlich von der Mutter. Mit vier erblindete sie in Folge einer Pockenerkrankung.
Dennoch wurde ihre Begabung weiter gefördert: Joseph Anton Siegmund von Beroldingen, Domkapitular zu Speyer und Hildesheim, ließ dem Mädchen eine Glasharmonika bauen und finanzierte ihr den Unterricht darauf.
In Begleitung des Musikverlegers Heinrich Philipp Bossler und seiner Frau startet die junge Frau 1791 ihre erste Tournee, die sie nach München, Salzburg, Dresden, Berlin, Hamburg und Kopenhagen führt.
Den Auftakt ihrer Konzertreise macht Wien, wo es zu einer schicksalsschweren Begegnung kommt: Wolfgang Amadeus Mozart hört das Spiel der jungen Frau bei einem Privatkonzert.
Mozart, der sich als Kind selbst ein solches Instrument gewünscht hat, schreibt daraufhin – ein halbes Jahr vor seinem Tod - zwei Stücke: das Adagio in C-Dur für Glasharmonika solo sowie das "Adagio und Rondo" für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello. Diese beiden Werke sollen fortan zum festen Repertoire der Musikerin werden – und begründen ihren Erfolg.

Nach zehn Jahren Konzertreisen zur Ruhe kommen

Gut zehn Jahre lang tourt die junge Frau quer durch Europa, sie spielt an Adelshöfen und gibt Privatkonzerte.
Komponisten wie Anton Reicha, Johann Peter Salomon und Johann Brandl schrieben für sie und ihr Instrument, das mit einer automatischen Befeuchtungsanlage versehen war, sodass Marianne Kirchgessner ihre Finger beim Spiel nicht extra in Wasser tauchen musste. Die blinde Musikerin ließ sich die Stücke auf dem Klavier vortragen und spielte sie dann nach Gehör nach.
1801 erwirbt sie ein Landgut in Gohlis in der Nähe von Leipzig, das zu jener Zeit eine der Hochburgen für das Spiel der Glasharmonika war. Zehn Jahre Konzertreisen liegen hinter ihr, und die mittlerweile 32-Jährige ist ruhebedürftig.
Selten sind von nun an ihre Auftritte mit diesem außergewöhnlichen Instrument, das unter Ärzten und Psychiatern der Zeit hochumstritten war: Während manch einer die intensiven Schwingungen der Glasharmonika zur Therapie seiner Patienten einsetzte, warnten andere hingegen vor Nervenreizungen und Depressionen, die sie hervorrufen könnten.
1808 - wenige Monate vor ihrem Tod – besucht Marianne Kirchgessner Goethe in Karlsbad. Ihre letzte Konzert-Reise sollte in die Schweiz gehen, doch auf den Weg dahin verunglückt die Postkutsche. Die Musikerin verkühlt sich. Sie stirbt am 9. Dezember 1808 in Schaffhausen im Alter von 39 Jahren an Brustfieber. Mozarts Kompositionen halten ihr Andenken bis heute wach.
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