Sponsoren für die Popmusik gesucht
Das Kölner Musik-Event c/o pop erkundet bei seiner elften Auflage neue Entwicklungen der Popmusik. Das Heilmittel dieses Jahr hieß "Branding": Musiker, Musiklabels und Konzertveranstalter gehen auf Sponsoren zu und umgekehrt.
"Mach dich zur Marke!" - wenn es eine Botschaft des diesjährigen c/o pop-Festivals in Köln gibt, dann diese. Denn während sich Pop-Musik stilistisch immer weiter auffächert, wird es für alle Beteiligten zunehmend schwerer, ihren Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Das Heilmittel auf der diesjährigen c/o pop hieß "Branding". Musiker, Musiklabels und Konzertveranstalter gehen auf Sponsoren zu und umgekehrt. Das führt zu neuen Konflikten, wie auf der c/o pop berichtet wurde.
Keine Lust auf Probefahrt
Etwa wenn sich der Sponsor nicht mit seiner Rolle als Mäzen zufriedengibt und sich in den kuratorischen oder kreativen Prozess einmischt. Auch sind die Musik-Fans weitaus sensibler für die Manipulation durch Werbung, als es mancher Sponsor gerne hätte. Auf einem großen Festival in Ostdeutschland stellte Opel ein Auto auf dem Festivalgelände auf. Aber die potenziellen Kunden hatte keine Lust auf eine Probefahrt, sondern tanzten lieber auf dem Auto herum.
Solche Unbehagen mit der Marke kennt die c/o pop selbst bislang nicht. 2004 ist sie als Nachfolger der Popkomm gestartet, elf Jahre später hat sie sich inhaltlich neu orientiert, wie Festivalleiter Norbert Oberhaus berichtet:
"Traditionell war die c/o pop ja ein Festival für elektronische Musik. So haben wir uns vor elf Jahren gegründet. Aber schon im Laufe der Jahre haben wir das musikalische Spektrum erweitert. Wir haben uns dieses Jahr aber auch mal wieder an größere Namen herangewagt. Wir haben sogenannte Headliner gebucht: Kelis, Elbow, Agnes Obel, das sind schon größere Namen, die auch eine andere Publikumsschicht ansprechen."
Eine dieser Headliner trat zur Eröffnung im Alten Wartesaal auf. Früher war das Gewölbe aus dem 19. Jahrhundert unter dem Hauptbahnhof eine Größe im Kölner Konzertleben, heute finden dort überwiegend Fernsehaufzeichungen und Kabarettveranstaltungen statt. Zu Kelis passte es trotzdem. Die 35-Jährige R'n'B-Sängerin hat sich mit ihrem letzten Album "Food" als Soul-Diva präsentiert.
Kelis als Soulfood-Köchin
Die slicke, digitale, cyberfeministische Sexyness ihres großen Hits "Milkshake" ist einem traditionellen Soulsound mit Retro-Tendenzen gewichen. Gespielt hat sie "Milkshake" trotzdem. Dass der Song auch im traditionellen Soulformat funktioniert hat, lag vor allem an der Band von Kelis. Nuanciert spielte sich diese durch ihr Set und war niemals zu aufdringlich, um Kelis selbst die Rolle des Stars streitig zu machen. Dabei fällt auf, wie es Kelis gelingt, ihre neue Rolle als Soulfood-Köchin und selbstbewusste Mutter mit ihrer alten Rolle als R&B-Diva kombiniert. Getrübt wurde der Abend nur durch das abrupte Ende: Nach einer Stunde verabschiedete sich Kelis ohne Zugabe ins Hotel.
Das Duo Mount Kimbie flutete den gleichen Ort am nächsten Abend dann mit Bass. Die beiden Londoner schichten Drumpattern über Drumpattern und schickten zur allgemeinen Steigerung der Euphorie ihre Subbässe durch die tanzende Menge. Wesentlich perfektionistischer zeigten sich am Freitag Den Sorte Skole. Die beiden dänischen DJs collagieren Musik aus der ganzen Welt, die sie von Second-Hand-Vinyls samplen. Aber Den Sorte Skole manipulieren diese Samples nicht: Tonart und Tempo bleiben unberührt. Stattdessen treten die Musiken in den Dialog miteinander.
Kopfnicken im WDR-Sendesaal
Die Akustik des WDR-Sendesaals in Abstimmung mit der Lichtshow taten ein übriges, dass die etwas zu perfekt konstruierten Collagen von Den Sorte Skole dann doch für Kopfnicken sorgten. Ein Highlight diesjährigen c/o pop waren jedoch die Auftritte junger Kölner Musiker, die ansonsten verstreut in ihren Veedeln herumwerkeln. Denn nach dem großen Kater der Nullerjahre hat sich die Kölner Musikszene wieder konsolidiert, wie der Kölner Autor, DJ und Produzent, Hans Nieswandt meint:
"Ich würde sagen, die notorisch interessante Kölner Musikszene, die durch natürlich schon durch alle möglichen Phasen gegangen ist, steht im Moment sehr gut da. Es gibt großartige Labels, zum Beispiel im Hip-Hop-Bereich Melting Pot Music. Das Kompakt-Imperium hält sich auch sehr gut. Man spürt sogar teilweise, dass die Leute wieder aus Berlin wieder nach Köln ziehen, weil in Berlin der Glanz so langsam ein wenig blättert."
Das Techno-Label Kompakt lud am Freitag zur alljährlichen Party ein, ebenso wie das kleine Hip-Hop-Label Melting Pot Music. Einer der interessantesten Musiker dort ist Veedel Kaztro, ein junger Rapper aus Köln.
Das Techno-Label Kompakt lud am Freitag zur alljährlichen Party ein, ebenso wie das kleine Hip-Hop-Label Melting Pot Music. Einer der interessantesten Musiker dort ist Veedel Kaztro, ein junger Rapper aus Köln.
Veedel Kaztro paart geschichtsbewusste Old-School-Instrumentals mit melancholischen Beobachtungen der Gegenwart: Rap für Leute, die nicht gerne angeben. Aber noch etwas zeigte sich dieses Jahr bei der c/o pop. In den letzten Jahren hat sich in Köln wieder eine Rockszene abseits des Kölschrocks von BAP und Brings etabliert, berichtet Norbert Oberhaus:
"Neben Annenmaykantereit, was eine junge Nachwuchsband aus Köln ist, die gerade für Furore sorgt, ist die nächste Band, die ich ganz weit vorne sehe Oracles. Da entsteht gerade was, was ich für richtungsweisend halte und die bekommen ja auch morgen abend im Stadtgarten den Pop-Up-NRW-Preis ausgehändigt. Und ich denke mal, auch zu recht, denn ich sehe in dieser Band wahnsinnig viel Potenzial, dass die abgehen können."
Es geht auch ohne Branding
Am Mittwoch spielten Annenmaykantereit vor 800 Leuten im ausverkauften Kölner Club Gloria. Ihre Musik ist konventionelle Rockmusik, in ihren Texten verabschieden sie sich jedoch von gefühligen Klischees des Kölschrocks, die einer sanften Melancholie weicht. Oracles dagegen kombinieren Krautrock, Disco und Ambient zu psychedelischen Popsongs, die in dieser Form lange nur in den Nischen selbstorganisierter Kunstgallerien und Jugendzentren existierte.
Am Samstag gelang den Oracles ähnliches wie Annenmaykantereit drei Tage zuvor. Nachdem sie den Nachwuchspreis des Landes NRW in Empfang genommen hatten, gab es einen Einlass-Stop im Kölner Club Stadtgarten. 10.000 Euro haben die fünf Musiker aus Köln und Berlin am Samstag erhalten, das Geld wollen sie in ihr Debütalbum investieren. Und vielleicht relativiert sich damit auch die Relevanz von "Branding". Wenn sich öffentliche Kulturinstitutionen ein wenig bemühen, dann geht's auch ohne.
Zur Homepage des Festivals: c/o Pop