Monteverdi zum Amtsantritt
Er war der Leit-Klassiker 2017: Claudio Monteverdi, geboren vor 450 Jahren. An den beiden Weihnachtsfeiertagen erklingen noch einmal Hauptwerke des Künstlers, dem die europäische Musik einen Riesenschritt hin zu ihrer späteren Ausdrucksintensivierung verdankt.
Für den RIAS-Kammerchor und seinen neuen Chef Justin Doyle war das Jubiläum ein willkommener Anlass, zum Amtsantritt des Dirigenten im Rahmen des Musikfestes Berlin ein ungewöhnliches Doppelprojekt in zwei sehr unterschiedlich strukturierten Räumen zu präsentieren: die Marienvesper erklang im modernen, lichten und akustisch bis ins Detail durchgetüftelten Pierre-Boulez-Saal, die "Missa in illo tempore", deren Aufzeichnung wir heute hören, im baulich wie klanglich viel konventionelleren Rund der nur zwei Gehminuten entfernten St. Hedwigs-Kathedrale: quasi ein Selbstversuch der Interpreten in Sachen Flexibilität und Raum-Anpassung. Was gewiss experimentell, aber nicht willkürlich war – denn beide Stücke gehörten schon nach Monteverdis Willen zusammen und erschienen 1610 gemeinsam im Druck. Wobei die Messe unter den Schwesterwerken, wenn man denn in diesem Bild bleiben will, den Part der älteren von beiden spielt: traditionserfahren und –bewusst, auch ein wenig strenger und weniger verspielt als die Vesper. Womit sie dann einerseits bestens in den eher karg-asketischen Kathedralraum passt – und dennoch in jedem Takt hören lässt, welches Genie nicht nur der Neuerfindung, sondern eben auch der Erbeaneignung der große Musik-Jubilar des nun bald vergangenen Jahres war.
Musikfest Berlin
Musikfest Berlin
St. Hedwigs-Kathedrale, Berlin
Aufzeichnung vom 16.09.2017
Claudio Monteverdi
Claudio Monteverdi
Missa da Capella "In illo tempore"
für sechsstimmigen Chor und Generalbass
RIAS Kammerchor
RIAS Kammerchor
Capella de la Torre
Leitung: Justin Doyle