Musikfest Berlin 2024: The Cleveland Orchestra

Musik aus Eisen und Stahl

Blick auf die bunt illuminierte Skyline von Cleveland.
In Cleveland lebte lange die Familie Rockefeller, die auch die Skyline von New York mit ihrem großen Rockefeller Center prägte. © Pixabay
Moderation: Haino Rindler |
Die Stadt ist unscheinbar, ihr Orchester gehört zu den besten weltweit: The Cleveland Orchestra. Sie präsentieren ein amerikanisches Programm mit Werken von Loggins-Hull, Prokofiew und Adams, dessen "Guide to strange places" wie eine Vorahnung auf 9/11 wirkt.
Amerika steht im Mittelpunkt des diesjährigen Festivals mit Musik aus Nord-, Süd-, und Mittelamerika, ergänzt durch Musik aus Europa. Aus den USA ist unter anderem das Cleveland Orchestra angereist, eines der Big Five. Unter der Leitung von Chefdirigent Franz Welser-Möst lassen die Musikerinnen und Musiker ordentlich die Muskeln spielen.

Amerikanisches Programm - hart wie Stahl

Sergej Prokofjews 2. Sinfonie wurde vom Dirigenten als Musik aus Eisen und Stahl bezeichnet, ein Reflex auf die Maschinenwelt der 1920er Jahre. Dem gegenüber stehen das Orchesterwerk „Guide to Strange Places“ von John Adams und „Can You See?“ der 1982 geborenen composer in residence Allison Loggins-Hull.

Lamento mit beinhartem Vorspiel

Prokofjews zweisätzige Sinfonie entstand 1924/25 nach monatelangem Ringen. Die Uraufführung wurde vom Pariser Publikum eher kühl angenommen. Zu komplex erschien die Partitur, zu hart die Schläge aus dem Orchester. Prokofjew klagte: „Schluss – jetzt wird man von mir für eine lange Zeit nichts derart Kompliziertes mehr hören.“
Franz Welser-Möst: „Die zweite Sinfonie ist sicher sein radikalstes Stück. Das ist schon wahnsinnig modern, was Prokofjew da in den 20er Jahren schreibt. Aber dann finde ich auch so wahnsinnig, was er in dem 2. Satz an tiefem Klage hervorbringt.“

Vorahnung auf 9/11

John Adams‘ Guide to strange places basiert auf einem Reiseführer durch die Provence, der Adams bei einem Familienurlauf in die Hände fiel. In dem Buch werden geheimnisvolle Begebenheiten und dunkle Orte beschrieben. Die Entstehung der Musik fällt in die Monate vor den Terroranschlägen vom 11. September, die Uraufführung fand wenige Wochen nach den Anschlägen statt.
Die Reise dorthin über leergefegte Flughäfen vorbei an misstrauisch blickenden Beamten fand für Adams in einer beklemmenden Atmosphäre statt, die er nachträglich in seiner Musik gespiegelt fand. Eine Vorahnung?

Star Spangled Banner als musikalische Vorlage

Schon Jimi Hendrix warf mit seiner legendären Interpretation der amerikanischen Hymne der amerikanischen Gesellschaft die Scherben ihrer Moral vor die Füße. Ein gebrochenes Spiegelbild des Glaubens an die Freiheit der Menschen.
Die Komponistin Allison Loggins-Hull nimmt mit ihrem Werk den Faden der kritischen Betrachtung auf und fragt: Ist es wirklich noch ein Land der Freiheit? Was bedeutet Heimat der Tapferen heute? Um ihren kritischen Ansatz zu verdeutlichen, hat sie hinter die Anfangswort Can you see ein Fragezeichen gesetzt.
Philharmonie Berlin Aufzeichnung vom 26.08.2024

Allison Loggins-Hull
"Can you see?" für Ensemble (Deutsche Erstaufführung)

John Adams
"Guide to strange places" für Orchester

Sergej Prokofiew
Sinfonie Nr. 2 d-Moll op. 40

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